Immer wieder kommt es vor, dass Menschen sich mit ihren ungefragten Kommentaren oder Ratschlägen in unser Leben einmischen. Das mag oft gut gemeint sein, aber manchmal ist es übergriffig und das dürfen wir dann auch sagen. Und manchmal sollten wir es uns nicht so zu Herzen nehmen.
„Du hast so ein schweres Leben mit Deinem Kind. Du tust mir so leid.“
Das ist eine Äußerung, die den meisten von uns sehr unangenehm ist. Klar ist nicht alles einfach, aber ist das nicht auch immer relativ? Mir ist bisher noch niemand begegnet, der wegen der Behinderung seines Kindes bemitleidet werden möchte.
Wir freuen uns, wenn unsere besondere Lebenssituation gesehen und Hilfe angeboten wird. Aber Mitleid wollen die allerwenigsten.
Es fühlte sich so unsolidarisch mit dem eigenen Kind an, wenn man zum Beispiel antworten würde: „Ja, Du hast Recht. Ich bin wirklich zu bemitleiden.“ Ich kenne niemanden, der so reagieren würde.
Bei solchen Äußerungen können wir ohne schlechtes Gewissen erwidern: „Dein Mitleid brauche ich wirklich nicht. Auch wenn nicht immer alles so einfach bei uns ist, würde ich mein Kind niemals tauschen wollen.“
Eine andere Mutter erzählte mir neulich, dass sie erwidert: „Komm lieber ab und zu vorbei und hilf uns ein bisschen, anstatt Dein Mitleid zu bekunden. Das ist nämlich völlig überflüssig.“
„Du siehst so fertig aus, bestimmt hast Du gerade eine schwierige Zeit.“
Das ist eine Äußerung, die mitfühlend gemeint ist und Interesse zeigt. Ich finde es erstaunlich, dass solche Sätze häufig gesagt werden, wenn ich mich eigentlich gar nicht so schlecht fühle und gerade wieder das Gefühl habe, aufrecht zu stehen und meine Energie gebündelt zu haben.
Ich bin noch nicht dahinter gekommen, woran es liegt, dass man dann offenbar besonders „fertig“ aussieht. Vielleicht strahlen wir in diesen Situationen eine solche Entschlossenheit aus, dass sie unser Gegenüber irritiert. Was meint Ihr?
„Du musst auf Dich aufpassen. Schone Dich ein bisschen.“
Auch gut gemeint. Und klar müssen wir auf uns aufpassen und zusehen, dass wir unsere Energiereserven immer wieder auftanken. Nur schaffen wir das gewöhnlich nicht über den Weg des „sich schonens“, weil das für viele von uns überhaupt nicht möglich ist. Wir tanken unsere Kraft wieder auf, indem wir unsere eigenen Ressourcen überhaupt erst entdecken und lernen, diese zu aktivieren. Darüber schreibe ich übrigens ausführlich im neuen Buch „Autistische Kinder brauchen augeklärte Eltern“.
Das ist eine ganz andere Herangehensweise, als die, sich aus einer Situation herauszunehmen, um sich zu schonen.
Und es ist für viele von uns die einzige Herangehensweise, die möglich ist. Nur verstehen das Außenstehende meistens nicht, wenn sie raten: „Du musst mal wegfahren“ oder „Du brauchst ein neues Hobby.“ Und dann macht sich bei uns das Gefühl von Unverständnis breit, obwohl der Hinweis von Außenstehenden gut gemeint war.
„Du musst dringend mal raus, so wie Du aussiehst. Nimm Dir mal Urlaub oder fahr zu einer Kur.“
Ach so? Darüber können viele nur lachen. Denn Urlaub bedeutet nicht unbedingt Urlaub, wenn man ein pflegeintensives Kind hat.
Manchen würde es tatsächlich gut tun, sich abseits des Alltags zu entspannen und sich mal nur um sich selbst kümmern zu können. Aber so einfach ist das nicht. Selbst wenn man zu einer Kur fährt, birgt das hohes Stresspotential für viele Familien mit autistischen Kindern. Fremde Umgebung, viele Menschen, andere Regeln – abschalten klappt nur, wenn man sich sicher ist, dass es auch dem Kind gut geht und es sich zurechtfindet. Bei manchen klappt das gut, bei anderen aber eben nicht so gut.
Eine Kur oder Urlaub ohne Kind bedeutet einen hohen Organisationsaufwand und nicht selten werden solche Aktionen von Eltern wieder abgebrochen und hinterher hat man mehr Stress als vorher. Andere berichten aber auch darüber, dass ihre Kinder in dieser Hinsicht unkompliziert sind und das Abgeben in fremde Hände (rw) gut klappt.
In jedem Fall ist es in den Familien sehr verschieden und muss äußerst differenziert gesehen werden.
„Du siehst so müde aus. Du solltest Dich mal richtig ausschlafen.“
Das ist so grotesk, dass es schon wieder zum Lachen ist.
Einige von uns schlafen seit 20 Jahren keine Nacht durch. Das ist unvorstellbar für Außenstehende und – klar! – es wäre super, sich mal wieder auszuschlafen. Die einzige Antwort, die mir darauf einfällt: „Tolle Idee. Übernimmst Du heute die Nachtschicht?“
In Summe ist das meiste, was Menschen zu uns sagen, durchaus gut gemeint. Wenn ich dennoch das Gefühl habe, nicht verstanden zu werden, nehme ich mir das inzwischen nicht mehr so zu Herzen wie früher. Es ist einfach anstrengend, dagegen anzugehen und sich zu erklären.
Wenn mir grundsätzlich an dem Menschen liegt, mit dem ich spreche, frage ich in solchen Situationen einfach erstmal zurück. „Wie geht´s denn Dir? Erzähl mal.“ Das lassen sich die meisten nicht zwei Mal sagen, denn es gibt wenige, die nicht gerne von sich erzählen. Und dann entwickeln sich häufig Gespräche, in denen man auf das anfangs Gesagte nochmal in Ruhe zurückkommen kann.
Wenn ich allerdings das Gefühl habe, dass mir und vor allem den Bedürfnissen meines Kindes (denn das ist untrennbar miteinander verbunden) eine große Portion Ignoranz entgegenschlägt, stelle ich das Gesagte richtig und distanziere mich bewusst.
Denn wir alle brauchen unsere Energie an anderen Stellen. Ich schicke Dir hiermit eine ganz große Portion davon :-)
DANKE!!! Mal wieder auf den Punkt gebracht! Ich würde die „Mischung“ tatsächlich wieder ganz genau so „anrühren“ (rw rw rw!!!) wenn ich meine Tochter mit ASS nochmal bekommen dürfte. Haargenau so. Sie ist einfach ein ganz tolles Unikat!. Und das hab ich ihr auch schon oft gesagt. Und werde es auch weiterhin tun. Weil es die reine Wahrheit Ist!! Punkt! :)
Manche der Ratschläge habe ich auch schon gehört… Wie mach doch einen freien Abend oder denk mehr an dich selbst…..haha….schön wäre es…..ein freier Abend heißt eine Woche danach wird es noch anstrengender…. Aber es gibt auch schöne Anmerkungen, meist von Menschen die ich nicht so gut kenne…. Vor kurzen sagte eine neue Bekannte “ ist dir eigentlich bewusst was du alles leistest? Wann du da tag täglich schafft und trotzdem noch so positiv bist!“
Das tut so gut….
Liebe Grüße Silke
Kann das noch erweitern, ich bin chronisch krank inkl. Autismus. Ich kriege immer wieder tolle Tipps wie du kannst nicht krank sein, man sieht ja nix. Oder du hast sicher keinen Autismus, du bist doch normal, Hey! Ich bin 36jahre, meint ihr nicht dass man nichts gelernt hat? Sich alleine durchschlägt, sich tarnt, kämpft, lächelt, lebt?
Und das geilste wegen dem bisschen Bauchweh du musst nur diese xy Diät machen und wirst geheilt! Echt jetzt? Was von unheilbar gehört, ich (Fresse) nicht aus lauter spass sauteure spezial medikamente und gehe aus lauter Langeweile zu spezialärzten. Wobei die schicken die schönsten weihnachtskarten. Die bösesten Sachen erlebte ich in sogenannten geschützten Arbeitsplätzen wo ich für’n Apfel und Ei arbeitete bis es nicht mehr ging. Jetzt bin ich Rentner und baute mir ein neues Leben auf, jetzt lerne ich für den sportfischeri Ausweis. Mit mir macht das keiner mehr.
Bei uns standen als mein Bruder noch im Kindergarten war abends plötzlich zwei Männer von irgend einer Freikirche vor der Tür und erzählten etwas davon, dass „behinderte Kinder eine Strafe Gottes für die Sünden ihrer Familie“ wären (wer kommt eigentlich auf so einen geistigen Dünnpfiff?! Vermutlich wurden sie uns von einem Nachbar geschickt weil sie gleich mit diesem Thema ankamen).
Meine Mutter diskutiert ja normalerweise sehr gerne und mit fast jedem über fast alles (eigentlich hat man bei Diskussionen so gut wie keine Chance gegen sie *stolz auf Mammi*), aber an diesem Tag habe ich sie so wütend erlebt, dass ich schon Angst hatte, dass sie sich vergisst und den Typen eine Backpfeife verpasst, nicht dass mir dann diese Wichtigtuer leid getan hätten, aber die wären bestimmt noch zur Polizei gegangen um sie an zu zeigen.