Interview mit Meike Miller: „Die SI-Therapie erklärt die Zusammenhänge zwischen sensorischen Reizen und einem erhöhten Stressniveau“

veröffentlicht im Mai 2020


In meiner täglichen Arbeit, beim Bloggen, Bücher schreiben, Kurse konzipieren und beim Elterncoaching weise ich immer wieder darauf hin, dass die Wahrnehmung die Grundlage für alles Weitere ist. Wenn man das verinnerlicht hat, eröffnen sich viele neue Lösungsstrategien.
Das Interview mit der Ergotherapeutin Meike Miller war deshalb eine große Freude, da sie viele Erfahrungen, die ich auch mit meinem eigenen Sohn mache, mit ihrer Fachkompetenz erklärt, hervorhebt und unterstreicht.

Quelle: pixabay, User Counselling

Liebe Frau Miller, Sie arbeiten als Autismus-Coachin und Ergotherapeutin. Wie unterscheiden sich diese beiden Tätigkeitsfelder?

Ergotherapie

Als Ergotherapeutin arbeite ich mit Autistinnen und Autisten jedes Alters. Zu Beginn steht die Anamnese. So erfahre ich, was im Alltag aktuell Schwierigkeiten bereitet und wie die bisherige Entwicklung verlaufen ist.
Einen wichtigen Baustein bilden Fragebögen wie der SP-2 (Sensory Profile 2), den mir Eltern und ggf. Pädagogen ausfüllen. So erhalte ich einen Überblick über Wahrnehmungsüber- und Wahrnehmungsunterempfindlichkeiten
Weiterhin werden besondere Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung stehen, aufgedeckt. Zuletzt wird anhand der Daten der „Unterstützungsbedarf“, z.B. in Form eines Schulbegleiters ermittelt.

©Meike Miller

In der Arbeit mit Kindern berate ich die Eltern sehr viel. So erläutere ich ihnen die Zusammenhänge von überempfindlicher Wahrnehmung, erhöhtem Erregungszustand und besonderen Verhaltensweisen. Oft bringt es die erste Erleichterung, wenn Eltern verstehen, warum ihre Kinder in bestimmten Situationen z.T. so massiv reagieren.
Im nächsten Schritt erarbeite ich mit den Eltern individuell passende Strategien, wie überempfindliche Sinnessysteme im Alltag geschont (sensorische Diät) und Überempfindlichkeiten in bestimmten Situationen reduziert (Hemmung) werden können. 
Oft ist diese beratende Arbeit der wichtigste Schritt: Eltern lernen, den Alltag so zu gestalten, dass für ihr autistisches Kind möglichst wenig Stress-Peaks entstehen. Reizüberflutungen und damit Wutanfälle und Panikattacken können so vermieden oder zumindest vermindert werden und der Alltag wird spürbar entspannter.

Neben der Elternberatung arbeite ich mit den Kindern auch ganz klassisch ergotherapeutisch im Turnraum oder der Werkstatt. Hier liegt mein Augenmerk insbesondere auf dem „Aktivierungsniveau“ der Kinder. Ich verhelfe ihnen durch den Einsatz verschiedener Medien in einen wachen aber entspannten Zustand zu gelangen, in dem sie sich voll und ganz einer Sache widmen können und maximal leistungsfähig sind. Häufig erkennen Kinder in diesen Situationen erstmals ihr Potential, also wozu sie eigentlich in der Lage sind. Das Ziel ist, mit ihnen Strategien zu entwickeln, die sie auch jenseits der Therapie nutzen können, um selbständig wieder in diesen Zustand zu gelangen. Die erlebte Selbstwirksamkeit führt gleichzeitig zu mehr Selbstvertrauen.

Auch bei erwachsenen Klienten geht es häufig zunächst um die Identifikation besonderer Wahrnehmung. Oft entdecken meine Klienten Sinneswahrnehmungen im Bereich der Überempfindlichkeit. Ich helfe ihnen zu verstehen, wie sich diese Überempfindlichkeiten auf ihr Stresslevel auswirken und bis zum Kontrollverlust (Reizüberflutung) führen können. Gemeinsam entwickeln wir individuelle Lösungen, wie eine Wohnraumanpassung oder Veränderungen der Tagesstruktur, die zu einer Entlastung im Alltag führen können.

Weiterhin unterstütze ich meine erwachsenen Klienten bei alltagspraktischen Dingen: „Wie und wie häufig putze ich meine Wohnung/ mein Zimmer? Wie wechsele ich eine erloschene Glühbirne? Wie schaffe ich es, einkaufen zu gehen, ohne einer Reizüberflutung zu erliegen? Wie ernähre ich mich gesund? Wie (lange) lagere ich Lebensmittel? Wie schaffe ich es, einen Arztbesuch wahrzunehmen? Etc.“

Als Ergotherapeutin kann ich hier ganz konkret Hilfestellung geben.
Neben der gemeinsamen Erarbeitung von Plänen (Putzplan, Essensplan, Einkaufsliste, etc.) kann ich mit meinen Klienten Putzutensilien ausprobieren, gemeinsam kochen, sie zu einem Termin begleiten, die Nutzung von Bus und Bahn gemeinsam erproben oder mit ihnen einkaufen gehen. Diese ganz praktische Unterstützung ist häufig hilfreich, um Ängste abzubauen und Sicherheit zu gewinnen.

Das Autismus-Coaching

Im Coaching geht es um aktuelle Probleme (z.B. im beruflichen Umfeld oder in der Ausbildung meiner Klienten). Insbesondere unterstütze ich die Selbstreflexion meiner Klienten, um die Ursachen der Probleme zu erkennen. Ich helfe ihnen dabei, ihre Optionen zu erweitern also Handlungsalternativen zu entwickeln und abzuwägen, welche Ziele individuell und situativ passend und stimmig sind. Das Coaching verhilft meinen Klienten längerfristig, Probleme eigenständig zu lösen, ihr Verhalten und ihre Einstellungen weiterzuentwickeln und ihre Ziele zu erreichen.
Einen wichtigen Baustein im Coaching bildet die Visualisierung z.B. vieler unterschiedlicher anstehender Aufgaben. Sie hilft dabei, Dinge klarer zu sehen, eine gute Struktur zu entwickeln und eine sinnvolle Priorisierung zu finden.

Coaching, wie ich es verstehe, ist also auch eine Haltung: Ich bin überzeugt, dass meine Klienten die besten Lösungen selbst entwickeln können.

Wie kamen Sie dazu, sich intensiver mit dem Thema Autismus zu beschäftigen? Gibt es einen persönlichen Hintergrund?

Meine erste Begegnung mit Autismus hatte ich als Jugendliche als ich eine Reportage über Temple Grandin sah. Ich war sehr fasziniert von ihrem besonderen Blick auf die Welt und ihren besonderen Bedürfnissen. Da auch ich taktil etwas überempfindlich bin, konnte ich gut den Sinn und Wert ihrer „squeeze-machine“ nachvollziehen. Später begegnete mir dann der Einsatz von Tiefdruck in der Ausbildung zur SI-Therapeutin und der Kreis schloss sich.
Als dann Frau Dr. Preißmann als meine erste erwachsene Klientin zu mir kam, war ich gespannt, in wieweit sich SI-Therapie auch für Erwachsene als hilfreich erweisen würde. Glücklicherweise hatte ich eine experimentierfreudige Klientin vor mir und so konnten wir gemeinsam Vieles erreichen, was ich mittlerweile in der Arbeit mit erwachsenen Autisten etabliert habe.
Mittlerweile geben wir viele gemeinsame Fortbildungen zum Thema und letztlich ermutigte mich Frau Dr. Preißmann, ein eigenes Buch über die Möglichkeiten der Ergotherapie bei Autismus zu schreiben.

Der Schwerpunkt Ihrer Arbeit mit Autistinnen und Autisten liegt auf der „Sensorischen Integrationstherapie“. Können Sie bitte kurz erklären, wie man sich diese Therapie vorstellen kann?

Die SI-Therapie wurde zunächst für Kinder mit Entwicklungsstörungen entwickelt. Jean Ayres, die Begründerin der Therapieform, beschrieb, dass objektiv unangemessenes Handeln oder Verhalten häufig auf einer veränderten Wahrnehmung beruht. Vereinfacht gesagt: Wenn mir die Berührung meines Spielkameraden Schmerzen bereitet, so ist meine subjektiv passende Reaktion darauf, mich zu wehren oder die Flucht zu ergreifen.
Wer die Wahrnehmungsbesonderheiten von Autisten versteht, begreift also auch, warum sie in bestimmten Situationen massive Reaktionen zeigen!

Eine Erklärung für Verhaltensbesonderheiten zu erhalten, führt immer wieder zu großer Erleichterung: bei Eltern aber auch bei Autisten selbst. Viele meiner erwachsenen Klienten registrieren zwar ein sehr hohes Stressniveau bei sich, ahnen aber oft nicht, dass dies in direktem Zusammenhang mit ihrer sensorischen Wahrnehmung steht. Diese Erkenntnis wirkt oft sehr entlastend. Zumal die SI-Therapie weit mehr bietet als nur Erklärungsmodelle. So können Autisten und Angehörige lernen, was sie tun können, um sensorische Überlastung zu vermeiden. Das Stressniveau sinkt und Autisten werden ausgeglichener, was sie häufig mit einem Zugewinn an Lebensqualität gleichsetzen. Selbst etwas tun zu können, setzt zusätzlich ein Gefühl der Selbstwirksamkeit dem bisherigen Gefühl des ausgeliefert-Seins entgegen.

Wenn einmal das Prinzip verstanden wurde, sind die Strategien für den Alltag oft ganz einfach. Es lohnt sich gleichermaßen für Autisten, Angehörige, Pädagogen, Psychologen und viele mehr, auf die empfindlichen Sinnessysteme von Autisten Rücksicht zu nehmen. Das Stressniveau wird gesenkt und die Leistungsfähigkeit erhöht. Letztlich erleben alle Beteiligten eine Verbesserung der Situation.

Wie gehen Sie damit um, wenn sich Autistinnen und Autisten nicht gerne berühren lassen? Ist eine Therapie dann trotzdem möglich?

Mit meinen erwachsenen Klienten bespreche ich stets zu Beginn der Therapie, wie wir das Thema „Händeschütteln“ handhaben wollen. Während manche Klienten äußern, dass das für sie zu einer Begrüßung dazu gehört, sind andere dankbar über die Nachfrage und verzichten lieber darauf.
Meinen autistischen Therapie-Kindern vermittle ich direkt zu Beginn, dass sie ein „absolutes Veto-Recht“ in der Therapie haben. Im Zusammenhang mit den Wahrnehmungsüberempfindlichkeiten steht ja häufig das Bedürfnis nach Sicherheit (das zweite Grundbedürfnis nach Maslow). Sicherheit verspüren wir, wenn wir das Gefühl von „Kontrolle“ über eine Situation haben (das Gegenteil wäre der Kontrollverlust).

Damit meine Therapie-Kinder sich sicher fühlen, gehe ich wie folgt vor:

  • Vorhersehbarkeit: Ich plane (zunächst) mit den Kindern gemeinsam, was in den Stunden passieren wird. Häufig besprechen wir am Ende einer Stunde, was wir in der nächsten Einheit tun werden, so dass sie nicht „überrascht“ werden
  • Sicherheit der Sinnessysteme: Ich fasse autistische Kinder grundsätzlich nicht an. Dieses Verhalten erforderte anfangs viel Disziplin. Denn wir nutzen flüchtige Berührungen im zwischenmenschlichen Kontakt ja auch zur Festigung von Beziehungen.
    Darüber hinaus, erkläre ich den Kindern sogar jegliche Annäherung, noch bevor ich mich in Bewegung setze, z.B. sage ich „Ich schließe mal eben das Fenster hinter dir.“ und stehe dann erst auf. Ich erreiche dadurch, dass sich das Kind „sicher“ fühlt und sein Erregungs- bzw. Stressniveau in einem adäquaten Bereich bleibt.
    Langfristig führt dieses Verhalten manchmal zu Überraschungen. So bat mich nach etwa zweijähriger Therapie ein taktil hoch-empfindliches Mädchen, gemeinsam mit ihm in einer kleinen schaumgefüllten Schüssel nach Kugeln zu suchen. Hierbei kam es natürlich unweigerlich zu Berührungen. Da aber das Mädchen die Kontrolle behielt (es hatte selbst die Entscheidung getroffen, dass ich meine Hand zu der ihren in den Behälter stecken sollte), konnte es diese Berührung gut tolerieren und hatte Spaß am gemeinsamen Tun.

Die meisten Eltern wünschen sich für ihre Kinder eine möglichst gute Lebensqualität und ein glückliches Leben. Gibt es weitere Wünsche, die an Sie herangetragen werden und wann ist eine Therapie aus Ihrer Sicht erfolgreich?

Auch die Eltern meiner autistischen Therapie-Kinder wünschen sich für Ihre Kinder ein glückliches Leben. Manchmal ist es jedoch schwer zu verstehen, dass das „glückliche Leben“ eines autistischen Kindes womöglich anders aussieht, als das anderer Kinder, da es ganz andere Bedürfnisse hat.

Für mich als Therapeutin liegt das Augenmerk auf zwei Dingen:

  • Individuelle Bedürfnisse des Kindes
    Ist das Kind in der Lage, Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst oder den Wunsch nach Unterstützung selbst wahrzunehmen? Und ist es im nächsten Schritt dazu in der Lage, seine Bedürfnisse zu befriedigen oder sich entsprechend Hilfe zu holen?
  • Erregungsniveau
    Bei welchen Betätigungen wirkt das Kind zufrieden und ausgeglichen? Wann arbeitet es interessiert, fokussiert und ausdauernd? Manchmal sind das Betätigungen im sensorischen Bereich (Graben in Materialwannen, Schüttspiele, Erzeugen von Geräuschen, Sortieren von Gegenständen, etc.), die man eher bei jüngeren Kindern erwarten würde. Jedoch dienen diese Tätigkeiten den Kindern, in einen guten Erregungszustand zu gelangen. Dies ist letztlich die Grundlage für gutes Lernen.

Erfolgreich ist eine Therapie für mich, wenn ein Kind seine Bedürfnisse erkennt und danach handelt und wenn es selbst und/oder seine Bezugspersonen verstehen, welchen positiven oder auch negativen Einfluss Sinnesreize auf das Stresslevel haben und wenn alltagstaugliche Strategien erlernt sind, um in ein gutes Erregungsniveau zu gelangen.

Häufig ist es für Eltern ein wichtiger Schlüssel zu verstehen, warum sich das eigene autistische Kind verhält, wie es sich verhält. Machen Sie auch die Erfahrung, dass das ein wichtiger Baustein in der Begleitung von Familien ist?

Wahrscheinlich ist das der wichtigste Baustein in der Begleitung von Familien. Wer versteht, warum sein Kind sich besonders verhält, reagiert verständnisvoll. Häufig führt das Verstehen auch zu Erleichterung: Eltern begreifen, dass sie nichts falsch machen, sondern ihr Kind einfach von den Sinnesreizen übermannt wird. Auch kann man erst „helfen“, wenn man versteht. Wer weiß, dass seinem Kind plötzliche Planänderungen schwerfallen, kann also z.B. Veränderungen des Tagesablaufs frühzeitig ankündigen.
Auch meinen erwachsenen Klienten hilft das Verstehen der Wahrnehmungszusammenhänge: Oft erhalten sie erstmals eine Erklärung für ihr „besonderes“ Verhalten (z.B. warum trage ich nur enge Kleidung? Warum trage ich auch bei diesigem Wetter Sonnenbrille? Etc.). Auch bei ihnen führt das Verstehen zur Entlastung.

Was schätzen Sie besonders an Ihren autistischen Klientinnen und Klienten?

Meine autistischen Klienten sind zunächst einmal allesamt sehr sympathische Zeitgenossen! :-)
Sie sind „echt“ und versuchen nicht, sich in einem besonders guten Licht darzustellen. Keiner meiner Klienten kennt Egoismus oder Arroganz, wenngleich einige von ihnen überdurchschnittlich intelligent sind und schon tolle Sachen erreicht haben. Viele meiner Klienten sind sehr sensible Zeitgenossen und machen sich viele Gedanken darüber, wie sie sich verhalten können, um andere nicht vor den Kopf zu stoßen – und das, wo ihnen andere oft das Leben schwer machen.
Weiterhin schätze ich ihre Sachbezogenheit. Man kann über jedes noch so prekäre Thema sprechen (z.B. Hygiene) ohne dass mit einer empfindlichen Reaktion zu rechnen ist. Zuletzt sei gesagt, dass ich den (z.T. schrägen) Humor meiner Klienten sehr schätze. Ja, es darf auch gemeinsam gelacht werden! ;-)

Was ist Ihnen sonst noch wichtig zu sagen?

Mein Eindruck ist, dass „Anderssein“ oft dann akzeptiert wird, wenn es verstanden wird. Wer versteht, begegnet offener und ist eher bereit, Rücksicht zu nehmen.
Daher bin ich davon überzeugt, dass Autistinnen und Autisten gesellschaftlich davon profitieren werden, wenn ihr Umfeld besser versteht, dass z.B. ihre z.T. seltsam anmutenden Verhaltensweisen in aller Regel dem Selbstschutz dienen.
Die Motivation mein Buch zu schreiben, entstammte nicht zuletzt dem Wunsch, ein wenig zu dieser Aufklärung beizutragen.

Kann man Sie bei Fragen kontaktieren?

Website von Meike Miller
Oder gerne per Mail

Vielen herzlichen Dank für dieses Interview. Oftmals braucht es die Offenheit für neue Erfahrungen und Erkenntnisse, gerade bei Bezugspersonen, um die Lebensqualität für alle Beteiligten zu verbessern.
Ich bin sicher, dass Sie dazu ein großes Stück Aufklärungsarbeit beitragen.

Rezension zu Meike Millers Buch: „Ergotherapie bei Autismus: Förderung durch Sensorische Integrationstherapie“

Verlag: Kohlhammer
Rezension von Silke Bauerfeind, www.ellasblog.de

©Meike Miller, Verlag Kohlhammer

Um es vorweg zu nehmen:  Meike Millers Buch über die Sensorische Integrationstherapie ist eines der lohnendsten und hilfreichsten Bücher, das ich bisher zum Thema Autismus lesen durfte.

Die Autorin erklärt fachlich kompetent, ausführlich und anschaulich, wie wichtig der Bereich der Wahrnehmung im Kontext Autismus ist. Die veränderte Wahrnehmung bei Autistinnen und Autisten als Grundlage für ungewohntes Verhalten, auffällige Motorik und das häufige Phänomen der Reizüberflutung wird sehr deutlich.
Dabei wird auch klar, wie hilfreich das Wissen um diese Zusammenhänge für das Verständnis von Eltern sowie Bezugspersonen und das Selbstverständnis von autistischen Kindern und Erwachsenen ist. Zu wissen, warum manches Verhalten auftritt, warum vieles schwieriger ist, als für andere oder warum einiges länger dauert und mehr Vorbereitung bedarf, führt dazu, dass alle Beteiligten konstruktiv und lösungsorientiert an Problemstellungen herangehen können.
Ausführlich erklärt die Autorin, wie wichtig es ist, einer Reizüberflutung so weit wie möglich vorzubeugen. So legt sie auch dar, dass alle Beteiligten davon profitieren, wenn Rahmenbedingungen entsprechend überdacht und angepasst werden.

Die Sensorische Integrationstherapie kann insbesondere die motorische Koordination, die Auge-Hand-Koordination, das Aktivierungsniveau, die Konzentrationsfähigkeit, Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie sprachliche und kommunikative Fähigkeiten verbessern und bei Handlungsplanung, Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen unterstützen.
Die Prinzipien Hemmung und Sensorische Diät werden ausführlich erklärt, beschrieben und in den alltäglichen Kontext übertragen. Nachvollziehbare Beispiele ziehen sich durch das ganze Buch, sind alltagsnah und handlungsorientiert, so dass es einige Aha-Effekte bei Leserinnen und Lesern geben wird, die ihren Alltag mit autistischen Angehörigen (um)gestalten möchten.

Auch Autistinnen und Autisten werden viele lösungsorientierte Ansätze finden, die sie direkt in ihrem Alltag umsetzen können und die helfen werden, Potenzial abzurufen, das häufig wegen ungünstiger Rahmenbedingungen nicht verfügbar ist.
Die Autorin beschreibt Lösungsansätze äußerst wertschätzend und empathisch und zeugt dabei von einem großen Erfahrungs- und Ideenschatz.

Meike Millers Buch und der Einblick in ihre Arbeit ist therapeutische und praktische Hilfe für jede denkbare alltägliche Situation und verschiedene Lebensbereiche in einem. Das vermittelte Verständnis für autistisches Verhalten und vielseitige, praktische Hilfestellung machen das Buch so besonders. Dabei zieht sie keine pauschalen Lösungen aus der Schublade, sondern macht sichtbar, wie wichtig die Individualität und der persönliche Unterstützungsbedarf des Einzelnen sind.

Im Umgang mit autistischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen wird das Buch vielen Familien, Therapeuten, Pädagogen, Ärzten, Mitarbeitern in Einrichtungen und weiteren Bezugspersonen sicherlich eine große Hilfe sein.

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