Gastbeitrag: Wem erzähle ich, dass ich ein autistisches Kind habe – und wem nicht?

veröffentlicht im April 2022


Manchmal werden wir aufgrund schlechter Erfahrungen vorsichtig mit unserer Offenheit und Vertrauen gegenüber anderen Menschen. Manchmal werden wir aber auch positiv überrascht und Begegnungen haben Wendungen, die wir nicht erwartet hatten. Verbindendes tut sich auf und ermöglicht Neues.
Davon erzählt Lisa in ihrem Gastbeitrag. Vielen Dank für diesen Mutmacher!

Quelle: pixabay, User congerdesign, vielen Dank!

Gastbeitrag von Lisa:

Mein Sohn Joshua ist 8 Jahre alt, Autist und Nichtsprecher.
Meine Tochter Rebekkah ist 11 Jahre alt. In der Grundschule habe ich ihren Lehrern sehr offen erklärt, dass sie einen Bruder mit einer Behinderung hat.

Als sie in der 5. Klasse in eine neue Schule kam, fragte ich sie direkt: möchtest du, dass ich den Lehrern sage, dass du einen autistischen Bruder hast?
Sie sagte nein und ich respektierte ihren Wunsch.
Wenn ich ehrlich bin: es war mir auch lieber so. Ihre Lehrerin der 1. und 2. Klasse war sehr verständnisvoll, die der 3. Klasse meistens auch. Die Viertklasslehrerin erzählte mir, sie wisse, was Autismus ist. In ihrem weiteren Bekanntenkreis gebe es einen Autisten, der bisweilen sehr laut und wild sein kann. Wenn er auftaucht, bringe sie als erstes ihre Kinder in Sicherheit. Das erzählte sie mir und ging dann zu einem anderen Thema über.
Meiner Tochter schrieb sie ins Zeugnis, dass ihr Ton nicht passt und sie des Öfteren patzig und schnippisch kommmuniziert. Ich bin froh, dass meine Tochter ihre Bedürfnisse und Ansichten klar kommuniziert – denn sonst würde sie in einem Familienalltag mit einem autistischen Bruder einfach untergehen. Ihre Lehrerin sah das anders. In den Gesprächen, die wir hatten, sprach sie mich nicht auf die „Patzigkeit“ an, schrieb sie aber ins Zeugnis. Das fand ich sehr schade.

Wir sprachen also mit keiner neuen Lehrkraft meiner Tochter über den Familienalltag. E-Mails und Elternsprechstunden (wegen Corona per Telefon, in 10-Minuten-Einheiten getaktet) kamen und gingen, es klappte relativ gut.
Eines Tages fand der Elternabend statt, während ich arbeiten musste. Wir fanden für diesen Abend keinen Betreuer für Joshua. Mein Mann telefonierte deshalb mit der Klassenlehrerin, während Joshua im Hintergrund spielte und jede Menge Lärm machte. Aus der Not des Moments heraus sagte mein Mann: „Bitte entschuldigen Sie den Krach. Rebekkah hat einen kleinen Bruder: Joshua. Er ist Autist und ist manchmal sehr laut.“
Es folgte eine kurze Pause. Die Lehrerin sagte: „Könnten Sie das bitte nochmal sagen?“
Mein Mann wiederholte und sie sagte: „Ich habe auch ein autistisches Kind. Ich kann Sie gut verstehen.“

—Ende—

Zum Weiterlesen:

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