Nach sechs Wochen Sommerferien fängt heute in Bayern die Schule wieder an. Das wirft ganz unterschiedliche Gefühle und Gedanken in mir auf:
Noch vor zwei Jahren war ich am Ende der Ferien immer so weit, dass ich nach der langen Zeit dringend eine Kur benötigt hätte. Ich war am Ende meiner Kräfte und kurz davor zusammenzuklappen. Den ersten Schultag feierte ich regelrecht – ganz im Stillen allerdings – indem ich mich aufs Sofa fallen und los ließ – Loslassen von aller Anspannung, Verantwortung und Fremdbestimmung, die die Beaufsichtigung und Pflege rund um die Uhr mit sich brachte. Die schönen Momente, die Ferien zweifelsohne auch mit sich bringen, standen im Hintergrund, die Erschöpfung ganz weit vorne.
Heute ist es irgendwie anders: ich bin auch froh, dass der Alltag wieder beginnt. Alles andere wäre gelogen. Ich bin froh darum, wieder regelmäßig und mehrere Stunden am Stück arbeiten zu können. Und ich bin froh, dass Niklas nun ein paar Stunden am Tag von anderen Menschen betreut und gefördert wird.
Aber es mischt sich auch ein wenig Wehmut dazu, denn die Ferien waren trotz aller Anstrengung doch auch schön. Und dieses Schöne steht deutlich mehr im Vordergrund als in der Vergangenheit. Die Zeit in Skandinavien fühlte sich frei an. Wir wussten morgens nicht, wohin uns die Reise führen wird, wo wir am Abend sein werden und welche Überraschungen der Tag bereithält. Und in der Ferienzeit zuhause hatte ich viel Unterstützung, ohne die es mir heute sicher anders gehen würde.
Ich glaube, dass die eigene Erwartungshaltung eine große Rolle dabei spielt, wenn es darum geht, wie glücklich oder frustriert man auf die Ferien zurückschaut. Früher hatte ich immer noch den Anspruch, mich erholen zu wollen und Urlaubswochen so zu verbringen, wie ich es gewohnt war – immer der eigenen Nase nach. Aber so funktioniert das nicht mehr, es geht nicht meiner Nase nach, sondern meistens Niklas Nase nach – und das ist bis zu einem gewissen Grad auch in Ordnung so. Aber es ist nicht einfach, an diesen Punkt zu kommen und es ist auch kein Ist-Zustand, der sich nie mehr verändern wird. Schon die nächsten Ferien können möglicherweise anders aussehen. Und trotz einer veränderten Erwartungshaltung ist die Anstrengung nicht wegzudiskutieren – das möchte ich vor allem in Hinblick auf die Eltern betonen, die in den zurückliegenden Ferien an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen mussten.
Es kommt immer auch auf die eigene Gesundheit an und darauf, wieviel Unterstützung man bekommt. Daher kann ich nur den Rat geben, sich bereits lange vor den Ferien zu organisieren, wie man sich kleine Inseln für Auszeiten und Erholung schafft. Ohne diese Unterstützung ist es kaum zu leisten – zumindest nicht, ohne selbst gesundheitliche Blessuren davonzutragen.
Den Eltern, die heute vollkommen ausgebrannt und vor Erschöpfung weinend zuhause sitzen, weil das Kind endlich wieder ein paar Stunden extern betreut wird, möchte ich sagen, dass Ihr nicht alleine seid. Vielen anderen geht es auch so und es ist vollkommen normal, dass Ihr erstmal einbrecht und zusammensackt. Möglicherweise wird es im Laufe der Jahre besser. Ich höre von vielen, dass es entspannter wird, wenn die Kinder älter werden. Verallgemeinern kann man das sicher nicht, aber vielleicht wird es bei Dir auch so sein. Sei stolz auf das, was Du geleistet hast, denn Du hast einen 24-Stunden-Job über Wochen hinweg gestemmt. Wenn es irgendwie möglich ist, erhole Dich und nimm Dir kleine Auszeiten.
Den Eltern, die sich heute wieder Sorgen machen müssen, weil Ihre Kinder dem Gesellschaftsdruck, Mobbing und Anforderungen ausgesetzt sind, die ihnen schwer zu schaffen machen, möchte ich ganz viel Kraft schicken. Ich wünsche Euch und Euren Kindern, dass das Schuljahr gut startet und dass sich möglichst viele positive Hoffnungen und Erwartungen erfüllen.
Ich habe den Moment vor Augen, in dem Niklas heute Morgen in seinem Schulbus aus dem Hof fuhr. Er gebärdete durch das Fenster: „Bis später.“ Das hat er noch nie gemacht. Und ich gebärdete zurück „bis später“ und dachte mir: „Es waren schöne Ferien mit Dir, Niklas, aber jetzt geht´s weiter. Und das ist auch gut so.“
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Zum Weiterlesen:
Liebe Ella,
ja, die eigene Erwartungshaltung an die Ferien und den Erholungswert, den man daraus unbedingt ziehen möchte, hindert auch mich oft, bei allen Erwartungen die wirklich schönen und tollen Momente der Ferienzeit bei aller Anstrengung als das zu sehen, was sie sind. Tolle, bereichernde, schöne Momente, die in Erinnerung bleiben und immer die Anstrengung wert sind. Ich fange morgen wieder an zu arbeiten und fand die Ferien in der Summe wirklich schön. Erholt fühle ich mich aber nicht, und das lässt mich mit einem mulmigen Gefühl auf die nächsten Wochen schauen. Werde ich alles schaffen, die ganzen wartenden Herausforderungen im Beruf, die vielen Termine und Anliegen der Kinder? Leider gelingt es uns im Moment nicht, Unterstützung für unseren autistischen Sohn zu finden, trotz vieler Bemühungen und Anfragen erklärte sich niemand bereit, regelmäßige Betreuung in der Freizeit außerhalb der Förderstätte zu übernehmen. Das wünsche ich mir für dieses neue Schuljahr, dass wir da jemanden finden, der gerne mit unserem Sohn schwimmen geht o.ä.. Und ich wünsche mir, dass er in seiner neuen Förderstätte gut zurecht kommt und die Geschwisterkinder in ihren Schulen im neuen Schuljahr genauso glücklich sind.
Danke für deine ermutigenden Texte, liebe Ella. Es ist mir immer eine Freude, die neuesten Beiträge in Ellas Blog zu lesen.
Ganz liebe Grüße von Andrea
Liebe Andrea, ich wünsche Dir sehr, dass der Neustart für Deinen Sohn gut klappt und er auf kompetente und liebevolle Menschen treffen wird, von denen auch jemand mit ihm Schwimmen gehen wird. Und ich wünsche Dir, dass Du Zeitfenster finden wirst, um Dich zu regenerieren. Ganz liebe Grüße :-)