Sonja hat zwei Söhne mit Autismus, von denen jeder für sich unterschiedliche Förderung braucht. So gehen beide auch individuelle Wege in der Schule. Im Interview erzählte sie mir über den Schulalltag ihrer beiden Jungs.
(alle Namen geändert)
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Liebe Sonja, Du hast zwei autistische Söhne – wie alt sind sie und welche Diagnosen haben sie?
Unser Sohn Timo ist zehn Jahre alt und ein ehemaliges Frühgeborenes der 28. Schwangerschaftswoche. Timo hat z.B. erst spät gesprochen, er ist sehr geräuschempfindlich und der Tagesablauf muss strukturiert sein. Für seine Diagnose wurden im Heilpädagogisch Therapeutischen Zentrum (HTZ) verschiedene psychologische Tests gemacht.
Seine Diagnosen sind Autismusspektumsstörung, Hemiparese und Cerebralparese, außerdem ist er entwicklungsverzögert.
Pascal ist 16 Jahre alt und war ebenfalls ein Frühchen der 32. Schwangerschaftswoche. Sämtliche U-Untersuchungen waren unterdurchschnittlich. Pascal konnte sich z.B. erst spät auf die Unterarme stützen, Henkelstellung sagten sie dazu. Schließlich machte uns der Kinderarzt auf eine Sozialpädiatrische Anlaufstelle aufmerksam, wo spezielle Untersuchungen stattfinden würden.
Die Diagnose atypischer Autismus erhielt Pascal im Alter von dreieinhalb Jahren. Mit vier Jahren kam er in einen Förderkindergarten mit Ganztagesbetreuung. Hier bekam er auch weiterhin Therapien wie Ergo, KG und Logo, außerdem noch zusätzlich durch das HTZ autismusspezifische Therapie.
Seine Entwicklung spricht heute für das Asperger Syndrom.
Welche Stärken und Schwächen haben Deine Söhne?
Timo kann sich sehr gut Dinge merken. Pascal begann sich schon sehr früh für Zahlen und Buchstaben zu interessieren, hier liegen auch bis heute seine Stärken.
Timo fällt es besonders schwer, sich neu auf Situationen einzustellen. Haare schneiden ist ihm ein besonderer Graus. Mit Lautstärke kann er nur sehr schwer umgehen. Vor Hunden hat er panische Angst.
Welche Schule besucht Pascal?
Pascal ist ein fröhliches Kind, fand aber kaum Anschluss an Freundschaften. Laut einem sönderpädagogischen Gutachten war er lernbeeinträchtigt. Wir beschlossen trotzdem, ihn mit sieben Jahren in eine Grundschule mit Integrationsbedarf zu schicken – wir wurden nicht enttäuscht! Pascal entwickelte sich positiv weiter.
Nach Abschluss der Grundschule besuchte er die Realschule plus als sog. Integrationskind.
Hier wurde er nach einem auf ihn abgestimmten Lehrprogramm gefördert.
In der Klasse waren 22 SchülerIinnen, ein Klasenlehrer und zwei pädagigische Fachkräfte wie auch in der Grundschule.
Zu unserem Bedauern erhielt er mit der Begründung, dass er in den anderen Fächern abfallen würde, keinen Englischunterricht! Pascal ist ein sehr ehrgeiziger Junge, aber er ist in der Tat auch sehr leicht überfordert. Im achten Schuljahr machte er neben der Schule ein Jahr lang Praxistage im Einzelhandel, was ihm sehr gefiel. Später noch ein Jahr in einer Gärtnerei.
Mit dem Förderschulabschluss verließ Pascal in diesem Jahr die Schule. Jetzt besucht er die Berufsschule und macht dort ein Förder-BVJ. Die Klassen sind recht klein mit maximal zehn Schülern. Den Zweig, den er sich ausgesucht hat, ist Wirtschaft /Verwaltung. Es macht ihm dort sehr viel Spaß, da sie mit dem I-Pad arbeiten. Das liegt ihm.
Auch hier besteht die Möglichkeit, nach diesem Jahr weiter an der Schule zu bleiben.
Was die Zukunft für ihn bringt, wird man sehen. Aber er wird seinen Weg gehen da sind wir sicher. :-)
Und in welche Schule geht Timo?
Timo geht in eine Ganztagsschule, die das Ziel hat, Kinder und Jugendliche umfassend zu fördern. Durch ein abwechslungsreiches Lehr- und Therapieangebot werden die kognitiven, motorischen und sozialen Fähigkeiten der Kinder gefördert.
Bei Timo sind neun Kinder mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen in der Klasse, d.h. Autismus, aber auch Körper- und Mehrfachbehinderung usw. .
Es gibt einen Klassenlehrer und zwei pädagogische Fachkräfte. So sind im Schnitt drei bis dreieinhalb Kinder auf eine Person, eigentlich ideal, um die Betreuung /Versorgung sicherzustellen.
Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie finden dort statt und natürlich auch thematische Elternabende. Der Kontakt zwischen Schule und Elternhaus verläuft gut. Es gibt Mitteilungshefte, Nachrichten per Mail oder natürlich auch jederzeit über persönlichen Kontakt.
Um eine Aufnahme in der Schule zu bekommen, benötigt man ein sonderpädagogisches Gutachten.
Wie geht es Dir als Mutter?
Ich glaube jede Mutter/Vater versucht, für seine Kinder das Bestmögliche zu erreichen, damit es im späteren Leben bestehen kann. Ich habe einen sehr liebevollen und fürsorglichen Partner an meiner Seite, sonst würde ich das Ganze wahrscheinlich nicht durchstehen. Hatte im Jahr 2012 einen Tumor in der Halswirbelsäule mit Vorstufe einer Querschnittslähmung. Zum Glück war er gutartig und konnte vollständig entfernt werden. Taubheitsgefühlen sind aber stets da und das macht den Alltag zusätzlich schwierig. Dennoch habe ich mich im vergangenen Jahr noch zu einer Fortbildung entschlossen, die ich inzwischen erfolgreich abgeschlossen habe.
Was ist Dir noch wichtig zu sagen?
Wichtig zu sagen ist mir: Es gibt immer einen Weg, mag er noch so steinig sein, niemals aufgeben. Mein Glaube hilft mir auch dabei, vieles leichter zu tragen.
Ganz lieben Dank für dieses Interview und viel Kraft und Freude weiterhin für Dich und Deine beiden Jungs :-)
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Zum Weiterlesen:
Susanne über schulische Inklusion von Kindern mit Autismus: „Oft werden Diagnosen angzweifelt oder nicht verstanden.“
Vielen Dank für deinen Bericht. Er gibt Mut!
Es gibt also immer Wege, man muss sie nur finden.