Gastbeitrag von Bille:
(Namen geändert)
Sina kam als absolutes Wunschkind zur Welt. Wir malten ihr Zimmer rosa, kauften wunderschöne liebevolle Einrichtung und freuten uns auf unsere Tochter.
Ihre Geburt war krass, Einleitung wegen Verdachts auf Schwangerschaftsvergiftung und schließlich Saugglockengeburt wegen Stillstand.
Nach der Geburt atmete sie nicht und brauchte kurz Sauerstoff, aber danach begann eigentlich alles sehr gut.
Im fünften Monat merkten wir, dass sie immer ein Ritual braucht und gewöhnten ihr eine gewisse Abendabfolge an, wobei das Rollo runterfahren für sie die entscheidende Rolle spielte. Wir fanden es normal, las man ja auch in jedem Babyratgeber, dass Babys Rituale brauchen.
Aber Sina schlief nur, wenn alles eine bestimmte Reihenfolge hatte. Ließen wir das Rollo vor dem Schlaflied runter, schrie sie. Dies fiel auch einigen Familienmitgliedern auf. Aber wir nahmen es so hin.
Sina wollte ab dem zehnten Monat allein schlafen, sie kam neben uns nie zur Ruhe. Sie meldete sich dann aber auch nicht vor acht Uhr morgens. Wir fanden das sehr befremdlich, unser Baby nicht bei uns zu haben, aber sie brauchte es.
Als Sina anfing zu robben, dampfte die kleine Maus sofort ab, ohne Angst, direkt war sie weg. Es war sehr anstrengend, sie immer wieder einzufangen.
Mit vierzehn Monaten schrie sie immer, wenn wir draußen unterwegs waren. Immer wollte sie in eine andere Richtung gehen. Bei wirklich jedem Spaziergang. Andere taten es als Phase ab, komisch nur, dass diese Phase bei anderen verging und bei uns blieb.
Mit eineinhalb Jahren schmiss sie uns vier Mal täglich die Schuhe an die Tür, als Zeichen, dass sie jetzt raus möchte. Ich war zu dem Zeitpunkt wieder schwanger und sollte den gesamten Tag mit Sina raus. Begleitet von zig Wutanfällen.
Nur das Zubettgehen war bei ihr selten Thema, das klappte immer.
Als sie zwei Jahre alt war, entschieden wir, unser aufgewecktes Kind in der Kita anzumelden. Auch dort fiel uns auf, dass sie niemals fremdelte. Sie hat niemals geweint beim Abgeben. Sie ging sehr gerne in die Krippe und es gab lange keine Probleme, außer den besagten Wutanfälle, die als Phase abgestempelt wurden.
Viel Zeit verging bis wir umzogen. Sina war inzwischen vier Jahre alt und belehrte jeden. Ihre Sprache war deutlich voraus und so wurde sie immer älter geschätzt als sie war. Ein typischer Sina-Tag bestand darin, morgens zu der Erzieherin zu gehen und zu reden. Danach schmiss sie ein Wasserglas um und dann begannen die Wutanfälle.
Die Erzieher der neuen Kita sprachen uns bereits nach drei Wochen an, was mit unserem Kind los sei. Sie knüpfe keinerlei Kontakte, möchte nur mit Erwachsenen sprechen und schreit beim Spielen. Sie hält sich nicht an Regeln und ist hyperaktiv.
Eine Odysee begann…. Jede Nacht recherchierte ich fortan Stunden im Internet, was sie haben könnte. Dann wurde ihr ADHS bestätigt, obwohl ich sie auch bei Autismus wiederfand. Die Psychologin wiegelte mich mit den Worten ab: „Sie hält Blickkontakt, sie kann spielen und sie versteht Witze.“
Das stimmte natürlich alles nicht, denn Sina imitierte nur. Auch meine Aussagen über permanente Echolalie in Form von Stimmen imitieren und Sätze, die nicht zur Antwort passten, wurden abgewiegelt.
Im Kindergarten eskalierte die Situation derweil. Unser Mädchen wurde täglich bestraft. Die Erzieher fanden sie so schlau in ihrer Art zu sprechen, dass sie ihren Taten automatisch Absicht unterstellten.
Unsere Tochter verlor nie ein Wort darüber, sondern fing an, sich selbst zu verletzen, sich Haare rauszureißen und autoaggresiv zu werden. Eines Morgens wurde sie von einem Geburtstag ausgeschlossen und wir gingen in den Kindergarten und nahmen sie mit. Das Vertrauen war zerstört.
Wir fanden einen neuen Kindergarten, in dem es ihr mit Integrationshilfe gut ging.
Ein hartes letztes Jahr folgte mit der Wahl der Schule. Ich weiß nicht, wieviele Schulen wir uns ansahen bis wir endlich eine fanden. Der Schulstart verlief durchaus schwer. Jeden Tag gab es Anrufe und Zweifel, ob sie die Regelschule schaffen kann. Doch unser Mädchen verblüffte uns aufs Neue. Sie schaffte es mit jedem Tag besser und zeigte einen großen Willen.
Natürlich gab es weiterhin schwere Tage und Gespräche, aber wir arbeiteten alle zusammen: Lehrer, Integrations- und Kinderschutzbund und Kinderärztin. Ich bin diesen Personen so dankbar. So oft wurde ich aufgebaut an Tagen, an denen ich dachte, das war es nun. Es sind für mich oft wichtigere Gesprächspartner gewesen als Freundinnen. Denn mit ihnen konnte ich überlegen, wie wir ihr helfen können, in der Welt besser zurecht zu kommen.
Unsere Kinderärztin ermutigte mich auch immer wieder, meinem Mama-Gefühl nachzugehen und eine weitere Autismusdiagnostik anzustreben. Ich war einfach sicher, dass sie Autistin ist.
Als ich eine Psychologin gefunden hatte, die auf Autismus prüfte, kam die Wende. Recht schnell bestätigte sich der Autismus. Auch wenn diese Psychologin sich ebenfalls schwer tat, Asperger zu bestätigen, weil das Spezialinteresse fehlte oder nicht sichtbar war, so passte alles andere zum Bild.
Heute hoffen wir, dass uns bald besser geholfen wird und Sina sich so weiter entwickeln kann. Ihre Overloads sind Zuhause recht schnell besser geworden, aber nur weil wir minutiös nach ihr schauen. Wir ersticken quasi jeden möglichen Auslöser im Keim und so hat sich das Zusammenleben signifikant verbessert.
Natürlich ist es anstrengend und manchmal kommt Wehmut auf, weil sie vieles einfach nicht kann, was für andere selbstverständlich ist. Allein zur Schule/Bäcker laufen, auf den Spielplatz (das geht sowieso nur wenn der Spielplatz fast leer ist und mit Hilfe), leichte Schmerzen ertragen ist ihr unmöglich, sie braucht bei jedem kleinen Kratzer sofort ein Pflaster, wird es ihr verweigert gibt es einen Overload. Außerdem schreit sie immer noch sehr viel und hat eine sehr geringe Frustrationstoleranz.
Auch mal eben so Einkaufen ist unmöglich. Sina kann sich nicht orientieren, läuft gegen die Leute, spricht ununterbrochen und stößt dabei gegen Regale, ich muss sie dann permanent anleiten und komme nicht zum Einkaufen.
Wenn wir Eis essen gehen, muss ich ihr vorher alle Sorten sagen, bevor wir uns anstellen. Wenn die Eisdiele die Waffelform verändert, schreit sie und isst nichts mehr. Auch bei Kleidung ist es oft unmöglich, einen Weg zu finden. Neue Schuhe, gerade ausgesucht, tun auf einmal weh und neue müssen her. Genauso wie Jacken für sie unerträglich sind, im Winter ist es oft ein Kampf. Dazu kommen unendliche Tics und Zwänge und je älter sie wird, umso mehr fällt sie anderen auf. Das stört sie doch sehr.
Manchmal wünscht man sich doch etwas mehr Normalität. Sie hat keine Freunde, keinen Besuch, keine Vereine, diese Sachen sind fast unereichbar.
Ich hoffe wir können unseren Weg weiterhin mit viel Hilfe bestreiten. :-)
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Zum Weiterlesen:
Bei uns war es zwar in den Details anders, im großen und ganzen aber doch sehr ähnlich. Wir alle hben in den letzten Jahren sehr viel gelitten und unsere sozialen Kontakte gehen gegen 0 da wir unsere Energie lieber dafür verweden, dass es uns einigermaßen gut geht als uns immer nur nach aussen verteidigen zu müssen. Kindergarten und die Regelschule waren für uns die Hölle auf Erden, nun sind wir in einer Schule angekommen die unseren kleinen großen Mann so akzeptiert wie er ist und im hilft wo sie kann. Das erleichtert vieles, nichts desto trotz besteht unser Leben nach wie vor aus Kämpfen, Kämpfen, Kämpfen :-(
Ohje, gibt es denn gar keine Erfolge? Ich hatte letzte Woche einen Tag, der war gut. Für viele Menschen ein NORMALER Tag, für mich war er gut! Ich dachte mir, an diesen einen Tag muss ich mich Erinnern, wenn die Tage schlecht sind. Und es hilft mir sehr, zu wissen,dass es nicht nur schlechte Tage gibt. Ich habe dann den guten Tag genossen, in vollen Zügen ?
Wenn ich den Werdegang so lese, gehe ich in Gedanken das Leben unseres Sohnes durch.
Frühe Geburt durch Gestose, von Anfang an anders, vieles ging wunderbar, vieles ging gar nicht.
Den Moment, wo sein Verhalten nicht mehr als Phase abgetan werden konnte, weiß ich noch genau. Ab da spätestens wurde ich zur „merkwürdigen Mutter, die ihren Sohn verhunzt“.
Und trotz allem hatte er einen solch starken Willen, hat so viel geschafft, dass es nie reichte, um diese Diagnose zu erstellen.
Erst mit 17 Jahren.
Ob das gut oder schlecht war, weiß ich nicht zu sagen.
Aber klar ist, dass wir über das volle Spektrum einfach noch viel zu wenig wissen. Selbst der Therapeut sagt, er kennt es selbst nach 25 Jahren Berufserfahrung in dem Bereich nicht. Immerwieder wird er überrascht.
Unser Sohn hat die Diagnose sehr gut angekommen und ist auch zufrieden, dass er einen Großteil seines Lebens ohne Hilfe zurecht kam. Aber tatsächlich hätte ich mir für uns Eltern mehr Rückhalt gewünscht. Diese permanenten Rechtfertigungen haben nachhaltig weh getan. Ich bekomme immer noch Stress, wenn jemand skeptisch schaut. Weil schon wieder jemand nicht versteht, wie ein so großer Junge so merkwürdig sein kann.
Ich hoffe einfach, dass er sich mit all der Unterstützung jetzt frei entfalten kann.
Und der Austausch mit anderen Eltern aus diesem Bereich tut enorm gut. Es ist wie nach Hause kommen.
Hallo ich bin Nadine
Erzieherin in einem kinde Garten.
Ich habe auch ein Kind mit mittlerweile 5 Jahren der seid der Krippe so ist,ich mir aber keinen Reim darauf machen kann.der Kinderarzt nicht viel darauf gibt.Nächstes Jahr soll er in die Schule und die Eltern wollen ihm schon helfen,wollen aber glaub ich auch nicht wissen was es ist.Jetzt ist er Vorschulkind,und ich weiß nicht wo ich die Eltern noch hinschicken soll oder in welche Schule er Mal soll weil in der Regelschule sehr ich ihn nicht.