Wenn Lachen Brücken baut: Humor im Alltag mit autistischen Kindern und Erwachsenen

veröffentlicht im Mai 2024


Viele Eltern und auch Bezugspersonen fühlen sich oft gar nicht danach, die täglichen Herausforderungen mit Humor zu nehmen, und empfinden solche Vorschläge als bloße Augenwischerei. Wer steckt schon in unserer Haut, um zu beurteilen, wie unser Tag wirklich aussieht? An manchen Tagen ist der Gedanke, dass man alles mit einem Lächeln nehmen soll, das Letzte, was man hören möchte. Und ganz ehrlich, nicht jeder ist in der Position, uns zu raten, wir sollten doch alles mit mehr Humor nehmen.
Und selbstverständlich gibt es auch Gegebenheiten, die man alles andere als humorvoll nehmen kann, wenn es z.B. um eine ernsthafte Erkrankung geht.

Was ist also mit dem Titel zu diesem Beitrag gemeint?

©Quelle: pixabay, User geralt, Inhaltslizenz, vielen Dank!

Zwischen Herausforderung und Heiterkeit im Alltag

Manchmal, da verlangt das Leben von uns, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten – einem Blickwinkel, der offen ist für das Schöne und das Humorvolle in Situationen, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so erscheinen.
Unsere Kinder, wie mein Sohn Niklas, zeigen uns manchmal genau das, ohne dass wir als Bezugspersonen sofort ihren Humor verstehen oder die Heiterkeit in ihrem Verhalten erkennen. Es stimmt, manche Momente sind und bleiben eine Herausforderung, die unser ganzes Fassungsvermögen fordern. Aber es auch nur hin und wieder mit mehr Leichtigkeit zu versuchen, kann Wunder wirken. Und ich schreibe das, obwohl ich darin überhaupt nicht gut bin und mich selbst allzu oft daran erinnern muss.

Niklas hat mit seinem speziellen Sinn für Humor schon viele Herzen gewonnen. Und das, obwohl es oft alles andere als einfach ist, seinen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen und gerecht zu werden. In diesem Beitrag möchte ich darüber sprechen, wie wichtig und heilsam es sein kann, sich diesem Humor zu öffnen und ihn als bereichernden Teil unseres Lebens zu begreifen.

Humor als Brücke zur Kommunikation

Bestimmt habt ihr schon einmal erlebt, wie ein kleiner Scherz oder ein herzhaftes Lachen eine angespannte Atmosphäre im Nu auflockern kann? Gerade im Alltag mit einem autistischen Kind bzw. autistischen Angehörigen, wo Kommunikationsbarrieren manchmal überwältigend sein können, erweist sich Humor oft als ein unschätzbar wertvolles Werkzeug.
Etwas leichter und humorvoller zu nehmen, hilft Barrieren zu überwinden – und zwar nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch in der Interaktion mit anderen Bezugspersonen.

Ein spontanes Lachen oder ein humorvoller Ausdruck kann dazu beitragen, dass sich alle entspannen und offener miteinander umgehen. Solche Momente ermöglichen eine neue Ebene, die auf anderen, eingefahrenen Wegen oft schwer zu erreichen ist. Zum Beispiel kann ein einfaches Spiel, bei dem ihr lustige Gesichter macht oder gemeinsam alberne Quatschlieder singt, oder euch nicht sprechend, sondern singend unterhaltet, die Kommunikation lockerer und schöner machen und von anderem ablenken oder auch Verhalten umlenken.

Humor kann auch sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, Beziehungen zu anderen wichtigen Personen im Leben eures Kindes zu stärken. Eine humorvolle Bemerkung kann beispielsweise eine Besprechung auflockern oder weniger steif erscheinen lassen. Denkt nur daran, wie ein gemeinsames Lachen das Eis brechen und eine positive Grundstimmung schaffen kann, die die Zusammenarbeit erleichtert.

Aber wie genau könnt Ihr Humor täglich einsetzen?

Achtet auf die kleinen Dinge, die euer Kind amüsant findet – vielleicht das Geräusch einer quietschenden Tür, das Pupsen eines Hundes, das Verstecken von Gegenständen oder das Kichern über ein lustiges Bild. Und dann setzt es als wiederholtes Spiel ein, bei dem ihr absichtlich die Tür ein paar Mal quietschen lasst, oder den pupsenen Hund imitiert oder oder. Das kann zu einem lustigen Ritual werden, auf das sich euer Kind freut oder mit dem ihr aus schwierigen Situationen heraushelfen könnt.
Es geht darum, diese kleinen Freuden im Alltag zu erkennen und sie spielerisch zu nutzen, um die Stimmung zu heben, Verhalten umlenken zu können und eurem Kind (und auch euch selbst) zu zeigen, dass das Leben auch leicht und lustig sein kann.

Vergesst nicht, auch über euch selbst zu lachen. Wenn ihr mal wieder etwas verschüttet oder stolpert, lacht einfach darüber. Solche selbstironischen Momente zeigen eurem Kind, dass es völlig in Ordnung ist, nicht perfekt zu sein. Fehler und kleine Missgeschicke sind Teil des menschlichen Lebens und können mit einem Lächeln viel leichter genommen werden. Und ein bisschen harmlose Schadenfreude kann auch sehr witzig sein ;-)

Wie gemeinsames Lachen die Bindung stärkt

Wenn wir mit unseren Kindern lachen, passiert so viel mehr, als dass wir einfach nur Spaß haben. Jedes gemeinsame Lachen festigt und vertieft unsere Beziehung. Es ist, als würden wir bei jedem Lachen zusammen sagen: „Ich genieße deine Gesellschaft; du machst mein Leben heller.“ Diese Momente der unbeschwerten Freude sind kostbare Gelegenheiten, um zu zeigen, dass wir füreinander da sind, was gerade in schwierigen Zeiten unglaublich wertvoll ist. Indem wir diese fröhlichen Momente bewusst miteinander erleben, zeigen wir unseren Kindern, dass das Leben – trotz seiner Unvorhersehbarkeiten und manchmal gerade wegen ihnen – voller Momente der Freude ist.

Besonders im Alltag mit einem autistischen Kind, wo die täglichen Herausforderungen manchmal überwältigend sein können, bietet Humor uns die Chance für Leichtigkeit. Es erinnert uns daran, dass trotz der Herausforderungen auch Leichtigkeit und Freude existieren. Das Lachen lehrt uns, die Welt aus einer helleren Perspektive zu sehen, und vermittelt unseren Kindern, dass sie geliebt und wertgeschätzt sind, genau so, wie sie sind.

Humor als Werkzeug für Resilienz

Humor hat eine besondere Kraft, die uns hilft, selbst in den schwierigsten Zeiten standzuhalten. Wenn wir lernen, mit einem Lächeln auf Herausforderungen zu blicken, bauen wir eine innere Stärke auf, die weit über den Moment hinausgeht.
Indem wir humorvoll auf die kleinen und großen Stolpersteine des Lebens reagieren, zeigen wir unseren Kinder, dass Probleme zwar unvermeidlich sind, aber nicht unser ganzes Leben bestimmen müssen. Diese Fähigkeit, auch unter Druck noch das Komische in der Situation zu finden, entlastet und gibt uns die Gelassenheit, die wir brauchen, um durchzukommen.
Es ist wie eine sanfte Erinnerung an uns selbst und unsere Kinder, dass das Leben – trotz seiner Herausforderungen – auch Freude und Leichtigkeit bereithält. Humor wird somit nicht nur zu einem Werkzeug, um schwierige Momente zu überstehen, sondern zu einer Lebensweise, die uns und unsere Kinder stärker, widerstandsfähiger und zuversichtlicher macht.

Nur Mut für ein bisschen Heiterkeit

Mit diesem Beitrag möchte ich keinesfalls die Ernsthaftigkeit und die Schwere, die viele von uns im Alltag mit einem autistischen Kind erfahren, herunterspielen. Ich bin mir sehr bewusst, dass die Sorgen und Herausforderungen, die wir als Eltern und Bezugspersonen erleben, oft alles andere als leicht sind. Jedoch möchte ich ermutigen, auch hin und wieder die Möglichkeit zu erkennen, wo ein wenig Humor angebracht und möglich ist. Es geht nicht darum, die Realität zu verklären, sondern darum, die Momente, in denen wir durchatmen und lächeln können, zu nutzen und zu schätzen. Ein Lächeln oder ein gemeinsames Lachen kann manchmal genau das sein, was wir brauchen, um weiterzumachen.
Ich hoffe, dieser Beitrag inspiriert euch, ab und zu mit einem Augenzwinkern durch den Tag zu gehen, denn auch in herausfordernden Zeiten kann ein wenig Heiterkeit Wunder wirken.

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Liebe Silke,

    Das spricht mir total aus dem Herzen, mit Humor geht so vieles leichter und es entstehen wertvolle Momente miteinander.
    Danke dir für deine tolle Arbeit❤️

    Liebe Grüße Tamara

  2. Hallo Ella ich bin immer wieder völlig begeistert über Deinen Blog, Deine Infos und lebensnahen Beiträge und Beispiele. Vielen Dank dafür!!!
    Ich bin Inklusionsassistentin, seit 40 Jahren Erzieherin und begleite im 4. Jahr ein Mädchen im Regelkindergarten.
    Das Mädchen hat Pflegegrad 3, "schwerwiegenden" Autismus, verwendet keine verbale Sprache, kommuniziert inzwischen mit mir…..
    Ich mache mir ernsthafte Sorgen um die Eltern. Sie haben noch einen 10 jährigen Sohn, ebenfalls Autist.
    Außer Therapie im ATZ oder bei einer Logopädin erhalten die Kinder keine Unterstützung. Die Eltern stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Sie stehen völlig alleine da. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie.
    Das musste ich mal loswerden, bei einem Menschen der mich versteht und weiß wovon ich spreche.
    Vielen Dank für alles liebe Silke!
    Herzliche Grüße Uli

    Ich musste das

    1. Liebe Uli, vielen Dank für Deinen Kommentar und es ist wunderbar, dass Du Dich so um die Familie sorgst.
      Ja, es ist bestimmt eine große Aufgabe für die Eltern. Vielleicht kannst Du sie dabei unterstützen, ein Netzwerk aufzubauen, das ihnen hilft und z.B. mit der Verhinderungspflege anfangen.
      Alles Gute, Silke

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