Auf die Information, dass man ein behindertes oder autistisches Kind hat, reagieren Mitmenschen sehr unterschiedlich.
Manche sind betroffen und murmeln etwas wie „Oh, das tut mir aber leid“ vor sich hin, andere sind interessiert und fragen nach: „Was bedeutet das denn genau?“, wieder andere flüchten sich in Floskeln wie „Ich könnte das nicht“ und nochmal andere fragen tatsächlich nach: „Wie könnte ich denn helfen? Was wünschst Du Dir?“
Je nachdem, wer das fragt, könnte man Verschiedenes antworten und für euch fallen diese Antworten vielleicht anders aus, als für mich. Ein paar Vorschläge von meiner Seite:
Deine Freundschaft ist mir wichtig.
Ich weiß, dass es nicht immer einfach mit mir ist. Oft bin ich unausgeschlafen, obwohl meine beiden Kinder bereits erwachsen sind. Manchmal bin ich belastet, weil ich wieder mal in detektivischer und sorgenvoller Kleinstarbeit versuche herauszufinden, warum Niklas außer sich ist. Ich weiß, dass ich manchmal empfindlich bin, Termine im letzten Moment absage, weil ich zuhause gebraucht werde, einfach nur schlechte Gesellschaft wäre und keine Reserven mehr habe. Ich weiß, dass es Tage gibt, an denen ich nicht gut zuhöre.
Aber Du interessierst mich trotzdem. Du bist mir wichtig.
Meine Zeit ist voll mit Recherchen und Arztterminen und insgesamt habe ich das Gefühl, auf einem kleinen Vulkan zu leben, der jederzeit ausbrechen könnte und dann sofort einen Notfallplan von mir fordert. Deshalb fühlt es sich wie ein ständiges „auf dem Sprung sein“ an.
Oft kann ich hier nicht weg, aber ich freue mich, wenn Du anrufst oder einfach vorbei kommst und Zeit mit uns verbringst. Es ist nicht böse gemeint, dass ich nicht gleichermaßen so spontan sein kann.
Ich wünsche mir Respekt für unsere Entscheidungen
Wenn man ein autistisches Kind hat, versucht man alles darüber zu erfahren, sich so viel Wissen anzueignen, wie möglich. Man liest, recherchiert, hört anderen Eltern, Ärzten, Autisten, Therapeuten und Lehrern zu, verschafft sich einen Überblick, prüft bei Lösungsansätzen, wie kompatibel sie mit dem eigenen Lebensumfeld sind, hat Geschwister im Blick, geht seinem Job nach, pflegt ggf. eine Partnerschaft und versucht, einfach alles unter einen Hut zu bringen (rw).
Viele Eltern wünschen sich, dass Entscheidungen, die sie nach langen Gedanken-Wegen treffen, respektiert und nicht ständig in Frage gestellt werden. „Hast Du Dir das auch gut überlegt?“, ist eine überflüssige Frage, die einem nicht selten entgegenschlägt.
Ja, man sollte einfach grundsätzlich davon ausgehen, dass sich Eltern autistischer und allgemein behinderter Kinder alles sehr gut überlegen und es eher die Ausnahme ist, wenn dem nicht so ist.
Ich wünsche mir, dass aufgehört wird zu vergleichen.
Viele Mitmenschen wissen ganz genau, dass man im Allgemeinen nicht vergleichen sollte, weil Vergleiche immer irgendwie ungerecht sind und nur einen Ausschnitt eines Lebens betreffen können. Man weiß nie, was sich noch im Leben des anderen ereignet(e).
Viele Mitmenschen wissen auch ganz genau, dass man im Besonderen nicht vergleichen sollte. Dann kommen aber trotzdem manchmal so Sätze wie „Ich weiß, das kann man nicht vergleichen, aber bei uns ist es auch so wie bei Euch.“
Das bringt die meisten Eltern autistischer Kinder extrem auf die Palme (rw). Nein, es ist nicht „auch so“. Es ist anders. Das Problem, die Herausforderung und die Sorge jedes Einzelnen hat seine Berechtigung, aber sie ist nicht vergleichbar.
Ich kann Dein Leben nicht beurteilen – aber Du kannst meins auch nicht beurteilen. Wenn Du es dennoch tust, habe ich das Gefühl, dass unser Leben bagatellisiert wird.
Manchmal brauchen wir Ermutigung und Stärkung.
Viele Eltern autistischer und behinderter Kinder erwecken nach außen hin häufig den Eindruck, als ob sie immens stark wären und nichts sie erschüttern kann.
Aber dem ist nicht so.
Wir kämpfen für die Rechte unserer Kinder, für angemessene Rahmenbedingungen in Kindergarten und Schule, schreiben etliche Briefe und Widersprüche an Ämter, argumentieren wie Löwen und Tiger am Telefon und stärken unseren Kindern den Rücken (rw), wann immer nötig.
Aber wenn sich die Tür zuhause hinter uns schließt, dann sind wir manchmal nur noch ein Häufchen Elend, weil wir keine Kraft mehr haben, wir manchmal (ver)zweifeln, auch wenn es uns nicht anzusehen ist, weil wir es nicht mögen, ständig vehement und selbstbewusst auftreten zu müssen und weil wir uns danach sehnen, dass uns manches abgenommen wird.
Wir sind nicht so unerschütterlich stark, wie es aussieht. Wir brauchen ab und zu Ermutigung und Stärkung, freundliche Worte, die uns bestätigen, dass wir das, was wir machen, gut machen und dass wir auf dem richtigen Weg sind. Und wir brauchen ab und zu Menschen, die fragen, ob sie uns helfen können.
Ich wünsche mir Perspektiven.
Wir sind mit Niklas auf einem vielversprechenden Weg, was das betrifft, und das macht mich so dankbar und glücklich, dass ich gleichermaßen die Not anderer Familien noch stärker fühle. Hier braucht es dringend Perspektiven, die Zuversicht, Hoffnung und Leichtigkeit für alle Beteiligten bringen. Vielen nimmt es den Atem, wenn die Zeit voranschreitet und keine Wege sichtbar werden, viele nehmen weite Strecken, Umzüge und schlechte Kompromisse hin, um sich wenigsten an etwas festhalten zu können. Das ist nicht akzeptabel – nicht für die Eltern und am allerwenigsten für unsere Kinder.
Aber vielleicht möchtet Ihr auch Eure Wünsche aufschreiben – gerne auf Facebook oder in den Kommentaren.
Ein ganz dickes Danke!
Das stimmt. Wir sehen/fühlen das genau so.
Ich bin der Meinung da sprichst du vielen Eltern aus der Seele :) Hochachtung !Weiterhin viel Mut und Kraft.Sei einfach mal geknuddelt.
Danke, du schafft es immer wieder die richtigen Worte zu finden….
Es waren und sind immer meine Worte „Wir leben auf einem Vulkan, der ausbrechen kann. “
Ich bin Mutter von zwei Autisten.
So ist es. Ganz gewöhnliche Dinge wie gemeinsam Essen gehen fallen mir da ein… und auch die Zukunftsängste, hab derzeit keine Unterbringungsmöglichkeit falls ich mal nicht kann. …
Jaaaaa, so ist es … bei meinen beiden (jetzt 17) ist es aber weniger wie jeden Moment ausbrechende Vulkane, sondern eher wie Lichter, die manchmal nur noch auf kleiner Flamme (Depressionen, Rückzug wegen Reizüberflutung) brennen …seid vorsichtig gedrückt.
Das ist wieder so wunderbar in Worte gefasst! Vielen Dank!
Ich wünsche mir zum Beispiel von anderen Eltern mehr Offenheit und Ehrlichkeit im Zusammenhang mit Schul- und Alltagsschwierigkeiten. Wenn sich doch mal alle trauen würden! Es ist erschreckend, wie viele dann doch mit der Bitte um „Diskretion“ irgendwann erzählen, welche Schwierigkeiten auch ihr Kind hat. Es tut doch so gut zu wissen, dass man nicht alleine ist. Außerdem kann man zusammen viel besser Ideen austüfteln, wie es mal besser werden kann.
Wie wahr!!! V.a. „viele Eltern wünschen sich, dass ihre Entscheidungen respektiert werden.“ Wer kennt unsere Kinder besser als wir Eltern. Wir haben so große Schulprobleme und kein Amt glaubt uns und keiner schaut es sich wirklich an. Es ist so traurig. Und es tut so gut, dass es Menschen wie hier gibt. DANKE.
Nicht immer stark sein zu müssen. Es tut gut, Menschen zu haben, bei denen man sich auch mal ausheulen kann, wenn alles zu viel wird, oder die einem die Möglichkeit verschaffen, sich zurückzuziehen und eine Auszeit zu nehmen.
Das spricht mir aus der Seele und trifft genau den Punkt!!
DANKE!!
Manchmal braucht man nur das Gefühl das man nicht alleine damit ist!
Danke ♥. Ais dem Herzen und dem Alltag gesprochen.
Liebe Grüße,
Katja
Danke ?
ich wünsche mir, dass man mich nicht angreift, wenn mein Sohn schreit und tobt und um sich schlägt,
ich wünsche mir, dass ich Unterstützung erhalte, wenn es ihm schlecht geht,
ich wünsche mir Entlastung, wenn ich nicht mehr kann,
ich wünsche mir mehr Humor und mehr Gelassenheit im Umgang mit Autismus,
ich wünsche mir, dass man den Autisten respektiert und nicht für sein Autismus bestraft
Liebe Silvia! Du hast es auf den Punkt gebracht! Ich wünsche dir, uns allen, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen! Liebe Grüße, Emi
Vielen lieben Dank! Worte, die gut tun, einen stärken und zeigen, dass man nicht allein ist.
Hallo,du sprichst mir aus der Seele.
Danke dir und alles Gute!
??
Das ist so stimmig , wie aus meinem Herzen gesprochen. Und trotz der Wiederstände die wir überwinden und der Dinge für die wir kämpfen sind wir dankbar für unsere Kinder und die Erfahrungen mit Ihnen die uns die Oberflächlichkeiten im Leben nicht mehr sehen lassen und unserem Leben einen tieferen Sinn gibt , die uns das Gefühl geben wirklich zu leben.
Bei uns war gestern gerade wieder Elternsprechtag und die Lehrerin meinte unser Sohn sei ha nicht nur Autisten sondern auch ein normaler 17 jähriger und sie wüsste nicht wie sie das unterscheiden kann. Bsp. wann stiert er die Wand an als Autist und wann als 17 jähriger Junge , während ich das schreibe muss ich fast lachen . Wann zieht er sein Autismuskostüm an und wann hat er es nicht an. Ich wollte ihr erklären das er kein normaler 17 jähriger Junge ist sondern ein 17 jähriger Autist. Sie will jetzt mit seiner Therapeutin bzw. Ärztin reden um eine Antwort darauf zu erhalten . Ich hab ihr gesagt dass ich zuerst mit der Ärztin reden werde und dann kann sie sich bei ihr melden. Wünschen würde ich mir dass sie verstehen würde was Autist sein bedeutet . Und dass sie uns glauben würde wenn wir versuchen es ihr zu erklären stattdessen wird sie laut und brauch quasi die Bestätigung von unserer Ärztin. Außerdem wär mir lieb wenn sie sehen würde dass Elias durch seinen Nachteilsusgleich keine Vorteile hat wie sie denkt sondern dass dadurch Nachteile die er hat ausgeglichen werden. , schließlich hat er es ja sowieso schon schwerer als NTs. Einfach mehr Verständnis oder vielleicht ist es auch Vertrauen darauf dass sowohl er selbst als auch wir als Eltern und auch die SB wissen was er braucht . Und auch dass die Wünsche zum Beispiel in der Schule oder im Beruf einen guten Abschluss zu machen anerkannt wird und Ihnen die Hilfe die sie brauchen zur Verfügung gestellt wird . Denn Autisten können genauso viel erreichen sie brauchen nur andere Bedingungen um diese Ziele zu erreichen .
Das spricht mir so sehr aus dem Herzen. Immer stark sein nach außen, lässig und cool bleiben, wenn du Nerven blank liegen und die Kräfte verbraucht sind.
Seit zwei Jahren Zeit gefunden diesen Bericht zu lesen – er spricht mir aus dem Herzen! Wir fühlen genau so.
Es sind die gleichen Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.Danke für diese treffenden Worte!In einer Odysee aus Diagnosestellung, Ämtergängen, monatelangem Warten auf einen Therapieplatz, und dem Nicht-Verständnis der Menschen um uns herum.
Ich wünsche Euch allen ganz viel Kraft?
Du hast viele Dinge ausgesprochen die mich auch bewegen… mein Sohn ist inzwischen 22 kommt im Berufsleben an und es ist holprig… er wohnt ohne mich in einer WG, liebt seine Freiheit die er dadurch hat, braucht aber eigentlich Unterstützung und ganz viel Schub… von alleine geschieht nichts und was ich sehr gut kenne ist diese detektivische Kleinstarbeit… immer wieder zäh und auf Abstand… es dauert ewig bis etwas geschieht… ich muss ganz viel sprechen… dann ist wieder eine lange Pause der er sich gemütlich zurückzieht zurück zieht und in seinen Spezialinteressen einrichtet… froh ist, dass ich ihn da nicht mehr so leicht herausholen kann wie früher… bei mir das Begreifen einsetzt, das mit erwachsen werden meines Kindes die Begleitung. durch mich, das Übernehmen der Aufgaben… das Kämpfen und die Behördengänge noch lange nicht beendet sind. im Gegenteil schwieriger werden. wichtige Dinge verlaufen einfach im Sand… es ist nicht wie bei anderen, man begleitet sie eine Weile und entlässt sie dann ins Erwachsenenleben wo sie alleine zurechtkommen… die Sorge hört nie auf. Danke für deine Worte 🙏
Das trifft es sowas von auf den Punkt und beschreibt genau mein Leben. Es tut sehr gut zu lesen