Gastbeitrag von Tatjana:
(alle Namen geändert)
Ich möchte Euch heute etwas über den fünften Geburtstag meiner Tochter erzählen. Anja ist vor etwas mehr als zwei Wochen fünf Jahre alt geworden und atypische Autistin. Sie durfte mit Freunden Geburtstag feiern, und zwar mit allem, was zu einem echten Kindergeburtstag dazu gehört.
Ich musste schon vor einigen Monaten mit der Planung beginnen, denn ich las immer wieder, dass Geburtstag feiern mit Autisten schwierig sein kann. Ich machte mir Gedanken über den passenden Ort. Bei uns zuhause schloss ich aus…eine Horde Kinder, die quietschend und schreiend durch mein Wohnzimmer tapsen, der Gedanke daran war mir schon zuviel und ich hätte auch keine Idee gehabt, bei welchen Spielen alle Kinder etwas davon haben, denn meine macht grundsätzlich nicht mit. Also zuhause feiern fiel aus.
Irgendwann kam mir die Idee, im örtlichen Kids-Indoorpark zu feiern.
Die bieten ein Rundumsorglospaket an, die Kinder sind beschäftigt und haben Spaß und zwar alle, auch meine, die hüpft und tobt für ihr Leben gerne. Auch ums Essen musste ich mir wenig Gedanken machen, denn in dem Paket war auch ein HappyMeal enthalten. Die Kinder konnten bestimmen, was sie gerne im HappyMeal haben möchten, und das wurde dann so von den Angestellten besorgt.
Nun ging es um die Frage, wer alles dabei sein soll. Ich hab sie glaub ich seit Oktober immer wieder gefragt, wen sie einladen möchte, denn ich wollte sicher sein, dass auch wirklich die Kinder da sind, die sie mag. Es fielen immer wieder dieselben Namen und auch als ich das letzte Mal eine Woche vor ihrem Geburtstag fragte, stimmten die Namen noch mit denen vom Anfang überein.
Wir luden sechs Kinder ein, fünf sagten zu, ein Mädchen konnte leider an diesem Tag nicht kommen.
Dann war der Geburtstag da, drei Mal durfte sie feiern. Das erste Mal mit ihrem Papa, mir und unseren neuen Partnern, da gab’s die meisten Geschenke und Überraschungen. Sie hat sich über alles wahnsinnig gefreut.
Am nächsten Tag durfte sie im Kindergarten feiern. Dazu kann ich nicht viel sagen, ich war nicht dabei und hab nur Kuchen, Kindersekt und Geschenktütchen abgegeben. Bei den Tütchen war es wichtig, auch eins für sie vorzubereiten.
Zwei Tage später war es dann auch endlich mit ihrem Kindergeburtstag soweit.
Am Vortag hab ich Dekomaterial abgegeben, musste aber noch nachdekorieren, als ich mit ihr dort ankam. Naja nicht so schlimm. Nach und nach kamen die vier Mädchen und ein Junge dazu. Die Eltern hatte ich vorher über den Autismus meiner Tochter aufgeklärt, zwei Mamas blieben als Unterstützung dabei und so hatten wir zu dritt sehcs Kinder zu betreuen.
Die Kinder nahmen meine Tochter einfach mit und hatten Spaß mit ihr und sie mit ihren Freunden. Wir gestalteten es sehr zwanglos, die Kinder konnten sich austoben, ein geplantes Programm gab es nicht.
Irgendein Kind war immer bei meiner Tochter, um sie mit einzubeziehen, mit ihr zu spielen und zu toben. Für diese Kinder ist Anja ein ganz normales Kind, mit dem man spielen, lachen und Spaß haben kann. Natürlich wissen die Kinder, dass Anja anders ist, sie kennen und erleben sie jeden Tag und sind den Umgang mit ihr gewohnt, deshalb nehmen sie sie ganz selbstverständlich mit.
Bevor es Kuchen gab, durfte Anja ihre Geschenke öffnen. Sie wird vermutlich noch in einigen Jahren wissen, von wem sie was bekommen hat und wird ganz stolz auf diese kleinen Erinnerungen an ihre Geburtstagsparty sein.
Ein Mädchen sagte zu mir, Anja habe einen ganz tollen Geburtstag gehabt und war sehr glücklich, dass sie mit ihr feiern durfte.
Die Kinder verabschiedeten sich später von Anja mit Umarmungen und Küsschen und sagten ihr, dass es schön war, mit ihr feiern zu dürfen.
Am Ende merkte ich doch, dass es für Anja fast ein bisschen viel war, sie kniff sich ein paarmal in den Arm, war aber auch gleichzeitig ein wenig traurig, dass wir gehen mussten. Nächstes Jahr darf sie wieder so feiern und sie freut sich jetzt schon darauf.
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Das Kind einbeziehen, gut planen und ein bisschen Mut haben
Es bringt ihr nichts, wenn wir aus Rücksicht auf ihren Autismus auf solche Dinge verzichten, nur weil es schwierig werden könnte. Wir wussten im Vorfeld nicht, ob das funktioniert, ob es ihr Spaß macht oder doch zuviel wird. Natürlich hatte ich vorher Bedenken, ob wir dem gewachsen sind…aber wenn man etwas nicht ausprobiert, kann man nicht wissen, ob es nicht doch geht.
Sie möchte Freund haben, kann freundschaftliche Beziehungen aber nicht ohne Hilfe aufbauen. Wenn ich als ihre Mama sie dabei nicht unterstütze, wer denn dann?
Wichtig ist die Aufklärung der anderen Eltern, sie sehen ja mein Kind und auch dass sie irgendwie anders ist…aber wenn ich ihnen nicht sage, warum, woher sollen es Eltern und auch andere Menschen wissen, die nie etwas mit Autismus zu tun hatten?
Es ist wichtig, die Eltern der anderen Kinder beim Aufbau von Freundschaften miteinzubeziehen und sich zu kümmern, dass aus einem anfänglich kleinen Kontakt vielleicht eine Freundschaft wird.
Probiert es mit euren Kindern aus, es müssen ja keine sechs Kinder sein, aber vielleicht mal eins oder zwei. Plant eure Partys auswärts an ruhigen Wochentagen.
Wenn ihr die Räumlichkeit nicht kennt, schaut sie euch vorher in Ruhe an, meist sind Wünsche bezüglich der Lage des Tisches möglich.
Wenn ihr besorgt seid, es nicht alleine händeln zu können, weil ihr befürchtet, euer Kind könnte eventuell plötzlich wegwollen, holt euch Hilfe bei den anderen Eltern.
Fragt eure Kinder, was sie sich wünschen, bezieht sie mit ein, auch das kann Spaß machen. Das Schreiben der Einladungen, war für Anja schon fast ein Höhepunkt, das Verteilen hat ihr auch viel Spaß gemacht – und sie hat mit den Planungen fürs nächste Jahr schon begonnen :-)
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Danke, liebe Tatjana, für diesen tollen Einblick in den Kindergeburtstag Deiner Tochter. Ich wünsche Euch, dass es auch beim nächsten Mal wieder so toll klappt. LG Silke :-)
Kindergarten, Indoorspielplatz, Freunde, Planungen…alles Fremdworte. Was wären wir froh, wenn es so einfach wäre, wie in diesem Beitrag.
Lieber Jan, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ein solcher Geburtstag wäre für uns auch undenkbar. Dennoch schön zu sehen, dass es bei anderen klappt ;-)
Hallo Silke, natürlich freut es mich für andere, wenn es klappt. Dennoch habe ich nach dem Lesen den Zwang verspürt, mitzuteilen, daß es für uns eben ein Traum wäre, wenn alles so einfach wäre (die betreffende Mutter empfindet es vermutlich gar nicht als einfach und doch kann sie sich aus meiner Sicht glücklich schätzen).
Ich habe damit auch gute Erfahrungen gemacht. Mein Sohn wollte einen Freund einladen und mit dem und uns zum Bowling gehen.
Das war ein schöner Nachmittag und hat wunderbar geklappt.
Es freut mich sehr das ihr einen so schönen Kindergeburtstag feiern konntet.
Da sieht man mal wieder wie unterschiedlich Autisten sind.
Wichtig ist alles mal auszuprobieren und versuchen alles zu ermöglichen, aber es gibt auch Menschen die eben nicht alle Situationen meistern können.
Das darf man nicht vergessen.
Hallo, ich weiß nicht ob das hier nach so langer Zeit noch gelesen wird… was du beschreibst klingt super! Das wäre für meine Tochter auch toll. Wir hatten letztens den ados ( allerdings nur 1stunde und ein Vorgespräch dann Diagnose.) der Arzt sah meine Tochter nicht eine Minute. Den Test machten 2 Damen. Auswertung war: meine Tochter ist mit an 0 grenzender Wahrscheinlichkeit austistin, da sie beim erzählen gestikuliert und lebhaft erzählt…
Jetzt halt meine Frage… ist das ein100% ausschlusskriterium? Ich zweifele die Diagnose an. All die Probleme die wir haben ( anziehen-extrem- , soziale Isolation, Anfälle, trennungsangst in unbekannten Situationen bzw jeden Montag in der Schule…) haben doch beim ados kein Gewicht. Und es ist meiner Meinung mehr, als ein adhs (welches sie sehr ausgeprägt haben soll) .
Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen ??
Lg Lisa