Gastbeitrag: Die Angst vor der Nicht-Diagnose – „Vielleicht bin ich doch einfach nur falsch?“

veröffentlicht im März 2019


Quelle: pixabay, User ElisaRiva

Billy (Name geändert) schrieb mir ergänzend zu ihrem Gastbeitrag: „Ich hoffe, dass es ok ist, dass ich sowas schreibe. Denn das entspricht nicht ganz dem, was man sonst so bei Dir liest. Aber ich wusste leider wirklich nicht, wo ich sonst hin sollte.“

Liebe Billy, danke für Dein Vertrauen und Deine Offenheit. Ich wünsche Dir sehr, dass einige Leserinnen und Leser von „Ellas Blog“ Dir Mut machen können. Herzlichst Silke alias Ella.

Gastbeitrag:

Hallo Leute,
ich bin 19 Jahr alt, weiblich und Autistin. Oder auch nicht. Denn genau das ist mein Problem!

Aber einen Schritt nach dem anderen. Ich erkläre erstmal was von mir.
Ich habe Angst vor vielen Menschen, wenn mich Fremde berühren ohne dass ich zugestimmt habe, macht mich das verrückt. Ich höre jedes kleine Geräusch, z.B das Summen des Fernsehers oder der Glühbirne, das Ticken von drei Uhren im selben Raum und so weiter.
Auch fallen mir oft Dinge auf, die andere nicht merken. Ein minimales Flackern der Glühbirne, Wiederholungen von Buchstaben/ Wörtern und zusätzlich sind für mich manche Geräusche oder Stimmen unerträglich.

Das ist manchmal sehr schwer. Ich meine, stellt euch mal vor ihr sitzt im Untericht und die Stimme eurer Lehrerin hört sich für euch so an wie das Kratzen von Fingernägeln auf der Tafel und ihr könnt da nicht weg.
Auch sehe ich die Dinge anders. Das ist mal mehr mal weniger der Fall, je nachdem wie gestresst ich bin. Ich beschreibe es gerne so:

Ich sehe die Welt, wie sich Watte in der Hand anfühlt, wenn man sie auseinander zieht.
Ich hoffe, es ist einigermaßen verständlich, denn besser kann ich es nicht beschreiben.
Auch sonst fallen mir viele Dinge schwer. Das Reden mit Fremden, neue Freunde finden, Smalltalk, alles mit Gefühlen, Mimik und Gestik und und und.

Im Großen und Ganzen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich Autistin sein KÖNNTE.

Ich habe auch häufig zu hören bekommen, dass ich mich wie eine Autistin benehmen würde, und wurde für ein solches Verhalten auch bestraft. Trotzdem möchte ich unbedingt anmerken, dass meine Mutter immer wie eine Löwin für mich gekämpft hat. Und dass ich ihr sehr dankbar bin und sie unglaublich doll lieb habe!
So habe ich mir mit den Jahren selbst antrainiert, meine „Besonderheiten“ zu verstecken und zu funktionieren. Das hat gut geklappt, bis ich ein FSJ in einer Behinderteneinrichtung angefangen habe und damit überfordert war. Nach Außen war das nicht sichtbar, aber mir fielen plötzlich sehr viele Dinge viel schwerer als vorher. (Ich habe das FSJ abgebrochen und danach wurde es wieder besser).

Ich habe angefangen, mich über Autismus zu informieren und las einfach alle, was ich finden konnte. Von Fachbeiträgen über Facharbeiten bis hin zu Erfahrungsberichten. Und ich stellte fest, dass es tatsächlich zu mir passen könnte. Daher habe ich einen Termin bei einem Psychologen mit der Fachrichtung Autismus gemacht. (Termin noch anstehend)

Aber jetzt bin ich auf ein Problem gestoßen.
Wenn ich Autistin bin, ist alles schön und gut. Dann weiß ich, warum mir manche Dinge so schwer fallen, warum ich manchmal so anders bin. Ich könnte meiner Mutter endlich sagen: „Ja ich bin Autistin. Und das ist okay.“
Für mich wäre das eine große Erleichterung.

Aber was ist, wenn ich keine Diagnose bekomme?
Bin ich dann wirklich falsch? Heißt das dann, dass ich wirklich nicht dazu in der Lage bin, mich in die Gesellschaft so einzugliedern wie es nötig wäre und dass die ganzen Strafen, die ich bekommen habe, weil ich Angst habe oder etwas nicht kann, gerechtfertigt waren?
Und jetzt hab ich Angst!
Schon wieder.

Vielleicht habt Ihr Gedanken dazu, die mir Mut machen können…..? Ich würde mich freuen.
Und danke, dass Ihr mir kurz zugehört habt. Ich wusste sonst nicht wohin.

Billy liest nicht auf Facebook, daher wäre es schön, wenn Du bitte direkt hier im Blog kommentierst, falls Du ihr etwas schreiben möchtest.
Dankeschön.


Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Liebe Billy,

    Dein Beitrag berührt mich sehr. Ich habe eine fast 18 jährige Autistin. Wenn wir die Diagnose nicht bekommen hätten dann wäre das auch okay gewesen aber ich spüre wie sehr du dir diese wünscht um erklären zu können warum du manche Dinge tust wie du sie tust. Lass dir sagen das kein Mensch falsch ist egal wie er denkt fühlt oder sich benimmt. Du hast eine tolle Mutter die auch weiterhin hinter dir stehen wird. Ich hoffe sehr das du die Diagnose bekommst um mit dir Frieden schließen zu können. Falls du Interesse hast meine Tochter kennen zu lernen dann melde dich bei Ella vielleicht brauchst du Austausch und mal schauen ob Vivi bereit ist dich in Ihre Welt zu lassen.

    Ganz liebe Grüße

  2. Hallo billy, genau so geht es mir auch. Ich bin heute 34 , kämpfe für meinen Sohn 8 (autist) nur leider wird die Diagnose oft angezweifelt. Ich selber glaube das ich auch autistin bin. Erstgespräch mit neurologin hatte ich. Nun soll ich mich in autismus ambulanz anmelden zur Diagnostik. Und da stehe ich vorm nächsten problem. Ich muss anrufen und meine Daten durchgeben. Schriftlich ist denen das zu riskant. Telefonieren mit fremden stresst mich dermaßen

  3. Liebe Billi,

    Ich wünsche dir vorab schon viel Kraft für den Termin.

    Als deine Beschreibung gelesen habe, war mein erster Gedanke ‚das passt auch auf Hochsensibilität‘.

    Aus der Ferne vermute ich, ist es für dich nicht wichtig, wie der Grund heißt, sondern „nur“ das du einen Grund hast, warum es dir so geht und du fühlst.

    Ich selbst kann grundsätzlich Dinge mit Grund/Ursache auch besser annehmen als Dinge bei denen man es nicht weiß.
    Das ist, wie ich finde, sehr traurig. Eigentlich sollten wir Menschen so nehmen, akzeptieren und lieben wie sie sind.

    Ich glaube du bist richtig wie du bist.

    Alles Gute und viel Kraft

  4. Hallo Billy,
    ich kann Dich sehr gut verstehen.
    Unser Sohn ist gerade 18 geworden. Mit 17 Jahren ging plötzlich nichts mehr, er konnte die Schule nicht weiter besuchen. Daraufhin begann sein Weg. Viele Termine, ein Psychiater steht ihm zur Seite, ein sehr guter Stratege, der genau weiß, welche Schritte wichtig sind, um ans Ziel zu kommen in diesem Gesundheitssystem.
    So langsam lerne ich als Mutter, welche Schritte die Richtigen sind.
    Ein Psychologe wird als Diagnostiker von Ämtern nicht anerkannt. Aber er kann Dir erst einmal helfen, Dich zu verstehen. Und auch das wird Dir gut tun.
    Mein Rat ist, schau zusätzlich nach einem guten Autismus Zentrum. Die brauchen keine Diagnose von einem Arzt, sie erstellen eine sogenannte Förderdiagnose und können Dich daraufhin beraten. Sie sind die wichtigsten Menschen an Deiner Seite. Denn sie beraten, bieten Dir die richtigen Kontakte, geben Dir Strategien für den Alltag und machen Dir Mut.
    In Zukunft brauchst Du einen Psychiater, weil er Arzt ist und Atteste ausstellen darf.
    Das Autismus Zentrum kann Dir auch die Angst vor der Nicht-Diagnose nehmen. Und wie es im Falle derer weiter gehen kann.

    Aber darüber hinaus ist eines ganz wichtig: Du bist vollkommen richtig, so wie Du bist. Unsere Gesellschaft ist nicht auf sensible Menschen ausgelegt. Damit ist diese Gesellschaft falsch. Wir sind hier auf Anpassung, Leistung und Härte ausgelegt. Wenn Du Dich nach Schweden orientierst, wirst Du Dich wundern. Dort werden sensible Menschen gefördert, weil Du damit enorme Fähigkeiten hast und das weiß man dort zu schätzen. In Israel ist der offene Umgang mit sensiblen Menschen völlig leicht und natürlich. In Neuseeland zeigt sich eine ruhige, willkommene Lebensart. Weil auch hier genau Deine Fähigkeiten äußerst erwünscht sind.
    Ein Pinguin ist nur an Land irgendwie falsch. Doch begibt er sich ins Wasser, in sein Element, zeigt er eine erstaunliche Eleganz. Auch Du wirst Dein Element finden.
    Nicht Du bist falsch.
    Sondern Dein Umfeld.
    Und es ist völlig egal, welche Diagnose Du einmal erhalten wirst.
    Wenn es Hochsensibilität sein sollte, zum Beispiel, gilt das Selbe: finde Dein Umfeld und Du wirst Dich endlich wohl fühlen.
    Die Welt steht Dir offen.

    Ich wünsche Dir alles Gute, viel Erfolg und Glück.
    Viele Grüße, Vera

    1. Das gefällt mir an Schweden, du darfst da ein bisschen anders sein, solange du keine Gesetze verletzt und die Sprache ist einfach, funktional und direkt. In Israel war ich noch nicht, da ist es mir leider zu warm und zu voll. Unerwartete Berührungen hasse ich auch total, vor allem von hinten/Seite. Von vorn kann ich ja noch eher sehen was da auf mich zukommt. Mit der Arbeit in der Behindertenwerkstatt war ich auch überfordert, vor allem weils da einen gab dessen Spezialintersse waren Pornos. Auch in meiner Ausbildung in einer Behörde und einer Teilzeitstelle bei einem Kunstverein im Büro war ich überfordert. Obwohl etliche der Künstler sehr nette hilfsbereite Gesprächspartner waren. Naja, die ausgestellte zeitgenössische Kunst im alten Schlachthof, hatte auch sowas arg morbides, was mich eher verstört hat. Du siehst also Billy, ich suche auch noch den passenden Job für mich. Das dauert bei AS wohl eine Weile, wie ich bisher so mitbekommen habe, was die „Enten“ zu der Annahme verleitet, nichts wäre einem gut genug bzw. man wäre einfach zu faul oder hätte einfach keine Lust einer geregelte Arbeit nachzugehen. Gib einfach nicht auf, lass eine Diagnostik durchführen, die Ungewisstheit ist echt schlimmer. Du wirst irgendwann einen tollen Job finden, während manche von den Dummquatschern von einen Burn-Out überollt werden und dann erst lernen, was wir schon die ganze Zeit machen.

  5. Hallo Billy

    Wenn Du Dich so anders fühlst, ist der erste Schritt vielleicht, dass Du
    lernst Dich zu akzeptieren, auch Nichtautisten können sich anders fühlen, da jeder anders ist.
    Vielleicht genügt es für dich einfach zu erkennen, dass du Autistin sein könntest. Wichtig ist so oder so, dass Du auf Deine Bedürfnisse hörst und danach lebst.
    Du kannst Dich fragen was ändert die Diagnose?
    Nicht viel ausser es hilft Dir, dich besser zu akzeptieren oder Du die Möglichkeit bekommst, eine Therapie zu machen.
    Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass unsere Kinder das haben, habe es abklären lassen und dort heisst es, nein Sie haben das nicht.
    Es ist jedoch bekannt, dass es bei Mädchen sehr schwierig ist herauszufinden, vor allem bei Asperger, da die Mädchen nicht auffallen möchten und lernen sich anzupassen, dass es nicht mehr auffällt. Unsere Kinder können jetzt Blickkontakt halten, was Sie früher nicht in der Lage waren. Leicht fällt es Ihnen deswegen bestimmt nicht.
    Dann heisst es, sie haben deswegen kein Autismus. Das sind Experten?
    Mir ist es einfach wichtig, dass die Kinder sich nicht verbiegen und anpassen und dann nicht mehr sich Selbst sind. Das wäre schlimm.
    Wenn es Ihnen deswegen nicht mehr gut gehen würde, würde ich sofort Schritte unternehmen um Ihnen zu helfen.
    Es gibt sicher gute Experten und Fachleute, aber auch viele Fehldiagnosen
    leider. Wenn Dir Dein Bauchgefühl etwas anderes sagt, dann weiter gehen und an einem anderen Ort abklären lassen, wenn es für Dich wichtig ist.
    Liebe Grüsse
    manup

  6. Hi Billy,

    das, was du beschreibst passt auf mehreres als nur Autismus. Mir fällt da hochsensitiv ein und ADS. Mein Junior ist Asperger, mit eben der genannten Kombination. Wie dem auch sei, ob Autistin oder nicht, lass es klären, dann iann dir gezielt geholfen werden und Dinge wie Mimik, Gestik, Gefühle deuten kannst du in einer entsprechenden Therapie erlernen (hat bei meinem Junior super funktioniert), vor allem lernst ggf. Strategien wie du zb. bestimmte Situationen meistern kannst.

    Gruß Martina

  7. Liebe Billy
    als erstes: hut ab vor deiner feinen art, dich selber beschreiben zu können. das setzt nämlich voraus, dass du wahrnimmst, dass du abgleichst, dass du antworten suchst, dich selbst reflektierst. und damit bist du vielen vielen menschen voraus, die mit scheuklappen und stumpfen wahrnehmungen durchs leben gehen. Wie schön, hast du diese antennen, bewahre sie dir. aber bewahre sie dir am besten in guten momenten und ziehe sie ein in momenten, die es nicht notwendig machen, so viel aufzunehmen. das ist an anfang schwer, aber mit der zeit kann man lernen, welche antennen man für den alltag braucht.
    Es gibt kein richtig oder falsch sein. es gibt vermutlich viel viel mehr menschen, die finden, sie passen nicht in die strukturen unserer gesellschaft, als wir ahnen. selbst die, welche so wirken, wie wenn sie mittendrin leben würden, können sich im tiefsten inneren einsam und nicht passend finden. also sei mutig und finde heraus, wie du in dieser komplizierten welt einen platz findest, der zu dir passt. alles liebe! ❤️

  8. Ein wundervoller Beitrag, besser hätte ich es auch nicht schreiben können.
    Hier hast du, Liebe Billi alle Infos die du brauchst um mit deiner Seele ins reine zu kommen.
    Ich wünsche Dir viel Kraft dabei, du kannst das und bist einzigartig, das ist doch das schönste was es gibt.
    Viel Glück
    Carmen

  9. Hallo liebe Billy,
    ich möchte dir viel Kraft wünschen und dir sagen, du bist nicht falsch, ob mit oder ohne Diagnose.
    Ich wünsche dir,dass du Klarheit bekommst und dass du immer an dich glaubst. Dein Beitrag ist sehr offen und ehrlich, danke dafür.
    Alles Gute und liebe Grüße
    Uta Klemm

  10. Das Bauchgefühl stimmt meist…. auch Diagnostik kann irren. Seit dem 10. Lj meiner Tochter hatte ich den Verdacht, dass sie asperger Autistin ist, mit 12 wurde sie an einer Uni Klinik „entsprechend“ ausgetestet…. mit negativem Ergebnis. Es folgten 8 schwierige Jahre mit völliger Unklarheit, was meiner klugen Tochter mir ihren Besonderheiten denn „fehle“: soziophobie, anpassungsstörung, Depression waren die Diagnosen, die ihr angeheftet wurden. Mit 19 beschloss ich, das könne es doch nicht sein, dass ein so liebenswertes Geschöpf durch alle Raster fällt, sich im leben so schwertut und allein gelassen wird und ich konnte sie überzeugen zur Liste der „psychologischen Misserfolge“ (so bezeichnen wir nun diese Menschen, die Psychologen/ Psyhotherapeuten sind, aber von Autismus keine Ahnung haben) noch einen Versuch in einem Autistenzentrum hinzuzufügen. Nun ist die Diagnose gesichert. Es ändert nicht viel, aber wir können gemeinsam öfter über Besonderheiten lachen…. es bringt mehr Klarheit, v a für mich als Mutter, die mein Kind oft vor dummen Bemerkungen schützen musste… verteidigen …. sie und mich rechtfertigen…. meine Tochter selbst sagt: es hat sich nichts geändert… sie ist dieselbe …ev magst du deiner Mutter auch die Literatur geben/ aspergirls etc…. sie wird Dir helfen können, Dich der Diagnostik zu stellen, egal was raus kommt.
    Wie gesagt: auch Diagnostik ist nicht 100prozent, alles liebe Alexandra

  11. Ps: ich habe für die Austestung 7 schriftliche Seiten vorbereitet, wo das Leben meiner Tochter aus der Sicht der Familie beschrieben war ….mit allen Besonderheiten…. das war hilfreich …

  12. Hallo Billy , danke für deinen mutigen Beitrag…
    (Nun sitz ich hier wieder, mit ‚fliegendem Finger‘ über der Tastatur u. Tränen in den Augen. Da mein Kopf die Antwort schon fertig hat , aber mein Körper mit zuviel Emotion kämpft= is gleich mal eins meiner Probleme )
    Du hast ziemlich genau , mein Wesen beschrieben, ich hab noch die Problematik mein Gegenüber zu spüren (ich merke, ob gesagtes u. Inneres stimmt) .
    So wirklich raten kann ich dir nichts , nur soviel, hör auf dich ob du es möchtest/brauchst. Wäge ab , was es dir hilft wenn du es bestätigt bekommst , überlege auch wie es dir gehen könnte, wenn es nicht bestätigt wird (denn leider sind hier diagnostisch , noch sehr große Defizite u. Ärzte denen es an Interesse fehlt) .
    Ich für meinen Teil, bin bis jetzt auch ohne Diag. ,mehr o. weniger klar gekommen. Wenn ich die 6jährige Tortur von meiner Tochter, was weiterhin andauert leider, aktuell mitbekomme , mag ich nicht dran denken wie es bei Erwachsenen läuft.
    Seit sie 1 Jahr ist, werden wir von A nach B geschickt, sie ist ein ‚Grauzonen- Mischkandidat‘ wurde mal geäußert…von abwarten über verwächst sich oder nach 2min im Raum beobachten, kam die Ausage ‚aber sie hat mich eben angeschaut, dass ist kein Autist , da fehlt einfach nur Struktur. Ich bin mittlerweile nur noch wütend und auch enttäuscht von unserem med. System und leide mit meiner Tochter, dass ich ihr das aufbürge…
    Also, bitte mach nur das , was dir hilft und womit du leben kannst!!
    LG und viel innere Stärke , für dich

  13. Hallo Billy,

    auch mich hat dein Beitrag berührt und speziell zu diesem Abschnitt möchte ich dir etwas schreiben, weil ich Parallelen zu meiner eigenen Lebensgeschichte sehe:

    „Aber was ist, wenn ich keine Diagnose bekomme?
    Bin ich dann wirklich falsch? Heißt das dann, dass ich wirklich nicht dazu in der Lage bin, mich in die Gesellschaft so einzugliedern wie es nötig wäre und dass die ganzen Strafen, die ich bekommen habe, weil ich Angst habe oder etwas nicht kann, gerechtfertigt waren?
    Und jetzt hab ich Angst!“

    Auch ich kenne so ein Straftrauma aus meiner Kindheit, wo Anpassung und erwartungskonformes Verhalten hauptsächlich über Druck, Vorwürfe und Strafen erzwungen wurden. Im Rückblick waren es oft autistische Verhaltensweisen, für die als Kind bestraft wurde; für die ich nichts konnte und die man mir niemals zum Vorwurf hätte machen dürfen.

    Wenn ich als Kind jemals Strafen verdient habe, dann höchstens fürs Klauen oder die Bewährungsstrafe für die Brandstiftung. Das sind die einzigen beiden Situationen, die mir einfallen. Davon abgesehen war ich ein Kind, dass durch seinen Autismus zumeist gar nicht anders handeln konnte, als ich es schlussendlich getan habe.

    Ich vermute, bei dir war es ähnlich. Egal, ob sich der Autismusverdacht bei dir bestätigen wird oder nicht: Du scheinst eine sensible, nachdenkliche und verunsicherte, aber auch sehr reflektierte junge Frau zu sein. Als Kind hättest du Hilfe und Unterstützung verdient, aber bestimmt nicht Druck oder Strafen.

    Aus deinen Schilderungen kann ich nichts erkennen, was irgendwie bestrafungswürdig gewesen wäre. Du warst nicht kriminell, hast dich nicht vorsätzlich egoistisch oder rücksichtslos verhalten, hast niemandem absichtlich Unrecht getan. Wofür also hätte man dich bestrafen sollen? Du warst ein Kind, dass aus Angst und Überforderung gehandelt hat, weil du es nicht besser wusstest und nicht anders konntest ‒ da sind Strafen das völlig falsche Mittel.

    Wie schon erwähnt, ich habe ebenfalls ein Straftrauma aus meiner Vergangenheit zurückbehalten und weiß, wie tief einen das prägt. Auch bei dir bekomme ich beim Lesen das Gefühl, dass es dir über die Autismusdiagnose hinaus auch darum geht, mit deiner Vergangenheit ins Reine zu kommen und dich von alten Prägungen und Denkmustern zu lösen, die dir heute nicht mehr guttun.

    Wenn dich dieses Hadern mit der Vergangenheit sehr belastet, dann würde ich darüber nachdenken, das Thema mit Hilfe einer Psychotherapie aufzuarbeiten. Das kannst du auch unabhängig davon tun, ob du am Ende die Autismusdiagnose bekommst oder nicht, denn Unrecht hat man dir als Kind auf jeden Fall getan, da bin ich mir sehr sicher!

    Oder mit anderen Worten: Selbst wenn sich der Autismusverdacht nicht bestätigen sollte, bist du auf keinen Fall „falsch“. Falsch waren nur die Reaktionen der Erwachsenen, die aus ihrer eigenen Unwissenheit nicht besser mit dir umzugehen wussten. Ich finde es gut, dass du dich über Autismus informierst und den Verdacht abklären lassen willst. Aber egal was am Ende dabei herauskommt: Dein Selbstwertgefühl und deine Selbstachtung darfst du davon nicht abhängig machen, denn die stehen dir auf jeden Fall uneingeschränkt zu ‒ egal ob du Autistin bist oder nicht.

    Ich wünsch ich dir alles Gute auf deinem weiteren Weg!
    Dario

  14. Hallo Billy,
    ich wünsche dir sehr das du nach 19 Jahren Suche, kompetente Menschen um dich hast und noch triffst die dir helfen und sagen können warum bei dir vieles so ist wie es ist. Und ganz egal ob und welche Diagnose du bekommst, du und deine Lieblingsmenschen müssen damit umgehen können oder es lernen. Hab Mut, geh es an! Hast du das Gefühl man nimmt dich und deine Nöte nicht ernst, mach dich auf die Suche zum nächsten.
    Hab keine Angst, es gibt nichts zu verlieren du kannst nur gewinnen.
    Ich wünsche dir alles Gute!

    Sani

  15. Hallo Billy!

    „Aber was ist, wenn ich keine Diagnose bekomme?
    Bin ich dann wirklich falsch? Heißt das dann, dass ich wirklich nicht dazu in der Lage bin, mich in die Gesellschaft so einzugliedern wie es nötig wäre und dass die ganzen Strafen, die ich bekommen habe, weil ich Angst habe oder etwas nicht kann, gerechtfertigt waren?“

    Du bist schon jetzt nicht falsch. Deswegen brauchst Du auch keine Diagnose, um zu beweisen, dass Du nicht falsch bist.
    Mag sein, dass Du nicht in der Lage bist, Dich so in die Gesellschaft einzugliedern, wie andere das gerne hätten (was tatsächlich nötig ist, ist ja eine ganz andere Frage), aber das geht vielen Menschen so und das darf auch so sein. Ganz egal, ob sie AutistInnen sind, oder nicht.
    Wenn Du dafür bestraft worden bist, dass Du so bist, wie Du nun einmal bist, dann ist das nie gerechtfertigt – ganz egal, ob es eine Diagnose gibt, oder nicht.

    Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Diagnose eine große Erleichterung wäre.
    Weil man dann komplizierte Dinge mit einem Wort erklären kann. Oder einfach mal sagen „Ich kann da nix für, ich bin AutistIn!“.
    Aber sie macht Dich nicht richtig. Richtig bist Du jetzt schon.

  16. Liebe Billy,
    ob mit oder ohne Diagnose: keiner ist FALSCH! Jeder ist wie er ist und einzig falsch ist, dass wir alle in eine Norm gequetscht werden …

  17. Die Diagnose hängt ja von einem Test ab dessen Ergebnis nicht ja oder nein ist. Selbst wenn der Test unterhalb des Cutoffs ist bleiben autistische Tendenzen.
    Ich würde sagen man kann auch jedem Autisten die Diagnose hochsensibel etc anhängen. Bei psychologischen Tests beurteilen halt Menschen menschliches Verhalten. Da macht jeder Mensch etwas anderes raus.
    Nicht von Diagnosen oder Nichtdiagnosen im Weg beirren lassen. Du weißt was dir guttut. Und nur du gehst deinen Weg. Und du schaffst das!

  18. Hallo Billy,

    auch wenn du sehr deutlich über deine Probleme und Unsicherheiten gesprochen hast, lese ich doch bei dir heraus, dass du ganz gut weißt, was du willt. Gut so!

    Und deshalb: Nimm den Termin beim Psychologen wahr und denke nicht gleich daran, dass eine Testung in der Autismusambulanz einer Unipsychiatrie noch besser wäre. Fachärzte können nämlich auch mal schlecht sein (was hab ich bei Zahnärzten und Orthopäden schon alles erlebt!) – wohingegen ich bei meinem psychologischen Psychotherapeuten (ebenfalls mit Arbeitsschwerpunkt Autismus) mich sehr kompetent behandelt fühlte. Von ihm habe ich auch meine Diagnose.

    Die Ängste (was, wenn ich keine Diagnose kriege?) kennt jeder, der als Erwachsener diagnostiziert wird. Aber auch nachher, denke ich, werden immer wieder mal Zweifel auftauchen: Stimmt meine Diagnose? Ich kann doch dies und das super gut, obwohl Autisten das in der Regel gar nicht können, und umgekehrt kann ich Dinge nicht, die andere Autisten in der Regel meist können. Ich will damit sagen: Ein bisschen zweifeln und mal Angst haben gehört auch zum Erwachsensein dazu und ist gar nicht schlimm. Es kann dir vielleicht sogar helfen, dich nicht einfach „auf die faule Haut zu legen“.

    Irgendjemand hat dir weiter oben den Rat gegeben, einzusehen, dass nicht du falsch bist, sondern dass die anderen, die Gesellschaft falsch ist. Dem letzten Teil des Satzes stimme ich nicht zu. Keiner ist falsch in unserer Gesellschaft. Autisten und Nichtautisten können nur zusammen leben, wenn sie sich gegenseitig verstehen, sich anerkennen in ihrem Sosein. (Das heißt natürlich nicht, dass man als Aspie nicht auch mal seinen Frust den NTs gegenüber lautstark loswerden darf. Manchmal hilft das nämlich.)

    Ich wünsche dir viel Glück und viel Erfolg auf deinem Weg.

  19. Liebe Billy, ich denke, deine Ängste sind sehr verständlich, besonders vor deinem Hintergrund. Es ist sehr schwer dem Anspruch des Außen über so viele Jahre gerecht zu werden. Und du siehst ja selbst, dass es nicht wirklich funktioniert.

    Ich würde dir sehr eine Diagnostik empfehlen, nicht nur der Klarheit wegen, sondern auch wegen des Schutzes. Ja, diese Diagnose bietet auch einen Schutz vor dem Außen, eben weil Klarheit herrscht.
    Ich habe zwei Söhne mit Autismus und lange gebraucht, dies anzuerkennen. Immer wieder wurde an der Hauptdiagnose Autismus und den Zusatzdiagnosen gefeilt, sehr zum Leidwesen für meine Söhne, weil es einfach zusätzlich und unnötig Stress brachte – eben weil sie nicht so wahrgenommen wurden, wie sie sind.

    Ich wünsche dir von Herzen, dass du den Mut zur Diagnostik findest und für dich damit ein Leidenskapitel abschließen kannst.

    Viel Glück und alles Gute dir.

  20. Ich lese was du schreibst und mein erster gedanke ist dass du an der gleichen Frage hängst wie ich, soll ich mich testen lassen oder nicht.
    Für einen Test spricht dass ich es meinen Mitmenschen erklären könnte, gegen einen Test dass er mir zu ungenau ist.
    Dieses Gefühl das du irgendwie immer im Türamen stehst und weder dazugehörst noch mit den Leuten nichts am hut hast (rw) ist blöd.
    Und die Ausagen dass du nicht Autistisch sein kanns sind totaler quatsch, ich hab mir neulich anhören müssen dass ich keine autistischen Verhaltensweisen zeigen würde, ich binn innerlich dermasen in die luftgegangen! (rw) ein par Minuten später habe ich im kopf mal aufgezält was den so alles als autisisches verhalten durchgeht, (Overload, Meldown, stereotype …) was mir dann auch noch durch den kapf gegangen ist (rw) ist das außer mir niemand weis was in meinem Kopf vorgeht!

    Lass dir nicht von anderen sagen dass das nicht stimmen kann die einzige die das beurteilen kann bist du.

  21. Liebe Billy,

    ich kann das sehr gut verstehen.

    Mein Sohn ist 12 Jahre und wir befinden uns auch in der Diagnostik.
    Für mich gibt es viele Dinge, die darauf schließen lassen, dass er Autist ist.
    Er hatte noch nie eine enge Freundschaft mit anderen Kindern, Berührungen findet er schrecklich. Unsere Handtücher dürfen im Bad nicht nebeinander hängen, weil er es nicht mag, wenn sie sich berühren und noch viele andere Dinge.
    Die Psychologin hat im Erstgespräch gesagt, er wirkt auf die nicht wie ein Autist. Er hat aber im Laufe der Jahre auch gelernt es zu verstecken.
    Die Diagnose ist für ihn aber auch wichtig, da ich dann beim Jugendamt eine Eingliederung beantragen kann und die eine Privatschule für ihn bezahlen, die für ihn wichtig ist,um sein volles Potenzial ausschöpfen zu können. Und damit er sich endlich auch in der Schule verstanden fühlt.

    Deswegen kann ich nachvollziehen wie viel an dieser Diagnose hängt.
    Ich wünsche dir, dass alles so verläuft, wie du es möchtest und du alle Hilfen bekommst, wie du sie brauchst.

    LG Nadine 😘

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Es ist immer wieder überwältigend, was wir als Eltern autistischer Kinder bedenken, organisieren und verarbeiten müssen. Neben viel Wissen und Erfahrungen, die du hier im Blog findest, ist eine solidarische Gemeinschaft unglaublich hilfreich. Das Forum plus ist ein geschützter Bereich nur für Eltern autistischer Kinder. Hier findest du außer praktischen Tipps viel Verständnis und Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie Du.

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