Autismus und Dyspraxie – was es bedeutet und was du darüber wissen solltest

veröffentlicht im Januar 2024


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Was ist Dyspraxie?

Dyspraxie bedeutet eine Koordinations- bzw. Entwicklungsstörung im Bereich der Motorik.
Sie wirkt sich auf die Planung und Durchführung von Bewegungsabläufen aus.
Dyspraxie macht sich oft schon im Kindesalter bemerkbar und beeinflusst das tägliche Leben sehr.

Dyspraxie ist eine lebenslange Entwicklungsstörung, die die Koordination und motorischen Fähigkeiten betrifft. Nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation zählt Dyspraxie, auch als Entwicklungsdyspraxie bekannt, zu den umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen (Quelle: ICD-10, F82).


Die Symptome zeigen sich besonders in der Grob- und Feinmotorik. Kinder mit Dyspraxie haben zum Beispiel Schwierigkeiten beim Schreiben, ihre Balance zu halten, beim Fahrradfahren, beim Werfen und Fangen oder bei der Einschätzung ihrer Kraft.

Das Erlernen neuer Handlungs- und Bewegungsabläufe gestaltet sich für Kinder als Herausforderung, und sogar bereits erlernte Bewegungsabläufe können sie nur unter erheblichem Aufwand abrufen. Obwohl sie eine bestimmte Aufgabe verstehen, können die Kinder oft keine zweckmäßige Handlung planen und umsetzen oder sich die Handlung in der Praxis auch gar nicht vorstellen.
Statt einen Bewegungsablauf automatisch auszuführen, ist dann jede Aktivität immer wieder ein Kraftakt.
Manche Kinder fallen auch durch Sprachauffälligkeiten auf, zum Beispiel bei der Aussprache, was sich wiederum in Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben widerspiegeln kann.

Demnach gibt es verschiedene Formen von Dyspraxien, die getrennt, aber auch kombiniert auftreten können:

  • motorische Dyspraxie (Auffälligkeiten in Grob- und Feinmotorik wie oben beschrieben)
  • ideatorische Dyspraxie (Schwierigkeiten, sich Handlungen vorzustellen und diese zu planen)
  • verbale Dyspraxie (Auffälligkeiten bei sprachlichen Fähigkeiten)

Auf welche Symptome du achten kannst

Wenn dir auffällt, dass dein Kind sich häufig ungeschickt verhält und du Dyspraxie vermutest, kannst du auf folgende Anzeichen achten.

Achte zum Beispiel darauf, ob dein Kind Schwierigkeiten beim Lernen durch Nachahmung hat.
Dein Kind verhält sich womöglich ungeschickt und zeigt unbeholfene Bewegungen und ein ungewöhnliches, unsicheres Gangbild. Vielleicht fällt dir auch auf, dass die Schwierigkeiten besonders dann auftreten, wenn Arme und Beine gleichzeitig bewegt werden müssen.

Es könnte auch sein, dass du im Alltag feststellst, dass zum Beispiel Anziehen, Tätigkeiten im Bad, Hände waschen, Tasche packen usw. recht langsam klappt – anders, als du das von dir und womöglich Geschwisterkindern gewohnt bist.

Vielleicht läuft und springt dein Kind nicht so herum wie andere Kinder, verletzt sich dabei leicht und bringt sich in gefährliche Situationen. Auch im Bereich der Feinmotorik könnte dir auffallen, dass dein Kind die Finger und die Hand nicht problemlos koordiniert, z.B. bei der Stifthaltung und beim Basteln. Womöglich fällen dir sogar ungewöhnliche Bewegungen im Gesicht und am Mund auf.

Dein Kind tut sich vielleicht auch schwer, mehrere Tätigkeiten oder Handlungsschritte zu koordinieren und zu entscheiden, was zuerst bzw. in welcher Reihenfolge gemacht wird.

Nicht alle Auffälligkeiten müssen überhaupt, gleichzeitig oder gleich stark ausgeprägt auftreten. Kinder mit Dyspraxie sind sehr unterschiedlich, was auch eine sorgfältige Diagnose durch einen erfahrenen Arzt oder eine Ärztin erforderlich macht.

Folgen und was du tun kannst

Dyspraxie ist für viele noch unbekannt und führt oft dazu, dass betroffene Kinder in ihrem sozialen Umfeld als unerzogen, bockig, dumm und respektlos wahrgenommen werden. Das ist neben den Problemen, die dein Kind ohnehin schon hat, natürlich nicht förderlich.
Nicht selten sinken das Selbstbewusstsein und auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, die dein Kind natürlich trotzdem hat. Viele Kinder werden ausgegrenzt und gehänselt, weil sie durch ihre Ungeschicktheit auffallen.
Wenn du andere Personen über die Dyspraxie deines Kindes aufklärst, weise darauf hin, dass die Schwierigkeiten deines Kindes nicht auf eine Intelligenzschwäche zurückzuführen sind, sondern auf neuronale Veränderungen im Gehirn, die nicht heilbar sind.

Falls du Anzeichen für Dyspraxie bei deinem Kind bemerkst, kläre das möglichst bald ab. Wenn sich deine Vermutung bestätigt, ist für die meisten Familien eine Diagnose eine große Entlastung, weil es endlich eine Erklärung für die Schwierigkeiten gibt und deinem Kind gezielt geholfen werden kann.
Mit entsprechenden Therapien kann auch dein Kind Fortschritte machen und dadurch wieder mehr Selbstvertrauen gewinnen.

Wie die Diagnose gestellt wird

Da die Symptome bei Kinder mit Dyspraxie nicht in gleicher Ausprägung und Kombination auftreten, sondern jedes Kind individuell verschieden ist, braucht es einen erfahrenen Arzt oder eine Ärztin, die eine fundierte Diagnose stellen kann.
Die Diagnose gestaltet sich dabei oft als zeitaufwendig, da zunächst andere Störungen ausgeschlossen werden müssen. Die Diagnose wird erst nach ausführlicher Beobachtung gestellt.

Mögliche zusätzliche Diagnosen wie Legasthenie und Dyskalkulie müssen berücksichtigt werden.
Wenn die Kinder hyperaktiv sind, wird oft auch zunächst an ADHS gedacht. Ebenso muss eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum mit einbezogen oder abgegrenzt werden.
Das alles ist notwendig, um anschließend die richtigen und zielführenden therapeutischen Hilfen geben zu können.

Wie du helfen kannst

Wie dein Kind individuell gefördert wird, hängt von seinen ganz eigenen Bedürfnissen und Schwierigkeiten ab.

Physio-, Ergotherapie und auch Motopädie kann dabei helfen, motorische Fähigkeiten, deren Planung, Visualisierung und Durchführung zu verbessern. Die Körperwahrnehmung wird geschult und Handlungsabläufe werden geübt. Auch wird daran gearbeitet, dass Kinder besser imitieren, also sich Tätigkeiten bei anderen abschauen und nachmachen zu können.
Motorische Übungen im Bereich des Gesichts und Mundes sowie Logopädie helfen dabei, sprachliche Auffälligkeiten zu behandeln, aber auch Schwierigkeiten beim Schlucken oder Kauen zu verbessern.

In der Schule braucht dein Kind vielleicht wegen der motorischen Probleme mehr Zeit, um Aufgaben zu lösen. Das hat nichts damit zu tun, dass dein Kind die Aufgaben nicht verstehen würde, sondern nur, dass es in der geforderten Zeit nicht zu schaffen ist und dein Kind deshalb schlechtere Noten bekommt.
Zusammenarbeit und Verständnis sind dann entscheidend, um eine unterstützende Umgebung für Kinder mit Dyspraxie zu schaffen und ihre Potenziale optimal zu fördern. Dafür ist es wichtig, dass alle Personen, die mit deinem Kind zu tun haben, es begleiten oder mit ihm arbeiten, gut aufgeklärt sind.
In der Schule kann zum Beispiel ein Nachteilsausgleich erwirkt werden, damit dein Kind sein Potenzial mit mehr Zeit, die ihm zur Verfügung steht, auch wirklich zeigen kann.

Was Autismus mit Dyspraxie zu tun hat

Wenn ein Kind sowohl autistisch ist, als auch Dyspraxie hat, kann der Alltag zu einer besonderen Herausforderung werden. Viele Kinder mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum bringen eine motorische Ungeschicklichkeit mit sich, die nichts mit ihrem Intelligenzniveau zu tun hat.
Diese Schwierigkeiten sind mit dem Erscheinungsbild der Dyspraxie verbunden und nicht auf Desinteresse, zu wenig Motivation oder Verweigerungshaltung zurückzuführen.
Es handelt sich, so wie wir das auch aus der Definition der Autismus-Spektrum-Störung kennen, um eine andere Art der Informationsverarbeitung im Gehirn.

So sind viele autistische Kinder auch von einer Dyspraxie betroffen, müssen vor allem bei alltagspraktischen Tätigkeiten gefördert und für neue Handlungsabläufe angeleitet werden.
Autistinnen und Autisten nehmen ihre Umgebung oft anders wahr. Die Dyspraxie kann diese Wahrnehmung weiter beeinflussen und die beschriebenen Schwierigkeiten hervorrufen.

Ein autistisches Kind hat häufig auch dyspraktische Auffälligkeiten.
Nicht jedes Kind mit der Diagnose „Dyspraxie“ ist aber auch autistisch.
Die Diagnosekriterien zum Autismusspektrum gehen weiter darüber hinaus.

Verständnis, Förderung und Aufklärung

Es ist oft ein langer, mit prägenden Erlebnissen gepflasterter Weg bis eventuell eine Dyspraxie bei deinem Kind diagnostiziert wird.
Ich hoffe, dass dir dieser einführende Beitrag (denn es gibt natürlich noch viel mehr zu wissen) dabei hilft, einen Ansatz zu finden, der dich weiterbringt. Informiere dich weiter bei einem Arzt oder einer Ärztin, die sich gut mi Dyspraxie auskennt.
Eine Diagnose fördert das Verständnis für dein Kind und wenn alle Bezugspersonen entsprechend aufgeklärt sind, kann eine sinnvolle Förderung greifen und dein Kind nach und nach gestärkt werden.

Ich wünsche euch alles Gute dabei und kompetente Menschen, die unterstützen.

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