„Das ist doch toll, dass sie alle zu Euch nach Hause kommen und Euch unterstützen“, meinte neulich eine Bekannte.
Und natürlich hat sie recht damit, dass es eine große Hilfe ist, wenn die lieben StudentInnen vom Familienentlastenden Dienst, um mit Niklas zu spielen (weil er so ungern Ausflüge macht) oder die Handwerker, um zerbissene Mauern oder wackelnde Türen zu richten, zu uns nach Hause kommen. Und die Besuche von den Damen der Sozialstation, um die Pflegesituation zu überprüfen, und die Menschen vom Medizinischen Dienst, um den Pflegegrad oder die Beantragung von Hilfsmitteln zu begutachten, müssen nun mal auch ihren Job machen.
Aber manchmal habe ich schon das Gefühl, dass das hier ein „Haus der offenen Tür“ ist.
Meine Unterwäsche kennt sowieso schon fast jeder, weil Niklas mit seinen AssistentInnen durchs Haus tigert und ihnen alles zeigt. Bis auf einen haben es bisher auch alle geschafft zu verhindern, dass meine BHs durchs Fenster auf die Straße fliegen.
Wenn es bei uns mal unordentlich ist und die Fenster nicht geputzt sind und es in der Küche aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen, ist das schon lange keine Sache mehr, die ich mit mir alleine und meiner Familie ausmache. Nee, da sind noch einige andere Menschen, die hier ein- und ausgehen und das mitkriegen. Na, was soll´s.
Und ja – ich möchte es nochmal sagen – bei den meisten ist es wirklich toll, dass sie kommen, um uns zu unterstützen.
Wirklich blöd ist es nur dann, wenn FreizeitbetreuerInnen den Job eine Weile machen, wir Vertrauensvorschuss und Einblick in unser Familienleben und Zuhause geben und dann von einem auf den anderen Tag hingeschmissen wird. Da fühlt man sich dann schon ein bisschen komisch. Eine andere Mutter meinte neulich zu mir: „Da war wieder eine Begleitung für unseren Sohn ein paar Mal da und jetzt kommt sie nicht mehr. Ich fühle mich fast gestalkt.“
Die Berufsgruppen, die zu uns kommen, um zu begutachten und etwas zu dokumentieren, tun das auch aus gutem Grund – ist mir klar – aber ich möchte hier ein Gefühl dafür vermitteln, dass man mit einem behinderten Kind eigentlich nicht die Wahl hat, ob man ein „Haus der offenen Tür“ hat oder die Türen geschlossen bleiben und nur dann geöffnet werden, wenn man selbst das möchte. Es gibt Zwänge und Vorgaben, die dies verhindern.
Es wäre schön, wenn das ein wenig bewusster wird und mit der Privatsphäre von Familien mit behinderten Kindern wertschätzender und diskreter umgegangen wird.
Etwas Gutes und Schönes hat es natürlich auch, so ein „Haus der offenen Tür“ zu haben. So sind Freunde immer willkommen und meine Tochter brachte oft viele junge Leute mit nachhause, als sie noch zuhause wohnte – das fand ich immer sehr schön. Aber das sucht man sich selbst aus und steuert es gemeinsam mit der Familie – das, worüber ich hier sonst in dem Beitrag schreibe, bezieht sich auf Menschen, die man sich nicht immer aussucht, und auf Situationen, die man hinnehmen muss.
Die Bedeutung eines sicheren Rückzugsortes
Eine Sache liegt mir noch am Herzen zu sagen: gerade unsere autistischen Kinder, für die die Welt oft chaotisch und unberechenbar ist, die in vielen Situationen von ihren Mitmenschen missverstanden werden und erschöpft von Kindergarten oder Schule nach Hause kommen, ist ein sicherer Rückzugsort absolut wichtig.
Daher ist es für uns undenkbar, Menschen zu uns nach Hause kommen und verweilen zu lassen, die Niklas nicht respektieren. Das ist sein Zuhause, in dem er nicht umerzogen, umtherapiert und angepasst wird. Punkt.
Wenn es notwendig ist und sich nicht vermeiden lässt, dass z.B. ein Gutachter kommt, dann besprechen wir das vorher ausführlich und Niklas zeigt den Leuten auch ziemlich deutlich (Winken, Schuhe bringen, Jacke bringen, Haustür zeigen, schreien, trampeln, spucken – in dieser Reihenfolge, wenn das jeweils vorherige nicht beachtet wurde), wann sie wieder gehen sollen.
Das beschleunigt manchen sonst langwierigen Prozess – ist auch nicht das Schlechteste. :-)
kostenlose Anleitung für das Einrichten eines Rückzugsbereichs
Auch ohne Pflegebett ist es wichtig, einen Ort zuhause zu haben, an dem sich unsere Kinder geschützt vor Reizen, Anforderungen zurückziehen und von schwierigen Zeiten erholen können.
Ein solcher Rückzugsbereich kann für alle Beteiligten ein wirklicher Gewinn sein und kann auch in nicht kritischen Situationen genutzt werden. Ich habe Erfahrungen in einer Anleitung zusammengetragen, die du kostenlos für dich herunterladen kannst.
Hol dir hier gerne eine kostenlose Anleitung – einfach per Klick auf das Bild
Jetzt musste ich ja zum Schluß doch noch lachen, denn Finn macht das mit dem Beusch fast genauso. Als hätte er eine innere Uhr, die spätestens nach 1,5 Stunden sagt, jetzt reicht es.
Erst wird er extrem unruhig und dann echolaliert er: „da rein“, wenn derjenige, der zu Besuch ist, sein Zeug in seine Tasche packen soll, zur Verdeutlichung zeigt er es auch an. Hat derjenige Besuch seine Jacke über der Stuhllehne hängen, hilft mein Sohn sehr gründlich beim Anziehen, vorher evtl ausgezogene Schuhe werden gebracht, ein achtlos liegender Schlüssel wird mit Nachdruck in die Hand gegeben, zur Tür wird der Besuch gebracht, damit er nicht vesehentlich falsch abbiegt und solange mit „füß“(tschüß) verabschiedet, bis er nicht mehr anders kann, als sich tatsächlich auf den Weg zu machen. Dann muss Finn auch immer solange warten, bis derjenige in sein Auto gestiegen ist, und aus unserer Straße gefahren ist.
Nun kommen hier nicht soviele Menschen, aber die wenigen stören doch sehr die Ordnung. Vor allem, wenn Gutachter des MDK sich Zimmer ansehen wollen, die eigentlich nur der Familie vorbehalten sind.
Unsere eine Betreuerin, die wir schon seit 10 Jahren haben gehört indessen schon zur Familie.