Wie wird dein Kind später wohnen? Im Heim oder in einer selbstbestimmten Wohnform?

veröffentlicht im Februar 2023


Manche AutistInnen können alleine wohnen, andere brauchen dafür zeitweilige bzw. sporadische Assistenz, einige brauchen dauerhafte Begleitung und wiederum andere benötigen Rundumpflege und Begleitung in allen Angelegenheiten.
Die Frage nach der Wohnlösung für die Zukunft bereitet den meisten Familien große Sorge. Viele Möglichkeiten gibt es in den meisten Regionen nicht und häufig sind die Angebote nicht derart, wie sie der eigene Angehörige aufgrund seiner besonderen Bedürfnisse brauchen würde.

Neulich las ich in einer Veröffentlichung mal wieder darüber, dass individuelle Lösungen für Wohnen über das Persönliche Budget nur für „leichter betroffene AutistInnen“ sinnvoll sei. Es käme dann einige Male pro Woche jemand vorbei und würde schauen, ob alles in Ordnung ist.
Mich ärgerte das, weil es einfach nicht richtig ist und nicht nur unsere Geschichte mit Niklas das Gegenteil beweist – individuelles Wohnen über das Persönliche Budget kann unabhängig von der Höhe des Pflegegrads klappen.

Bildquelle: pixabay, User Prawny, vielen Dank!

Eine Wohnlösung im Heim kann klappen, ist aber nicht für alle geeignet

Über meine Arbeit mit Ellas Blog und ehrenamtlich im Verein wird mir immer wieder zugetragen, dass Eltern meistens nur zwei Optionen aufgezeigt bekommen: „Ihr autistisches Kind kann in ein Heim ziehen oder Sie versorgen es eben weiterhin zuhause, solange Sie können.“
Kein Wunder, dass das zu großer Verzweiflung führt, denn beide Optionen sind für viele undenkbar.
Der Umzug in ein Heim bedeutet zwar ein Rundumpaket an Leistungen, aber auch Abhängigkeit von den Gepflogenheiten vor Ort, viel Fremdbestimmung und meistens Reizüberflutung, weil es weitere BewohnerInnen mit Bedürfnissen und Eigenheiten gibt und natürlich Regeln existieren und Rücksicht genommen werden muss. Viele Eltern haben Bauchschmerzen bei diesem Schritt, hoffen aber auch aus Mangel an Alternativen, dass es trotz allem gut klappen wird.

Und bei vielen klappt es auch, ich möchte hier auf keinen Fall jegliche Entscheidung für ein Heim schlecht reden, denn es gibt wunderbare Projekte, die sich ganz hervorragend auf die Bedürfnisse ihrer BewohnerInnen einstellen und es ein tolles und wertschätzendes Miteinandern ist.

Aber ich möchte hier nicht totschweigen, dass es oft eben auch nicht gut läuft.
Häufig zeigt sich das der Erfahrung nach erst nach mehreren Monaten bis ein paar Jahren, wenn sich die Situation so zugespitzt hat, dass ein Kompensieren und Anpassen nicht mehr möglich ist und die Heimunterbringung beendet werden muss. Es kann nicht mehr mit Anfangsschwierigkeiten erklärt werden, was nicht klappt, und häufig wird angeführt, dass es das Gruppengefüge belasten würde und dass man ja auch an die anderen BewohnerInnen denken müsse. Die Lösung: der Heimplatz wird von Seiten des Trägers gekündigt.
Und was jetzt?

Was passiert, wenn das Heim sich als nicht geeignet herausstellt?

Dann stehen die Familien wieder vor der Frage, vor der sie bereits einige Monate oder Jahre zuvor standen: Wohin? Wer kann sich wertschätzend um mein Kind kümmern?
Inzwischen sind die Eltern älter geworden und womöglich noch weniger in der Lage, die Unterstützungsleistung aufzubringen.

Nochmal: Es gibt natürlich viele Beispiele, bei denen es gut klappt und das freut mich sehr. Aber kaum jemand spricht über diejenigen, wo es eben nicht klappt. Und diese Schicksale häufen sich leider, nicht zuletzt auch weil viele Einrichtungen auch wegen des Fach- und Arbeitskräftemangels vieles nicht mehr leisten können.
Neulich nannte das mal jemand „Scheiterkarrieren“ (schreckliches Wort) und meinte genau diejenigen erwachsenen Autistinnen und Autisten, für die es dann keinen Platz mehr gibt.

Dazu möchte ich Alternativen aufzeigen, für die es mit dem Bundesteilhabegesetz einen rechtlichen Rahmen gibt. Darüber wird nur leider ganz selten aufgeklärt, weil es zu aufwändig und nicht realisierbar sei. Klar bedeutet es einen gewissen Aufwand, etwas eigenes auf die Beine zu stellen, aber sind wir mal ehrlich – im Grunde müssen wir uns immer kümmern – egal, wo die Reise hingeht.

Ich hoffe, euch mit vielen weiteren Informationen, die folgen werden, den Schrecken nehmen zu können und aus der angeblichen Alternativlosigkeit – Heim oder Zuhause bis es nicht mehr geht – herauszukommen.

Unser Weg mit Niklas

Ursprünglich hatten auch wir geplant, dass Niklas in ein Wohnprojekt für Autistinnen und Autisten einzieht. Wir haben dieses Projekt gemeinsam mit einem tollen Träger sogar mit geplant und konzipiert und damit bereits fünf Jahre vor Niklas` Schulende vorausschauend begonnen.
Das Projekt ist inzwischen fertig gestellt und die BewohnerInnen sind eingezogen, Niklas allerdings nicht.

Wie es für ihn und uns weiterging, lest gerne in Kürze – ich werde dazu weitere Beiträge schreiben.

HIER geht`s zur Seite unseres Wohnprojekts, falls du schon mal gucken magst

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Ich danke dir für diesen Beitrag. Er spiegelt unsere Erfahrungen wider.
    Naiv wie wir waren, dachten wir, dass nach der Schulzeit jemand kommt und uns sagt: hier ist ein Wohnheimplatz für euren Sohn, hier wird es ihm super gehen und an nichts fehlen.
    Dem war nicht so. Als wir endlich begriffen hatten, dass wir uns selbst kümmern müssen, ging der Spießroutenlauf los und wir suchen jahrelang, standen auf Wartelisten, um dann nach dem Einzug unserer Sohnes nach einigen Monaten gesagt zu bekommen, dass wir ihn wieder nach Hause holen sollen. Passt nicht in die Gruppe, die anderen müssten unter seinen Zwängen leiden.
    Jetzt haben wir ihn zuhause und wollen etwas eigenes aufbauen. Ich war letztes Jahr in deinem Seminar, Silke, und habe schon so viel mitgenommen. Wenn der Kurs dann da ist, dann werde ich den auch nutzen, das weiß ich jetzt schon. Danke für deine Arbeit.

  2. Hallo,
    Ich wollte es lange nicht wahr haben. Aber so ist es.
    Unsere Kinder sind nur auf Bewährung in einer Einrichtung. Und die Bewährung dauert ewig. Man muss immer darauf gefasst sein, dass jemand anruft und sagt: holen Sie ihr Kind.
    So geht das nicht weiter. Lebensqualität auf allen Seiten leidet und das ist unwürdig, unwürdig vor allem für unsere Kinder.
    Ich bin gespannt auf deinen weiteren Input. Unglaublich, was ihr selbst schon auf die Beine gestellt habt.
    Thomas

  3. Bei uns läuft es ganz gut im Wohnheim.
    Aber es hat sich verändert und ich frage mich, wie lange es noch klappt. Das Personal wird knapp. Unsere Kinder werden oft nur noch verwahrt.
    Wie gesagt, noch, ist es in Ordnung, aber ich werde sehr genau beobachten, wie es sich entwickelt.
    Mehr Selbstbestimmung wäre klasse. Ich lese hier weiter mit.
    Dani

  4. Wir sind solche Eltern, die verzweifelt sind. Sind nicht mal rausgeflogen aus einer Einrichtung, sondern finden seit vier Jahren keine, stehen deutschlandweit auf Wartelisten.
    Wir werden nun etwas eigenes aufbauen. Es raten uns zwar alle ab, aber was ist denn sonst möglich? Nichts? Ich werde nicht hier sitzen und nichts tun, sondern hoffentlich mit Hilfe deines Kurses wissen, wie das Projekt anzugehen ist.
    Danke, dass du so ehrlich schreibst und uns nichts vormachst. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jeder hören möchte, aber so ist es nun mal. Das sieht nur keiner.
    Sissi

  5. Meine Tochter ist Asperger-Autistin und auch sie weiß nicht, wie sie später mal wohnen soll.
    Wir haben zwar kein herausforderndes Verhalten und auch keinen Pflegeaufwand, aber die Möglichkeiten, die uns vorgeschlagen werden, sind alles andere als selbstbestimmt.
    Danke für deine Hinweise.

  6. Alle raten einem immer ab, etwas eigenes aufzubauen. Aber nun fühle ich mich endlich bestärkt durch diesen Bericht. Wir können das und wir werden uns mit anderen zusammentun. Ich bin zuversichtlich.
    Danke.

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