Judith über ihr Ehrenamt bei einer Familie mit autistischem Kind: „Man lernt auch für sich dazu“

veröffentlicht im Juli 2017


Judith betreut in ihrer Freizeit einen 16-jährigen Jungen mit frühkindlichem Autismus.
Im Interview berichtet sie über ihre ehrenamtliche Tätigkeit bei Max und seiner Familie:

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Liebe Judith, wie bist Du dazu gekommen, einen Jungen mit Autismus in der Freizeit zu betreuen?
Ich bin neu in eine Stadt gezogen und habe nach alternativen Möglichkeiten gesucht zum teuren Wohnungsmarkt. Dabei habe ich das Projekt „Wohnen für Hilfe“ gefunden und mich gleich für die Anzeige von Max und seinen Eltern interessiert. Da jedoch der Wohnplatz schon an jemanden andern vergeben war, habe ich sehr gerne das Angebot angenommen, Max einmal die Woche zu besuchen und etwas mit ihm zu unternehmen. Erst da habe ich mich mit dem Thema Autismus angefangen zu beschäftigen.

Das heißt, Du wusstest vorher noch nichts über Autismus?
Ich kannte bis zum ersten Treffen mit Max nur das Bild eines hochfunktionalen Autisten. Erst mit dem Kennenlernen von Max und seiner Familie habe ich gelernt, dass es sich um ein Spektrum handelt, das sehr viele Facetten hat.

Wie würdest Du Max beschreiben? Was kann er? Womit tut er sich schwer? Was macht ihn aus?
Max ist ein neugieriger, interessierter Jugendlicher, der gerne Geräusche erkundet. Er kommuniziert nicht mit Sprache sondern durch Laute und Zeichensprachen (in zweitem ist er mir weit überlegen). Beim Essen und Trinken muss ich ihm oft helfen, da es sonst passieren kann, das eine Traube oder ein Keks, die nicht gefallen durch den Raum fliegen.

Wie war es für Dich, als Du Max kennenlerntest?
Schwierig, das in Worte zu fassen. Am ehesten würde ich es mit „interessant beobachtend“ beschreiben. Sowohl Max mich als auch ich Max. Die Sympathie war von meiner Seite direkt da.

Was macht Ihr miteinander und hat sich das im Laufe der Zeit verändert?
Am Anfang habe ich oft nur reagiert und bin ihm gefolgt, da ich Max erst verstehen lernen musste und auch er mich. Wir experimentieren oft mit Lauten und Geräuschen, laufen durch die Gegend oder „chillen“ im Zimmer. Mittlerweile versuche auch ich, Aktivitäten zu initiieren, was mir mal mehr und mal weniger gelingt.

Was ist schwierig für Dich im Umgang mit Max?
Ich tue mich manchmal mit unvorhersehbaren Bewegungen und Aktionen von Max schwer und fühle mich auch manchmal überfordert. Wenn ich Hilfe von Max Mutter benötige, fühle ich mich manchmal dann auch schlecht, weil ich es nicht immer alleine schaffe.

Was ist besonders schön mit ihm?
Besonders schön finde ich, wenn Max mit mir kommuniziert und auch auf mich und meine Aktionen eingeht und mit mir in Form von Klatschspielen oder Geräuschimitationen interagiert. Auch freut es mich, wenn Max sensibel ist und merkt, wenn es mir mal nicht hervorragend geht und gebärdet, dass ich traurig bin.

Hat es Dich in irgendeiner Weise geprägt, regelmäßig Zeit mit Max und seiner Familie zu verbringen? Hast Du etwas über Dich selbst gelernt?
Natürlich prägt einen jeder Mensch, mit dem man mehr Zeit verbringt, da ist es erstmal egal, ob diese Person „normal“ ist oder autistisch. Über mich selbst habe ich gelernt, dass ich auch mal über meine Grenzen hinausgehen kann. Am Anfang war allein der Gedanke an Erbrochenes für mich furchtbar, mittlerweile kann ich ohne Probleme damit umgehen. Auch die Familie hat mich geprägt, indem sie mich aufgenommen hat und ich mich dort sehr wohlfühle und auch ich dort mal meinen Kummr abladen kann.

Was würdest Du anderen mit auf den Weg geben, wenn Sie planen, ein autistisches Kind zu betreuen?
Einfach offen mit dem Kind umgehen und ausprobieren, was einem zusammen Spaß macht.

Was ist Dir sonst noch wichtig zu sagen?
In solchen Fragen bin ich besonders schlecht…
Max und seine Familie sind wunderbare Menschen und ich freue mich sehr, ab und zu mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich kann nur jedem empfehlen, ein solches Ehrenamt auszuprobieren, denn man lernt auch für sich dazu.

Herzlichen Dank, liebe Judith. Es ist toll, dass Du diese ehrenamtliche Aufgabe übernommen hast. Familien wie wir brauchen Menschen wie Dich. Alles Gute für Dich ♥

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KOMMENTARE

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  1. Judith, toll das du dich für dieses Ehrenamt entschieden hast. Habt weiter zusammen viel Spaß. Und wenn du es mal nicht alleine schaffst ist es kein Problem. Auch als Mama steht man manchmal da und weiß nicht weiter. Nimm es dir bitte nicht zu sehr zu Herzen. Was ich toll finde, das du siehst das ihr voneinander lernen könnt.

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