Wie Du reagieren kannst, wenn andere übergriffig sind und Dich und Dein Kind verletzen

veröffentlicht im September 2019


Bestimmt kennt Ihr die Situationen nur zu gut, in denen man plötzlich wie vom Donner gerüht dasteht, weil jemand etwas Verletzendes und Übergriffiges über unsere Kinder gesagt hat.
Einige von uns sind schlagfertig und erwidern sofort etwas, das unser Gegenüber in seine Schranken weist oder zum Nachdenken bringt.
Vielen von uns fällt es aber schwer, spontan und angemessen zu reagieren.
Ich habe ein paar Ideen zusammengestellt, die es womöglich etwas leichter machen.

Manchen Personen ist es nicht einmal bewusst, dass sie übergriffig agieren, wenn sie Diagnosen bewerten, unsere Erziehung in Frage stellen, das Leben unserer Kinder abwerten und die Herausforderungen, die den Alltag unserer Kinder und die gesamte Familie prägen, bagatellisieren.
Andere wiederum wissen sehr wohl, dass sie immer wieder in die gleiche Wunde bohren (rw). Sie mischen sich unverbesserlich ständig ein.
Wieder andere hören nicht richtig zu und merken daher nicht, dass sie uns immer wieder aufs Neue verärgern, Grenzen überschreiten und verletzen.
Und viele meines es wahrscheinlich auch einfach nur gut, geben Tipps und Ratschläge, mit denen sie von ihren Kindern auf uns und unsere Kinder schließen. Dass wir dabei mit häufigen Klischees konfrontiert werden, merken sie nicht.

Für uns fühlt es sich jedes Mal aufs Neue schrecklich an, wenn wir unsere Kinder verteidigen, unseren Umgang mit ihnen rechtfertigen und manchmal sogar überlegen müssen, ob wir uns – soweit möglich – von manchen Menschen trennen sollten.

Quelle: pixabay, User geralt

Wie kann es gelingen, spontan und angemessen zu reagieren?

Frag bei Deinem Gegenüber nach.

Wie schon oben angedeutet, meinen es manche Menschen gar nicht böse. Sie sind nur einfach schlecht aufgeklärt, verfügen über wenig Empathie, können nicht richtig zuhören oder schließen generell zu sehr von sich auf andere. Durch eine Nachfrage wie zum Beispiel „Hast Du Dich zum Thema Autismus belesen oder fortgebildet?“, kommt vielleicht doch jemand ins Grübeln, ob die Bemerkung angemessen war.
Das Nachfragen verschafft Dir außerdem Zeit. Wenn derjenige seine Aussage tatsächlich nochmal in der gleichen Art und Weise formuliert, kannst Du Dir ein wenig länger überlegen, wie Du reagieren möchtest.
Und außerdem kann das Nachfragen bewirken, dass Dein Gegenüber schon von ganz alleine einlenkt und anders formuliert. Viele merken beim nochmaligen Nachdenken und Aussprechen-sollen, dass es vielleicht doch nicht so passend ist, was sie gesagt hatten.

Nimm es, wann immer möglich, mit Humor.

Das Leben mit mehr Gelassenheit und Humor zu nehmen, ist grundsätzlich gut, wenn man einen herausfordernden Alltag hat. Das ist natürlich nicht immer möglich und leichter gesagt als getan, aber es hilft tatsächlich. Das muss auch kein Humor sein, den andere verstehen, er muss auch nicht gesellschaftstauglich sein – Hauptsache, er hilft Dir und Deiner Familie, mit Situationen und Aussagen anderer zurechtzukommen.
Wenn Du über etwas lachst, eine scherzhafte oder ironische Bemerkung machst, bringt das meistens einen Überraschungseffekt mit sich. Du entwaffnest den anderen und nimmst die Bedeutsamkeit seiner Aussage. Er merkt, dass es nicht so wichtig, möglicherweise nicht besonders schlau und angemessen ist und dass er nicht so ernst genommen wird, wie sie oder er das vielleicht gerne hätte.
Und mindestens genauso wichtig: es nimmt Dir die Schwere. Du bekommst im wahrsten Sinne des Wortes Luft, erstickst nicht an dem, was Du womöglich kurz zuvor an Übergriffigem zu hören bekommen hast.
Manchmal öffnet die Leichtigkeit, die damit erzielt wird, auch die Möglichkeit zu einem Gespräch. Das habe ich auch schon erlebt, denn einige Menschen haben starke Berührungsängste, mit uns und unseren Themen umzugehen. Wenn sie merken, dass wir vieles mit Humor nehmen können, entwickelt sich auch manchmal ein Gespräch.

Halte Dich selbstbewusst.

Mit Deiner Körperhaltung kannst Du Selbstsicherheit und Souveränität ausstrahlen. Das wird Dein Gegenüber auch aufnehmen. Es ist ein Unterschied, ob Du zusammengesunken oder mit hängenden Schultern dastehst, weil Dir hundeelend zumute ist, oder ob Du Dich trotzdem aufrecht hälst, Deine Schultern straffst und den Blick nicht senkst.
Das ist schwer, weil wir so häufig unsere ganze Energie zusammennehmen müssen, um für unsere Kinder etwas durchzusetzen.
Aber es lohnt sich, das zu üben und Deinem Gegenüber auch ohne etwas zu sagen, zu vermitteln, dass Du konsequent zu Deiner Haltung und Deinem Kind stehst.
Und Du wirst Dich selbst besser fühlen, wenn Du im Nachhinein an die Situation denkst und weil sich Deine körperliche Stärke auch auf Deine mentale Haltung überträgt.

Habe Mut, Deine Gefühle zu zeigen.

Das ist eine Möglichkeit, die häufig konträr zum vorherigen Tipp steht. Je nach Situation, abhängig davon, mit wem du gerade im Gespräch bist, und in welcher Tagesform Du Dich selbst befindest, ist es manchmal auch gut, seine Verletztheit oder Bestürzung zu zeigen.
Du kannst zum Beispiel zu jemandem sagen: „Das, was Du mir eben gesagt hast, verletzt mich. Ich möchte auf diese Weise nicht weiter mit Dir darüber sprechen und brauche erstmal Zeit.“ Dann kannst Du Dich verabschieden und gehen. Es macht Dich echt und authentisch, Du vergreifst Dich nicht im Ton und Du schützt Dich selbst, indem Du die Situation verlässt.

Bleibe auf Deinem eigenen Niveau.

Das bringt uns auch direkt zu diesem wichtigen Punkt. Es wird uns im Nachhinein nur noch zusätzlich herunterziehen, wenn wir uns auf ein Niveau begeben haben, für das wir uns sonst nicht hergeben und für das wir uns sogar schämen.
Versuche sachlich oder emotional echt zu bleiben, dabei aber nicht beleidigend zu werden. Du kannst Dein Gegenüber auch anders in seine Schranken verweisen, zum Beispiel indem Du sagst: „Es ärgert mich sehr, wie Du über xyz sprichst. Ich möchte das Gespräch hier beenden.“ / „Es verletzt mich, was Du sagst. Ich werde jetzt gehen.“ / „Bitte überlege mal in Ruhe, ob Du Dich zum Thema xyz wirklich gut genug auskennst, um mir Ratschläge geben zu können.“
Mit diesen Aussagen bleibst Du bei Dir und Deinen Gefühlen, die Dir niemand nehmen kann, bzw. regst Dein Gegenüber zum Nachdenken an, ohne sie oder ihn anzugreifen. Das kann Dir niemand vorwerfen.

Lass Dich nicht provozieren.

Manche Menschen sind gut darin, Nebenbemerkungen fallenzulassen, auf die sie dann gerne eine Reaktion hätten. Überhöre diese Sticheleien und Anspielungen, wenn Du genau weißt, worauf das hinauslaufen soll und nur darauf abzielt, Dich zu provozieren.
Verweigere Deine Aufmerksamkeit, indem Du das einfach übergehst und über etwas anderes sprichst.
Das nimmt dem anderen die Macht, weil seine Strategie nicht aufgeht, und verleiht Dir Souveränität.

Bleib ruhig und zähle bis drei.

Nimm Dir einen Augenblick für Dich selbst, wenn Du Dich angegriffen, provoziert oder brüskiert fühlst. Reagiere nicht sofort – das hilft Dir, ruhig zu bleiben und kurz zu überlegen, wie Du reagieren möchtest. Und es irritiert Dein Gegenüber, denn schon zwei oder drei Sekunden Pause können sehr wirksam sein.
Nimm Dir vor, bis drei zu zählen, drei tiefe Atemzüge zu machen, stoße drei Mal mit dem großen Zeh von innen an Deine Schuhe oder ähnliches.

Ich wünsche Dir, dass Dir der eine oder andere Hinweis helfen kann. Es ist ganz normal, dass Du nicht immer alles umsetzen kannst und natürlich hängt es auch von der eigenen Tagesform ab, was möglich ist und was nicht.
Umgib Dich mit Menschen, die Dir gut tun, die die gleichen Werte haben und die Dich und Dein Kind respektieren. Dann werden solche unangenehmen Situation hoffentlich nicht so häufig auftreten.

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Zum Weiterlesen:
Von Menschen, die Deine Energie und Nerven rauben, und wie Du Dich von ihnen löst


Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Die Bemerkung, die mich am meisten nervt, ist die: Ist denn nicht jedes Kind etwas Besonderes? Darauf habe ich mir folgende Antwort zurechtgelegt: Worauf genau bist du denn neidisch, wenn du dir so sehr ein „besonderes Kind“ wünschst? Gefolgt von einer langen Liste mit Schwierigkeiten, denen wir und andere Eltern konfrontiert sind. Das ganze vorgebracht mit einem strahlenden Lächeln.

  2. Wie schön, der Blogeintrag kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, auch wenn es nur um nervige und etwas übergriffige Nachbarn geht, die wohl glauben, es gibt eine einzige und richtige Art und Weise zu leben. Ganz ohne ein „besonderes“ Kind zu haben, nur ein stinknormales was halt zahnt und dann eben schlechte Laune hat.
    Dankeschön, Michaela.

  3. Liebe Silke,
    ich finde diesen Beitrag (wie alle Deiner Beiträge) einfach nur spitze. Ganz toll geschrieben und die Vorschläge mit den jeweiligen Situationen umzugehen so toll, dass ich sie mir herausschreiben werde :-)!. Ein wirklich wunderbarer Bericht. DANKE!!

    Auch den Beitrag von Christine: ja, das kenne ich gut und es nervt mich ebenfalls tierisch. Tolle Erwiderung!

    Es tut gut mit dem allem nicht alleine dazustehen.

  4. Liebe Silke,
    Ich glaube, dein Beitrag kann auch erwachsenen Autisten, wie mir zum Beispiel, helfen, vielen Dank dafür.
    Auch für ganz andere Themen ist das sehr nützlich.
    Für Sprüche wie „Das haben normale Menschen auch “ habe ich mir folgende Antwort zurechtgelegt:
    „Richtig, die meisten Menschen haben das eine oder andere autistische Symptom. Aber ich habe mit der großen Kelle zugelangt und eine derartige Vielzahl von Symptomen, dass es für die Diagnose gereicht hat. Deshalb bin ich mit jedem einzelnen Symptom schneller überfordert. “
    Dann ist meist erst mal Ruhe.

    Andererseits habe ich auch schon als Reaktion bekommen, ich hätte einen Krankheitsgewinn, als ich versucht habe, demjenigen was zum Thema zu erklären bzw. gebeten habe, sich zu informieren.
    Da hilft dann wohl nur Kontaktabbruch…

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