Wenn Wissen nicht gehört werden will – Wie du trotzdem Aufklärung betreiben kannst

veröffentlicht im April 2025


„Ich habe so viel Wissen und extra eine Ausbildung absolviert – aber niemand will es hören!“ Diese frustrierende Erfahrung machen viele, die sich intensiv mit Autismus auseinandersetzen, sei es als Eltern, SchulbegleiterIn, TherapeutIn oder Lehrkraft. Besonders in Einrichtungen, in denen alte Strukturen und Vorurteile vorherrschen, stößt man häufig auf Widerstand.
In diesem Beitrag geht es darum, wie du dennoch Wissen weitergeben kannst, auch wenn es zunächst nicht willkommen scheint.

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©Quelle: pixabay, User geralt, vielen Dank!

Warum Wissen manchmal abgelehnt wird

Man könnte denken, dass mehr Wissen immer begrüßt wird. Doch in der Praxis sieht es oft anders aus. Viele Menschen in Schulen, Kitas und sozialen Einrichtungen haben ohnehin schon mit Zeitdruck, Personalmangel und hohen Anforderungen zu kämpfen. Neues Wissen bedeutet für sie oft nicht nur mehr Informationen, sondern auch mehr Arbeit. Zusätzliche Anpassungen werden als „Extrawurst“ empfunden, die das System noch komplizierter macht. Dazu kommt, dass nicht jeder bereit ist, eigene Fehler oder Fehleinschätzungen einzugestehen – besonders, wenn man jahrelang anders gearbeitet hat. Doch es gibt auch andere Gründe, warum Wissen abgelehnt wird:

Angst vor Veränderung: Veränderungen erfordern Umdenken und Anpassung. Das ist anstrengend und wird oft vermieden. Viele Menschen fühlen sich mit ihren bisherigen Arbeitsweisen sicher und haben Angst davor, etwas falsch gemacht zu haben.

Hierarchien und Machtstrukturen: Wer Neues vorschlägt, stellt bestehende Strukturen infrage. Das kann von Vorgesetzten oder Kollegen als Bedrohung empfunden werden. Besonders in starren Systemen gibt es oft wenig Bereitschaft, von „oben“ etwas Neues anzunehmen.

Fehlendes Bewusstsein: Viele wissen nicht, was sie nicht wissen. Sie erkennen den Bedarf nicht. Sie sehen nicht, dass kleine Anpassungen eine große Wirkung haben können und bleiben deshalb bei alten Mustern. Oft fehlt einfach die Vorstellungskraft dafür, wie hilfreich Veränderungen sein könnten.

Abwehr durch Schuldgefühle: Manche fühlen sich durch neue Informationen in ihrer bisherigen Arbeit oder Haltung angegriffen und reagieren mit Ablehnung. Sie fürchten, dass sie kritisiert werden oder sich rechtfertigen müssen. Kritik an einem System oder einer Methode wird oft als persönlicher Angriff verstanden.

Strategien, um dennoch Wissen weiterzugeben

Vielleicht hast auch du es schon erlebt: Du möchtest etwas weitergeben, das wirklich hilfreich wäre, aber dein Gegenüber blockt ab. Das kann frustrierend sein. Doch es gibt Möglichkeiten, trotzdem einen Unterschied zu machen. Hier sind ein paar Strategien, die du ausprobieren kannst:

a) Indirekte Wissensvermittlung

Fragen statt Belehren: Statt mit Fakten zu konfrontieren, lieber Fragen stellen: „Ist euch auch schon mal aufgefallen, dass…?“ oder „Habt ihr mal überlegt, warum X so reagiert?“
So kann sich dein Gegenüber selbst Gedanken machen, ohne sich sofort belehrt zu fühlen. Niemand hört gern Vorträge, aber eine kluge Frage kann Interesse wecken.

Erfahrungen erzählen statt Theorien präsentieren: Eigene Beobachtungen oder Geschichten sind oft wirkungsvoller als trockene Fachtexte. Menschen erinnern sich eher an persönliche Erlebnisse als an Zahlen und Studien. Ein anschauliches Beispiel kann oft mehr bewirken als die beste Statistik.

Vorleben statt fordern: Wer selbst gut vorbereitet ist und Methoden einfach anwendet, macht sie für andere selbstverständlich. Manchmal reicht es, Dinge einfach vorzuleben, statt sie immer wieder erklären zu müssen. Wenn jemand sieht, dass eine Methode funktioniert, wird sie schneller akzeptiert.

b) Verbündete suchen

Manchmal reicht es, wenn sich eine einzelne Person öffnet. Es muss nicht immer gleich das ganze Team sein. Wer könnte ein guter erster Ansprechpartner sein?

Konzentriere dich auf Menschen, die offen sind. Nicht jeder wird sofort begeistert sein, aber es gibt immer Einzelne, die sich interessieren. Wenn du mit ihnen arbeitest, kannst du nach und nach einen größeren Kreis erreichen. Lieber mit kleinen Schritten vorangehen als sich an denen abzuarbeiten, die sich nicht bewegen wollen.

Eltern ins Boot holen: Eltern, die aktiv Wissen oder Veränderungen einfordern, können manchmal mehr Druck auf Einrichtungen ausüben, als Mitarbeitende. Sie können im Rahmen von Elternvertretungen oder Vereinen eine starke Stimme haben, wenn es um Veränderungen geht (lässt sich natürlich nicht verallgemeinern).

Fachliche Unterstützung finden: Gelegentlich hilft es, auf externe Fortbildungen oder offizielle Stellen zu verweisen. Wenn etwas „von außen“ kommt, wird es oft eher akzeptiert. Manche Menschen vertrauen eher auf Autoritätspersonen als auf Kollegen oder Eltern.

c) Wissen „tarnen“

Wenn offene Gespräche nicht möglich sind, kann es helfen, Wissen einfach in den Alltag einfließen zu lassen.

Verpacke Wissen so, dass es nicht belehrend wirkt. Wer Widerstand hat, liest keine langen Texte. Eine knackige Checkliste kommt vielleicht besser an. Auch Infografiken oder kleine Videos können hilfreicher sein als lange Dokumente. Je niederschwelliger das Material ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es wahrgenommen wird.

Betone den praktischen Nutzen. Z.B. „Wenn wir Meltdowns besser verstehen, gibt es weniger Stress für alle.“ Menschen sind eher offen, wenn sie sehen, dass sie selbst davon profitieren. Viele ändern nicht gerne etwas nur für andere, aber wenn es ihnen selbst hilft, ist die Bereitschaft größer.

Lass Wissen in Gespräche einfließen. In Gesprächen kleine Anekdoten oder Beobachtungen einstreuen. Manchmal reicht es, beiläufig Wissen einfließen zu lassen, ohne eine große Diskussion zu beginnen. Wenn du das Thema nicht groß ankündigst, ist die Chance höher, dass es unbewusst aufgenommen wird.

Was tun, wenn es trotzdem nicht funktioniert und dir niemand zuhört?

Es kann passieren, dass du trotz aller Bemühungen auf Widerstand stößt. Vielleicht hast du schon unzählige Argumente vorgebracht, alles gut erklärt und trotzdem scheint es nicht anzukommen. Das ist frustrierend. Aber es bedeutet nicht, dass du scheiterst.

Bleib dran. Auch wenn du das Gefühl hast, dass sich nichts bewegt, jeder kleine Fortschritt zählt. Selbst wenn es nur ein einziges Gespräch ist, das etwas in Bewegung setzt, war es den Einsatz wert. Oft sind es genau diese kleinen Impulse, die später dazu führen, dass jemand umdenkt. Vielleicht wollen manche Personen auch nicht direkt zugeben, dass du etwas in ihnen bewegt oder bewirkt hast.

Nimm es nicht persönlich. Widerstand hat oft mehr mit den Strukturen und der Situation des Gegenübers zu tun als mit dir. Viele engagierte Schulbegleiterinnen, Eltern oder Fachkräfte erleben immer wieder, dass ihr Wissen nicht anerkannt wird. Doch das liegt oft nicht daran, dass es falsch oder unwichtig wäre, sondern daran, dass die Menschen um sie herum (noch) nicht bereit sind, es anzunehmen.

Denke langfristig. Veränderungen brauchen Zeit. Manchmal dauert es Monate oder Jahre, bis sich neue Erkenntnisse durchsetzen. Vielleicht bist du heute die Person, die einen wichtigen Impuls setzt, und erst später greifen andere diese Gedanken auf. Manchmal verändert sich erst dann etwas, wenn es von mehreren Seiten immer wieder angesprochen wird.

Nutze Netzwerke. Wenn du in deiner direkten Umgebung auf Ablehnung triffst, suche Gleichgesinnte in anderen Bereichen. Vielleicht gibt es Fachgruppen, Elterninitiativen oder Online-Communitys, in denen du Unterstützung findest und neue Wege entdecken kannst. Gemeinsam fällt es oft leichter, etwas zu bewegen, als wenn man allein kämpft.

Zum Weiterlesen:

Autismus verstehen und Wege finden – Entdecke neue Perspektiven

Du darfst mitreden, aber bitteschön nur bis hierhin und nicht weiter

Welche Fehler auch ich gemacht habe und was du vielleicht für dich daraus ableiten kannst

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