Wie und wofür ich arbeiten möchte und warum Ellas Blog jetzt ein bisschen anders aussieht

veröffentlicht im September 2025


Ich habe sieben Wochen lang pausiert.
Keine neuen Blogbeiträge.
Keine Newsletter.
Keine neuen Kurse.
Und das war das Beste, das ich in meiner Situation tun konnte.

Von Chaos zu Klarheit

Zum ersten Mal seit der Gründung von Ellas Blog vor über zwölf Jahren habe ich mir eine richtig lange Auszeit genommen. Nicht nur ein paar Tage oder zwei Wochen über irgendwelche Feiertage eine Schreibpause einlegen. Auch nicht ein„mal schauen, was ich schaffe“, sondern wirklich: bewusst innehalten und alles hinterfragen.
Nicht, weil ich nichts mehr zu sagen hatte. Sondern weil alles zu viel war, weil ich mit vielem haderte. Zu viele Ideen, zu viele offene Baustellen, zu viele Fragen und zu wenig Raum, sie zu sortieren. Und zu viele Verpflichtungen und Sorgen im Umfeld.

Am Anfang fühlte es sich an, als würde mein Kopf platzen: so viele Gedanken, Pläne, Projekte, Zweifel und so passierte in den ersten Wochen meiner Auszeit nach außen betrachtet: nichts.
Und auch in mir fühlte es sich zunächst genauso an: wie ein Stillstand.

Und das war irritierend.
Denn nach all den Jahren, in denen ich Ellas Blog getragen habe, in denen immer irgendeine Aufgabe anstand, eine Rückmeldung kam, eine Idee in ein Produkt verwandelt werden wollte – nach all den Jahren voller Bewegung war Stillstand. Und gleichzeitig wusste ich nicht, was ich mit mir und all den Themen anfangen sollte, die immer noch in mir herum schwirrten.

Ich saß da mit einer Liste von offenen Fragen und ungeschriebenen Texten. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mal Abstand zu gewinnen, doch stattdessen fühlte ich mich unruhig.
Ich blätterte durch meine eigenen Beiträge, klickte mich durch Kursplattformen, überlegte an neuen Formaten.
Ich glaube, ich musste erst einmal realisieren, wie viel ich in den letzten Jahren auf die Beine gestellt hatte, denn alles war immer im Fluss, immer am Laufen. Ich funktionierte und gleichzeitig war da das Gefühl, dass sich vieles überlagert hatte: Alte Themen neben neuen Ideen, klare Botschaften neben Dingen, die ich irgendwann mal „auch noch machen wollte“. Neue Strömungen im Autismus-Diskurs, die ich nicht mittragen will.

Und so saß ich plötzlich mit einem riesigen Fragezeichen vor meinem Bildschirm, auf dem Sofa, auf der Terrasse, wo immer ich während meiner Sommer-Auszeit an die Arbeit mit Ellas Blog dachte.
Was soll bleiben?
Was darf gehen?
Was ist noch meins?

Erst als ich diesen Stillstand wirklich zugelassen habe, entstand Raum für einen neuen Blick auf das Ganze.
Und dann, irgendwann, ohne dass ich es genau benennen könnte, begann das Aufräumen.
Ich begann, alte Erwartungen loszulassen.
Ich hinterfragte Routinen, die mir gar nicht mehr gut taten.
Ich ließ mich davon leiten, was sich stimmig anfühlt und was ich einfach tat, weil es von mir erwartet wird.

Erkenntnis im Durcheinander

Je länger ich mich durch mein eigenes Archiv arbeitete, durch alte Texte, Kursmaterialien, Entwürfe, Ideenlisten, desto deutlicher wurde mir:
Ich möchte nicht genauso weitermachen.

Nicht, weil das bisherige falsch war, sondern weil sich vieles verändert hat. In der Welt da draußen, in den Themen, die mich beschäftigen, in der Art und Weise, wie Menschen heutzutage mit KI Wissen in die Welt bringen können, ohne es mit Erfahrung zu durchdringen.
Man kann das Rad in vielerlei Hinsicht nicht zurückdrehen. Aber es hat auch etwas in mir verändert und das war schon in den Beiträgen vor meiner Sommer-Auszeit spürbar – auch für mich erst so richtig, als ich sie mir mit Abstand nochmal durchlas.

Gesehen und wahrgenommen werden

Was mich dabei tief bewegt und letztlich zu vielen meiner Entscheidungen geführt hat, ist ein Gedanke, der mich schon lange begleitet, aber in der Auszeit einen neuen Stellenwert bekommen hat:
Es geht mir um das Gesehenwerden. Um das tiefe, nicht immer leicht zu fassende, aber existenziell wichtige Bedürfnis, dass die eigene Realität nicht nur ausgehalten oder geduldet, sondern wirklich wahrgenommen wird, in ihrer Tiefe, mit all ihren Widersprüchen, Anforderungen und oft auch ihrer Erschöpfung.
Das wünsche ich mir wohlbemerkt sowohl für meine Arbeit, als auch im persönlichen Kontakt.

Ich habe nie erwartet, dass mich alle verstehen, aber ich wünsche mir sehr, gesehen zu werden, in dem, was ich tue, was mich trägt, aber auch, was mich müde macht. Und ich weiß, dass viele der Menschen, für die und mit denen ich arbeite, dieses Bedürfnis ebenfalls in sich tragen – manchmal unausgesprochen, manchmal fast verzweifelt.
Genau deshalb ist das Gesehenwerden nicht nur ein persönliches Anliegen, sondern auch ein zentrales Thema meines neuen Buches geworden, in dem ich auch der Frage nachgehe, was es mit uns macht, wenn uns niemand wirklich wahrnimmt und wie viel Kraft allein schon ein ehrliches Hinschauen entfalten kann.

Entwicklungen in der Aufklärungslandschaft

In der Autismus-Aufklärungslandschaft fehlt dieses Hinschauen oft. Stattdessen ist in den letzten Jahren eine Entwicklung spürbar geworden, die mich zunehmend beunruhigt und letztlich auch zu meiner Auszeit geführt hat: Während viele Debatten lauter, pointierter und sichtbarer wurden, habe ich immer deutlicher den Eindruck gehabt, dass die Lebensrealitäten vieler Familien mit hohem Unterstützungs- und Pflegebedarf systematisch aus dem Bild geraten – nicht unbedingt absichtlich, aber doch spürbar und mit zunehmender Konsequenz.

Gerade die, die nicht selbst für sich sprechen können, sei es, weil sie nicht über Lautsprache verfügen oder weil sie schlicht nicht in der Lage sind, sich öffentlich mitzuteilen, verschwinden mehr und mehr aus dem Diskurs. Und damit auch ihre Angehörigen und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer. Sie werden nicht mehr gesehen.

Schon während der Pandemie wurde deutlich, wie wenig diese Gruppe vorkommt, pflegende Angehörige etwa, die unter schwierigsten Bedingungen ihr Leben organisierten, fanden weder in politischen Entscheidungen noch in der öffentlichen Wahrnehmung nennenswert Beachtung. Dieses Gefühl des Nicht-Gesehen-Werdens hat sich in den Jahren danach nicht aufgelöst, sondern eher verstärkt, zumindest empfinde ich das so, und die vielen Rückmeldungen, die mich erreichen, bestätigen diesen Eindruck.

Und so wuchs in mir fast unbemerkt, aber mit großer Konsequenz, eine Wut. Eine Wut darüber, wie stark sich das Bild verzerrt hat, wie wenig Raum geblieben ist für Komplexität, wie oft Aufklärung gleichgesetzt wird mit Sichtbarkeit, aber nur dann, wenn sie laut und eloquent daherkommt. Und wie viele derjenigen, die tagtäglich mit immensem Einsatz begleiten, pflegen, sichern und schlicht nicht mehr können, sich nirgends wirklich wiederfinden.

Diese Wut war ein wichtiger Impuls, aber sie ist kein guter Begleiter. Sie raubt Energie, sie verengt den Blick, sie tut auf Dauer nicht gut. Und so habe ich mich in der Auszeit nicht nur mit Inhalten und Strukturen beschäftigt, sondern vor allem mit der Frage, wie ich weitermachen möchte, mit welcher inneren Haltung, mit welcher Perspektive.

Entscheidungen für Ellas Blog

Dabei ist etwas in Bewegung geraten. Ich habe entschieden, dass ich mein Engagement nun nach all den Jahren noch bewusster auf das lenken möchte, was in der öffentlichen Debatte kaum Platz hat. Ich möchte mehr denn je das Gegengewicht sein zu dem, was zu laut, zu glatt, zu einseitig geworden ist. Denn ich habe auch gelernt, dass ich es von den meisten anderen leider nicht erwarten kann.
Es geht dabei nicht um Abwertung anderer Perspektiven, sondern um eine notwendige Ergänzung.

Gleichzeitig habe ich erkannt, dass ich nicht mehr „nur“ Bloggerin bin.
Inzwischen begleite ich viele Familien über längere Zeiträume, entwickle Kurse, schreibe Bücher, stelle Materialien zur Verfügung und vor allem gibt es das Forum, das sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem vertrauten Ort des Austauschs entwickelt hat, in dem Menschen miteinander und mit mir in Verbindung treten können, persönlich, ehrlich, manchmal einfach nur mitlesend.

All das soll bleiben und zwar in einer noch bewussteren Form.

Ich lebe wie viele von euch mit den täglichen Herausforderungen eines Alltags, in dem Pflege, Assistenz und Verantwortung eine große Rolle spielen. Was ich nicht wusste: Während der Auszeit würde noch einiges dazukommen. Neue Wendungen, neue Baustellen, nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional.
Nichts davon hat mich davon abgehalten, weiterzumachen, aber es hat mich gezwungen, noch ehrlicher hinzusehen und wirklich zu fragen: Wie will ich in Zukunft arbeiten – und wofür?

Ein besonderes Wort zum Forum

Während meiner Auszeit hat im Forum eine interne Umfrage stattgefunden, die für mich nicht nur inhaltlich aufschlussreich war, sondern auch emotional viel bewegt hat. Sie hat mir einmal mehr vor Augen geführt, wie wertvoll und bedeutsam dieser geschützte Raum geworden ist.
Denn im Forum geschieht etwas, das an vielen anderen Orten im Netz kaum möglich ist: Dort wird offen erzählt, persönlich gefragt, manchmal auch einfach nur zugehört. Menschen teilen dort ihre Erfahrungen, nicht laut oder effekthascherisch, sondern ehrlich, manchmal tastend, manchmal mutig, oft auch still und zwischen den Zeilen. Und zwar ohne Angst vor dem nächsten verurteilenden und blöden Kommentar auf Social Media.

Es ist ein Raum, in dem das Mitlesen genauso willkommen ist wie das aktive Schreiben, in dem Zweifel ihren Platz haben dürfen, Worte nicht auf die sprichwörtliche Goldwaage gelegt werden und Erschöpfung nicht versteckt werden muss.
Und es ist ein Raum, aus dem ich viel zurückbekomme, wertvolle Rückmeldungen, die mir helfen, Ellas Blog in eine Richtung weiterzuentwickeln, die wirklich gebraucht wird. Und auch ich selbst ziehe Trost, Verständnis und Zuversicht aus dem, was die Mitglieder schreiben.

Gerade in einer Zeit, in der Social Media immer lauter, schneller und oft auch oberflächlicher wird und in der Künstliche Intelligenz Inhalte in Sekundenschnelle produziert, ohne selbst zu fühlen oder zu erleben, wird ein geschützter Ort für echte, gelebte Erfahrungen zu etwas ganz Besonderem.
Das Forum ist so ein Ort: Hier geht es nicht um Perfektion, Reichweite oder Algorithmen, sondern um Wirklichkeit. Um das, was Menschen tatsächlich bewegt, im Alltag mit einem autistischen Kind, mit komplexen Herausforderungen, mit Fragen, auf die es manchmal keine schnellen Antworten gibt. Ich bin überzeugt, dass solche Räume in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Bedeutung bekommen, weil sie eine Tiefe ermöglichen, die anderswo oft verloren geht. Und weil sie verbinden, statt zu polarisieren.

Wenn du schon Teil dieses Forums bist, dann möchte ich dir von Herzen für dein Vertrauen danken. Und wenn du bisher gezögert hast oder einfach noch nicht dazu gekommen bist: Vielleicht ist jetzt ein guter Moment, um einmal hineinzuschauen. Du bist willkommen so, wie du bist, mit dem, was dich bewegt.

Gerne hier entlang und das Forum mit seinen Inhalten besser kennlernen.


Im Forum gibt es bald eine besondere Aktion, die noch einmal mehr Nähe erlaubt: Ich beantworte fünf persönliche Fragen, die mir immer wieder gestellt werden – und auf die ich bisher noch nie öffentlich geantwortet habe.

Komm gerne dazu und tausche dich mit uns aus.

Wie es weitergeht

Ich möchte, dass Ellas Blog auch weiterhin ein Ort bleibt, an dem man fundierte, persönliche Informationen bekommt – aber nicht in einem Einheitsbrei aus „wir sind doch alle irgendwie neurodivers“ versinkt.
Jetzt höre ich schon den Aufschrei: „Wie kann sie denn sowas sagen? Das sagt man doch nicht!“
Doch ich sage das so, weil ich sehe, wie sehr viele Familien mit komplexem Unterstützungsbedarf gerade nicht mitgemeint sind, wie sie durch Raster fallen – in Diskussionen, bei der Autismus-Aufklärung, in der Politik.

Im Hintergrund hat sich bereits viel getan, denn irgendwann kam ich während meiner Auszeit tatsächlich ins Tun, aus Sortieren wurde Aufräumen, daraus ein Umgestalten und ein Fokussieren.
Nicht alles sieht man auf den ersten Blick, aber ich lade dich ein, dich umzuschauen. Wenn du Ellas Blog schon länger kennst, wirst du merken: Hier sieht einiges anders aus.

Ich habe zum Beispiel:

🌀 viele alte Beiträge aussortiert und neu strukturiert
🌀 neue Kategorien im Blog eingerichtet, damit du schneller findest, was du suchst
🌀 Themenseiten erstellt, die Inhalte zu bestimmten Themen bündeln
🌀 eine neue Buchseite angelegt mit allem, was ich bislang veröffentlicht habe
🌀 das Forum weiter gepflegt und die persönlichen Gespräche dort nicht abreißen lassen
🌀 und dabei fast täglich reflektiert, wohin ich mit Ellas Blog eigentlich will

Niemanden ausschließen – Sichtbarkeit ausweiten

Ich habe noch viele Ideen und manche davon sind bereits auf dem Weg, konkrete Produkte zu werden, andere werden vorerst Impulse bleiben, die vielleicht später Gestalt annehmen, im Forum ihren Platz finden oder auch wieder verworfen werden.

Was für mich jedoch feststeht: Ich werde weiterschreiben, und zwar mit einem geschärften Blick für das, was fehlt. Ich werde weiterhin Fragen stellen, unbequem, ehrlich, ohne einfache Antworten zu erwarten. Und ich werde weiterhin versuchen, eine Stimme zu geben – dort, wo oft keine ist, auch wenn das nicht jedem gefällt.

Dabei geht es mir nicht darum, jemanden auszuschließen. Im Gegenteil: Alle Menschen im autistischen Spektrum und alle, die ihnen verbunden sind, sind auf Ellas Blog willkommen – mit ihren ganz unterschiedlichen Wegen, Herausforderungen und Perspektiven. Aber ich werde einen Teil des Blogs noch bewusster denjenigen widmen, die in der gegenwärtigen Aufklärungslandschaft zunehmend übersehen werden: Autistinnen und Autisten mit komplexem Unterstützungsbedarf, ihre Familien und die realen, oft ungeschönten Lebensrealitäten, die damit verbunden sind.

Denn ich glaube fest daran, dass Sichtbarkeit nicht auf Kosten anderer gehen muss. Sie darf sich ausweiten, differenzierter werden, mehrstimmig. Und genau dazu möchte ich mit meiner Arbeit beitragen.
Wer diesen Weg näher mitverfolgen möchte, wer Lust auf neue Perspektiven, persönliche Einblicke, exklusive Aktionen und Impulse hat, ist im Newsletter bestens aufgehoben.

Zu guter Letzt

Dieser Beitrag war eher ein persönlicher Essay nach meiner Auszeit – kein klassischer Artikel über Autismus, wie ihr ihn sonst hier findet. Für alle, die sich vor allem für konkrete Themen, Alltagstipps oder rechtliche Entwicklungen interessieren: Keine Sorge, auch das wird es bald wieder geben.
Aber vielleicht habt ihr ja trotzdem gerne einmal einen Blick hinter die Kulissen eines Blogs geworfen, der nun schon seit über zwölf Jahren mit allen Höhen, Tiefen, Zweifeln und Entscheidungen, die dazugehören gewachsen ist.

Zum Weiterlesen:

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