Eine Autistin erzählt: Wie es war, Niklas kennenzulernen

veröffentlicht im November 2018


Vor einiger Zeit besuchte uns eine Autistin, die Niklas bisher nur aus Erzählungen kannte. Sie war sehr aufgeregt, weil sie als hochfunktionale Autistin bisher keinen Kontakt zu nichtsprechenden Autisten mit hohem Unterstützungsbedarf wie Niklas hatte. Gerne lässt sie uns an ihren Gedanken zu diesem Treffen teilhaben.

Gastbeitrag von Jinny (Name geändert):

Sonst bin ich nicht aufgeregt, wenn ich andere Autistinnen und Autisten treffe, vor der Begegnung mit Niklas klopfte mir das Herz aber schon sehr.
Ich hatte bisher keinen Kontakt zu Autisten wie ihm und ich hoffte sehr, dass wir uns mögen würden und er mich nicht gleich wieder rausschmeißt. Durch Silkes Erzählungen, Bogbeiträge und Bücher weiß ich, dass das durchaus passieren kann, wenn er jemanden nicht „riechen“ kann.

Die Neugier siegte und ich denke, dass gerade wir hochfunktionalen AutistInnen uns darüber schlau machen sollten, was Autismus mit hohem Betreuungsbedarf bedeutet. Und zwar für den Autisten selbst und auch für die Familie.

Niklas lernte ich als sehr offenen jungen Mann kennen. Er gebärdete etwas, das ich nicht gleich verstand, aber er gebärdete einfach weiter. Silke erklärte mir, dass das ein gutes Zeichen ist, dass er gleich anfängt mit mir zu „quatschen“. Ich merkte dann auch schnell, dass es gar nicht darauf ankommt, dass ich alles verstehe, sondern darauf, dass ich Interesse für seine Kommunikation zeigte.
Das ist ja genauso wie bei mir. Ich spreche auch manchmal mit Menschen und habe das Gefühl, dass sie mich nicht verstehen. Wenn ich dann aber bemerke, dass sie nachfragen, wenn sie verunsichert sind, dann ist alles in Ordnung. Auf den guten Willen kommt es an.

Niklas im Wohnzimmer auf seinem Kreiselstuhl
Niklas im Wohnzimmer auf seinem Kreiselstuhl

Niklas braucht wirklich viel Aufmerksamkeit und Betreuung, das habe ich in den beiden Stunden, die ich ihn besuchen durfte, gemerkt. Das ist kein Vergleich zu dem, was meine Herausforderungen im Leben sind. Ich möchte aber auch sagen, dass es eben etwas anderes ist, nicht mehr oder weniger, schlimmer oder besser. Es ist aber etwas, das mir bisher nicht bewusst war und was ich mir so nicht vorstellen konnte. Autismus war für mich immer das, wie ich ihn erlebe. Das, was Niklas erlebt, ist etwas anderes, möchte ich behaupten, auch wenn es gerade im Bereich der Wahrnehmung bestimmt große Schnittmengen gibt.

Er ist sehr geräuschempfindlich habe ich gemerkt und das bin ich auch.
Er ist impulsiv und das bin ich auch, allerdings habe ich mich bei Niklas ein paar Mal erschreckt, weil ich seine Impulsivität noch nicht kannte.
Und er hat einen super Humor, den habe ich auch.
Ich mag ihn und ich hoffe, dass er mich auch mag. Silke meinte, das sei der Fall, sonst hätte er mir schon gleich wieder meine Jacke gebracht, damit ich gehe. Und hinterher hat er wohl gebärdet, dass der Besuch „cool“ war.

Die Begegnung mit Niklas hat mir gezeigt, wie unmittelbar er agiert und wie unangepasst er ist. Das ist noch schonungsloser als wir Autisten es ohnehin sind. Aber er ist auch unglaublich ehrlich. Man muss sich wohl nie die Frage stellen, ob er etwas vortäuscht. Ich muss gestehen, dass ich das schon hin und wieder kann und AutistInnen kenne, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.

Mit Niklas zusammen zu sein, ist ein intensives Erlebnis und ich frage mich, wie man das täglich schaffen kann. Das meine ich nicht böse, sondern eher anerkennend, was Eltern und Bezugspersonen betrifft. Wahrscheinlich kann man das, weil er auch so viel zu geben hat, das Gefühl hatte ich jedenfalls. Ein toller junger Mann!
Ich bin sehr dankbar um die Begegnung, weil sie mir gezeigt hat, dass das Autismus-Spektrum noch vielfältiger ist, als ich angenommen hatte, weil es mir gezeigt hat, dass es Autisten gibt, die auf ihre Eltern und Bezugspersonen angewiesen sind und eine besondere Lern- und Lebensumgebung brauchen.

Ich finde es umso mehr klasse, dass ich faszinierende Gemeinsamkeiten zwischen mir und Niklas entdecken konnte.

***

Zum Weiterlesen:

Nach Besuchen bei Niklas fühle ich mich geerdet.

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  1. Das ist ein guter Beitrag. Wir brauchen mehr Begenung und weniger Auseinander Dividieren. Das macht für mich immer wieder die hohe Qualität dieses Blogs aus Ella! Weiter so;-)

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