Gastbeitrag: Ute über Autismus, Epilepsie und eine genetisch bedingte Darmerkrankung

veröffentlicht im Oktober 2017


Utes Sohn hat eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum, Epilepsie und eine genetisch bedingte Darmerkrankung. In ihrem Gastbeitrag erzählt sie von der langen Suche nach Diagnosen, unverbindlichen Verdachtsmomenten und einer neuen Hoffnung durch die therapeutische Behandlung der Stoffwechselstörung.
(Namen geändert)

Gastbeitrag von Ute:

Wir haben einen 8-jährigen Sohn mit diagnostizierter Autismus-Spektrum Störung sowie einer diagnostizierten Epilepsie.
Bereits als Säugling fiel uns auf, dass er sich irgendwie ganz anders verhielt als wir es erwartet hätten. Aber da er unser erstes Kind war, ließen wir uns durch Familie und Freunde zunächst beruhigen. Dass wir damals schon dieses Gefühl hatten, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, nahm niemand ernst!
Unser Sohn schrie viele Stunden am Tag und in der Nacht, schlief sehr wenig, ließ sich schlecht beruhigen und schien kein Interesse an seiner Umwelt zu haben. Er entwickelte sich stark verzögert, zeigte wenig Interesse an sozialer Interaktion und kommunizierte ungewöhnlich.

Wie bei vielen anderen Kindern und Familien vergingen dann auch bei uns Jahre der unverbindlichen Diagnosen und Therapien bis wir schließlich die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung erhielten. Von da an konnten wir uns viele Verhaltensweisen und Probleme endlich erklären und wir hatten das erste Mal das Gefühl, doch nicht alles falsch gemacht zu haben. Der Autismus gehört seitdem einfach zu uns.
Unserem Sohn sind seine Regeln, Rituale und Routinen sehr wichtig, sie sind seine Orientierung und sie geben ihm Halt im Alltag. Er reagiert mit großer Unruhe, Stress und Stereotypien, wenn seine „Orientierung“ und sein „Halt“ gestört oder verändert werden.

mit Lego spielenSeine stark ausgeprägte auditive Wahrnehmung lässt ihn viele Geräusche, Töne und Gespräche besonders intensiv aufnehmen. Manchmal helfen ihm in diesem unberechenbaren lauten Alltag seine Legosteine. Er baut leidenschaftlich gerne Maschinen und Fahrzeuge aus Lego und legt dabei ein besonderes Augenmerk auf Details, wie z.B. den Auspuff.
Und er liebt den Wald und das Bauen mit Holz, mit dem Papa den Tag im Wald verbringen ist für ihn Entspannung und Freude.

Unser Sohn hat eine sehr gute und sehr förmliche Sprache, was aber nicht heißt, dass er versteht, was er sagt bzw. was andere sagen und damit meinen! Allein dieser Punkt führt immer wieder zu einer für uns leidigen Diskussion und der Aussage von anderen „Was soll er haben? Er sagt ja ‚Guten Tag‘ und hat meine Frage beantwortet!“
Warum sollte er nicht ‚Guten Tag‘ sagen und die Frage beantworten?
Ich glaube das ist ein Thema über das man einen eigenen seitenlangen Beitrag schreiben könnte!

Genauso ist das mit dem großen Thema Inklusion.
Das Miteinander mit anderen Kindern, in der Schule oder privat, ist für unseren Sohn sehr anstrengend. Einiges lässt er einfach über sich ergehen und hält es aus, anderes wiederum verweigert er massiv.
Er wird als Inklusionskind mit Inklusionsassistenz in der Regelgrundschule zielgleich beschult. Und ja, es funktioniert, aber das ist eher die Ausnahme! Allein die Durchsetzung der Inklusionsassistenz mit anwaltlicher Hilfe hat sich über Monate hingezogen und uns leider wertvolle Ressourcen geraubt. Auch wenn mir das Thema sehr wichtig ist, beende ich das Thema Inklusion an dieser Stelle.

Schon kurz nach der Geburt merkten wir ja, dass sich unser Sohn anders entwickelte. Mit knapp eineinhalb Jahren kam dann ein weiteres Problem dazu, unser Sohn bekam Durchfälle, die in Schüben auftraten. Von Infekten über Unverträglichkeiten bis hin zu nervösem Darm hörten wir vieles und versuchten ihm mit Hausmitteln und Nahrungsumstellung unter ärztlicher Aufsicht sowie mit Alternativmedizin zu helfen.
Leider hielten die Durchfälle an und unser Sohn bekam immer wieder Invaginationen. Dabei handelt es sich um die Einstülpung eines Darmabschnittes, die häufigste Ursache für einen mechanischen Darmverschluss bei (Klein)kindern unter drei Jahren, der immer einen akuten Notfall darstellt.

Es folgten viele Klinikaufenthalte, viele aufwendige und spezielle Untersuchungen, aber man konnte die Ursache nicht finden. Die Durchfälle und Invaginationen blieben und unser Sohn hörte als Folge auf zu wachsen und nahm nicht mehr zu.
Wir wurden dann als Familie in einer humangenetischen Studie aufgenommen. Diese Studie zusammen mit einer weiteren Untersuchung brachte nach über sieben Jahren endlich die Diagnose! Es handelt sich um eine seltene genetisch bedingte Stoffwechselstörung! Die Position des Defektes und dieser schwere und ungewöhnliche Verlauf wurden bisher noch nicht beschrieben. Wir befinden uns jetzt mit ihm  in Therapie und hoffen ihm durch eine spezielle Diät und eine Enzymersatztherapie helfen zu können!

Im Zusammenhang mit Autismus liest man immer wieder, dass Verdauungsprobleme häufiger auftreten. Ein Thema, das oft heftig und kontrovers diskutiert wird! Wir haben das nicht außer Acht gelassen, konnten aber in den vergangenen Jahren keinen Zusammenhang zwischen der Ernährung und dem Autismus unseres Sohnes beobachten. Auch jetzt nach Erhalt der Diagnose kam natürlich wieder die Frage auf, ob diese Stoffwechselstörung etwas mit dem Autismus zu tun hat! Beschrieben wurde dieser Zusammenhang bisher noch nicht, aber natürlich schließen wir diese Zusammenhänge nicht kategorisch aus. Wir werden weiterhin genau beobachten, wie sich der Autismus unter der Therapie der Stoffwechselstörung möglicherweise verändert.

Silke (Ella) hat mich gefragt, wie es mir als Mutter geht. Diese Frage kann ich gar nicht konkret beantworten, es sind vielmehr Gefühlsphasen. Momentan bin ich sehr aufgewühlt und bewegt, dass nach vielen Jahren mit unzähligen Klinikaufenthalten und Untersuchungen endlich die Ursache für die Darmerkrankung gefunden werden konnte.

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KOMMENTARE

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  1. Hallo.
    Ist es möglich,die genaue Bezeichnung der Stoffwechselstörung,zu erhalten.
    Dieser Beitrag(ausser die Epilepsie)erinnert mich doch sehr an meinen Sohn und konnte uns bisher,bezüglich der Darmgeschichte,keiner helfen.
    LG Sonja

  2. Hallo Sonja,
    bei der Stoffwechselstörung handelt es sich um einen kongenitalen Saccharase-Isomaltase Mangel (CSID). Die Ursache ist ein Gendefekt, der dazu führt, dass die notwendigen Enzyme nicht oder nur in geringer Menge gebildet werden, was eine Verstoffwechslung nicht oder nur eingeschränkt möglich macht.
    Da der Verlauf, die Symptome und die Schwere bei unserem Sohn sehr ungewöhnlich sind und bisher noch nie beschrieben wurden, ist man letztlich erst über den gefundenen Gendefekt auf die Spur dieser Erkrankung gekommen. Man kann folglich in unserem Fall auch keine Aussagen über den weiteren Verlauf und die Erfolge einer Therapie machen, wie das bei den meisten bisher bekannten Fällen von CSID ist.
    Liebe Grüße, Ute

  3. Hallo Ute.
    Vielen lieben Dank, für deine ausführliche Antwort und alles Gute für Euch.
    Ich werde es bei unserem Humangenetiker ansprechen. Danke <3 und lieben Gruß Sonja

    1. Hallo Sonja,
      seit dem Beitrag ist schon eine ganze Weile vergangen und ich frage mich ob Ihr eine Diagnostik zu angeborenen Stoffwechselerkrankungen durchlaufen habt und möglicherweise eine Diagnose habt?! Ich würde mich freuen von Dir zu lesen!
      Herzliche Grüße,
      Ute

  4. Liebe Ute, ein wunderbarer Beitrag und bei so vielen Dingen kann ich mich genau so wieder finden! Danke für deine Unterstützung in allen Dingen! Liebe Grüße, Sandra

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