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Autismus und Geduld – einfach mal öfter bis zehn zählen

veröffentlicht von Silke Bauerfeind im März 2017


Ich hatte schon an anderen Stellen darüber geschrieben und auch in „den Büchern zu Ellas Blogetwas darüber veröffentlicht: Manchmal sollten wir Eltern und Bezugspersonen einfach erstmal innerlich bis zehn zählen, bevor wir die nächste Frage oder Aufgabe stellen. Das wurde mir erst gestern wieder bewusst.

Es ist nämlich gar nicht so einfach, das umzusetzen, wenn man in unserer schnelllebigen Zeit aufwächst und mittendrin herumwuselt. In manchen Situationen muss es auch wirklich schnell gehen, weil der Bus wartet, ein Termin ansteht oder sonst etwas dringend erledigt werden muss.

Aber – es gibt auch Situationen, in denen ein wenig Entschleunigung durchaus angebracht, notwendig und auch möglich ist. Ich selbst muss mir diese Moment immer wieder aufs Neue bewusst machen und gestern passierte es das erste Mal, dass Niklas mich dahingehend ermahnte. Er gebärdete: „Stop! Mama, bitte ein bisschen warten.“ ;-)

Ich war ganz perplex, verstummte sofort und freute mich innerlich total, dass er sein Bedürfnis spontan so super, angemessen und zuverlässig mitteilen konnte.
Ich hatte ihn nämlich gefragt, ob er ein Eis essen möchte. Es kam erstmal keine Antwort und ich fragte etwa drei Sekunden später nochmal, ob er denn nun eines möchte oder nicht und dann kam seine Bitte um mehr Zeit.

Oft wird über Reizüberflutung gesprochen und gemeint sind damit meistens Geräusche, Gerüche oder Berührungen. Es kann aber auch einen Overload geben, der anhand zu viel hintereinander gestellter Fragen ausgelöst wird. Zu viele Gedanken, Anforderungen, Fragen, Wörter stauen sich auf, ohne dass unsere Kinder aussortieren können, was davon nun wichtig ist, was sie mit dem Gesagten anfangen und was darauf antworten sollen. Wenn dieser Anstau nicht unterbrochen wird, schalten sie schließlich komplett ab und verarbeiten gar nichts mehr.

Immer wieder habe ich die wirklich schöne Erfahrung gemacht, dass ein Dialog viel besser möglich ist, wenn ich nach meiner Frage innerlich bis zehn zähle und warte, ob etwas kommt – oftmals erfolgt eine Antwort erst bei sieben oder acht. Und dann kann das Gespräch weitergehen – bei uns eben das Gebärden.
Wenn innerhalb dieser Zeit nichts kommt, stelle ich die Frage auch nochmal oder biete ihm an, dass er mir mit Ja/Nein-Karten zeigen kann, ob er etwas möchte oder nicht. Denn an manchen Tagen ist Kommunikation so anstrengend für ihn, dass wir uns auf diese Hilfsmittel beschränken.

Nur manchmal vergesse ich das Entschleunigen wieder und lasse mich von dem Gewusel unserer Zeit anstecken, bin zu schnell, zu ungeduldig und lasse mich seit gestern nun deshalb auch ermahnen! ;-)
Probiert es mal aus – ich finde dieses Vorgehen besonders schön, weil man an sich selbst etwas verändern kann und nicht – wie so oft – eine Veränderung oder ein bestimmtes Verhalten vom Kind erwartet. Angepasste Rahmenbedingungen oder das Anpassen des eigenen Verhaltens können viel bewirken und sind oft unmittelbar umsetzbar.

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wer hier schreibt

Silke Bauerfeind

Gründerin von Ellas Blog (2013), Buch- und Kurs-Autorin, Kulturwissenschaftlerin, psychologische Beraterin, Referentin. 

"Ich verbinde persönliche Erfahrung mit Wissen rund um Autismus, Teilhabe und Familienrealität. Mein Schwerpunkt liegt auf Autismus mit hohem Pflege- und Unterstützungsbedarf – Themen, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft zu kurz kommen"

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