Ich hatte schon an anderen Stellen darüber geschrieben und auch in „den Büchern zu Ellas Blog“ etwas darüber veröffentlicht: Manchmal sollten wir Eltern und Bezugspersonen einfach erstmal innerlich bis zehn zählen, bevor wir die nächste Frage oder Aufgabe stellen. Das wurde mir erst gestern wieder bewusst.
Es ist nämlich gar nicht so einfach, das umzusetzen, wenn man in unserer schnelllebigen Zeit aufwächst und mittendrin herumwuselt. In manchen Situationen muss es auch wirklich schnell gehen, weil der Bus wartet, ein Termin ansteht oder sonst etwas dringend erledigt werden muss.
Aber – es gibt auch Situationen, in denen ein wenig Entschleunigung durchaus angebracht, notwendig und auch möglich ist. Ich selbst muss mir diese Moment immer wieder aufs Neue bewusst machen und gestern passierte es das erste Mal, dass Niklas mich dahingehend ermahnte. Er gebärdete: „Stop! Mama, bitte ein bisschen warten.“ ;-)
Ich war ganz perplex, verstummte sofort und freute mich innerlich total, dass er sein Bedürfnis spontan so super, angemessen und zuverlässig mitteilen konnte.
Ich hatte ihn nämlich gefragt, ob er ein Eis essen möchte. Es kam erstmal keine Antwort und ich fragte etwa drei Sekunden später nochmal, ob er denn nun eines möchte oder nicht und dann kam seine Bitte um mehr Zeit.
Oft wird über Reizüberflutung gesprochen und gemeint sind damit meistens Geräusche, Gerüche oder Berührungen. Es kann aber auch einen Overload geben, der anhand zu viel hintereinander gestellter Fragen ausgelöst wird. Zu viele Gedanken, Anforderungen, Fragen, Wörter stauen sich auf, ohne dass unsere Kinder aussortieren können, was davon nun wichtig ist, was sie mit dem Gesagten anfangen und was darauf antworten sollen. Wenn dieser Anstau nicht unterbrochen wird, schalten sie schließlich komplett ab und verarbeiten gar nichts mehr.
Immer wieder habe ich die wirklich schöne Erfahrung gemacht, dass ein Dialog viel besser möglich ist, wenn ich nach meiner Frage innerlich bis zehn zähle und warte, ob etwas kommt – oftmals erfolgt eine Antwort erst bei sieben oder acht. Und dann kann das Gespräch weitergehen – bei uns eben das Gebärden.
Wenn innerhalb dieser Zeit nichts kommt, stelle ich die Frage auch nochmal oder biete ihm an, dass er mir mit Ja/Nein-Karten zeigen kann, ob er etwas möchte oder nicht. Denn an manchen Tagen ist Kommunikation so anstrengend für ihn, dass wir uns auf diese Hilfsmittel beschränken.
Nur manchmal vergesse ich das Entschleunigen wieder und lasse mich von dem Gewusel unserer Zeit anstecken, bin zu schnell, zu ungeduldig und lasse mich seit gestern nun deshalb auch ermahnen! ;-)
Probiert es mal aus – ich finde dieses Vorgehen besonders schön, weil man an sich selbst etwas verändern kann und nicht – wie so oft – eine Veränderung oder ein bestimmtes Verhalten vom Kind erwartet. Angepasste Rahmenbedingungen oder das Anpassen des eigenen Verhaltens können viel bewirken und sind oft unmittelbar umsetzbar.
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Ein sehr schöner Artikel. Es ist nicht immer einfach, eigene Initiativen zurück zu nehmen, um meinem Gegenüber mehr Raum und Zeit zu geben, aber durchaus lohnenswert ? Denn so habe ich schon Dinge von der „eigenen Welt “ meines Kindes erfahren, die ansonsten tief vergraben liegen.
Ein toller Beitrag und so was von wahr. Ja bis 10 zu zählen, das täte uns allen gut. Im Umgang mit einem Menschen mit Autismus, können wir oft sehr viel lernen.
Genau das haben wir am Wochenende ausprobiert. . . Und tatsächlich. . . Bei 7, 8 manchmal auch erst bei 9 kam plötzlich eine Antwort.
Danke für den Artikel!
Toll! Das freut mich :-)
Ja,daß ist war! Wir sollten uns die Zeit nehmen,denn es ist viel viel anstrengender dazernt die gleiche Frage zu wiederholen denn somit stressen wir unser Kind und letztendlich uns selbst!
Ein toller Bericht!?
Hallo Silke,
wunderbar auf den Punkt gebracht!
Nach dem Gebärden, setzte bei uns, mit etwa 5 Jahren, die Lautsprache ein.
Einer seiner wunderbarsten Sätze damals war:
„to piele woapa“…
Mittlerweile ist er 16, lernt programmieren und übersieht keinen Fehler. :-)
Glg
susanne