Als Niklas vier Jahre alt war, bekam er ein Pflegebett. Es war ein ganz tolles, buntes, in fröhlichen Farben angemaltes Bett und er war mächtig stolz darauf. Für etwa fünf Jahre war es seine Rückzugs- und Wohlfühlhöhle, dann wollte er es nicht mehr. Aber der Reihe nach…
Niklas konnt erst mit fünf Jahren laufen und trug bis ins Teenageralter Windeln. Das bedeutet mit der Zeit auch, dass die Pflege schwieriger wurde, denn er wurde ja nicht leichter. So ließen wir uns wegen eines Pflegebetts beraten, bei dem man die Liegefläche höhenmäßig verstellen kann, um rückenschonender wickeln und waschen zu können.
Wir entschieden uns für ein Modell von Kayserbetten, weil es so freundlich aussieht. Der Clou des Bettes waren allerdings die Türen. Ich muss zugeben, dass ich diese anfangs sehr gewöhnungsbedürftig fand, denn wer schließt denn schon gerne sein Kind im Bett ein und wollen das die Kinder überhaupt?
Wir stellten sofort fest, dass Niklas das ganz super fand.
Wir wollten die Türen zunächst gar nicht benutzen, aber er selbst forderte ein, dass sie geschlossen werden sollen, sobald er sich zum Schlafen hinlegte.
Dazu muss man wissen, dass er sich von Babyalter an sehr schwer mit dem Einschlafen tat. Er machte niemals auch nur einen Mittagsschlaf und jede Nacht war bis er vier Jahre alt war mehrmals unterbrochen. Hilfe brachte dann Melatonin, darüber hatte ich bereits vor einiger Zeit einen extra Beitrag geschrieben.
Melatonin half zum Einschlafen, aber nicht zum Durchschlafen und so hatten wir nach langer Zeit zwar einen wohltuenden Feierabend, trotzdem aber immer noch keine Möglichkeit durchzuschlafen.
Die Lösung für dieses Problem brachte vorübergehend das Pflegebett mit Türen. Wenn Niklas nachts aufwachte, blieb er liegen und beschäftigte sich mit den Bildern an seinem Bett und schlief dann tatsächlich oft wieder ein. Er fühlte sich offenbar wohl in seiner Höhle. Wach wurde ich trotzdem, weil das einfach so in mir drin ist – beim leisesten Huster sitze ich in meinem Bett und bin sprungbereit.
Aber solange Niklas sein Pflegebett hatte, musste ich nicht springen, weil er zufrieden in seiner Höhle blieb.
Exkurs: Freiheitsentziehende Maßnahmen
Wissen sollte man, dass der Einsatz eines solchen Pflegebetts mit Türen als „freiheitsentziehende Maßnahme“ gilt. Auch das Anbringen von Gittern, das Einschließen im Zimmer, Fixiergurte, Zwangsjacken, die Anwendung sedierender Medikamente und die Unterbringung in geschlossenen Stationen sind alles sog. freiheitsentziehende Maßnahmen. Auch das Wegnehmen von Rollstühlen oder Rollatoren und anderen Gehhilfen fällt darunter, weil man damit Selbständigkeit unterbindet.
Diese Maßnahmen sind in Heimen, Schulen, Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen seit Oktober 2017 in bestimmten Fällen nur noch mit richterlichem Beschluss erlaubt und natürlich nur, wenn sie zum Wohle desjenigen eingesetzt werden, der davon betroffen ist. Die Eltern bzw. Betreuer entscheiden zwar weiterhin primär, ob sie es für notwendig erachten, das Familien- bzw. Betreuungsgericht wird in manchen Fällen jedoch hinzugezogen, um die Kinder zu schützen und Eltern wegen der Schwere der Entscheidung zu entlasten.
Im häuslichen Bereich, also bei Kindern, die zuhause bei ihren Eltern leben, bedarf es keiner richterlichen Genehmigung für die Verwendung eines Pflegebetts. Trotzdem muss natürlich immer gewährleistet sein, dass die Maßnahme angemessen ist und sie nicht gegen das Recht auf gewaltfreie Erziehung (§ 1631 Abs. 2 BGB) verstößt. Sonst machen sich die Eltern strafbar.
Als Maßstab gilt hier immer das Kindeswohl, was bedeutet, dass eine Maßnahme nur dann eingesetzt werden darf, wenn sich das Kind sonst verletzen oder sich oder andere in Gefahr bringen würde. Alternativen sollten immer überlegt und abgewogen werden.
Zurück zu Niklas‘ Pflegebett:
Da Niklas das Bett super fand, er sich nachts nicht mehr durch Herumtigern im Haus gefährden konnte und es für uns alle ein großes Stück Lebensqualität bedeutete, waren wir sehr glücklich mit der Entscheidung. Eine lange Zeit war es Niklas‘ Lieblingsmöbelstück.
So beantragt und bekommt man ein Pflegebett:
- der behandelnde Arzt (Kinderarzt, Hausarzt) stellt ein Rezept aus. Besonderheiten, die das Bett haben muss, sollten dort schon vermerkt werden, z.B. die Möglichkeit, die Höhe der Liegefläche zu verstellen oder eine Abpolsterung im Innenbereich bei Kindern mit Epilepsie oder die Mindesthöhe der Gitter,….
- Die meisten wenden sich mit dem Rezept an ein Sanitätshaus. Dort wird man nochmal beraten, Modelle werden vorgeschlagen und von dort wird das Rezept mit der Anforderung eines bestimmten Wunsch-Modells an die Krankenkasse geschickt.
- Die Krankenkassen haben meist einen Fundus an Betten, da nicht mehr gebrauchte Pflegebetten dorthin zurückgebracht werden. Wenn diese noch funktionstüchtig sind, werden diese Modelle bevorzugt an ein neues Kind mit Bedarf ausgeliefert.
- Die Lieferung erfolgt meist über das Sanitätshaus. Mitarbeiter bringen das Bett in die Familie, bauen es auf und geben eine Einweisung in das Modell.
- Nicht selten werden Anträge erstmal abgelehnt. Es lohnt sich auf jeden Fall mit Hilfe des Sanitätshauses und einem neuen Gutachten des Arztes Widerspruch einzulegen.
Nach etwa fünf Jahren war es dann vorbei.
Von einem Tag auf den anderen beschloss Niklas, dass jetzt Schluss ist mit den Türen – also ließen wir sie offen und nachts ging das Herumtigern wieder los.
Nur kurze Zeit später wollte er das Bett insgesamt nicht mehr. Er schlief dann vor dem Bett auf einer Matratze. Es dauerte nicht lange und er gebärdete, dass wir das Bett aufräumen sollen.
Ein paar Tage lang diskutierten wir mit ihm noch hin und her, aber es war nichts zu machen – das Bett sollte weg.
Ok – wir riefen das Sanitätshaus an und ließen das Bett wieder abholen. Der Tag, an dem es abgeholt wurde, war dann nochmal spannend für Niklas. Er schickte dem Bett noch einen Luftkuss hinterher, setzte sich zufrieden auf seine Matratze und gebärdete „fertig“.
So hatten wir fünf tolle Jahre mit dem Pflegebett, aber dann hatte es eben ausgedient und Niklas zeigte uns das ganz deutlich. :-) Seitdem tigern wir nachts wieder oft durch´s Haus.
Einrichten eines Rückzugsortes Zuhause
Auch ohne Pflegebett ist es wichtig, einen Ort zuhause zu haben, an dem sich unsere Kinder geschützt vor Reizen, Anforderungen zurückziehen und von schwierigen Zeiten erholen können.
Ein solcher Rückzugsbereich kann für alle Beteiligten ein wirklicher Gewinn sein und kann auch in nicht kritischen Situationen genutzt werden. Ich habe Erfahrungen in einer Anleitung zusammengetragen, die du kostenlos für dich herunterladen kannst.
Hol dir hier gerne eine kostenlose Anleitung – einfach per Klick auf das Bild
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Hallo zusammen,
wir haben auch genau das gleiche Bett bekommen. Haben erst lange zusammen mit dem Kinderarzt hin und her geschrieben. Am Ende war der entscheidende Schlüssel zum Pflegebett, ein Vermerk im Protokoll der halbjährlichen Beratung durch einen Pflegedienst. (Der ja nun mal Pflicht ist, wie viele von euch wissen). Wer also solch ein Bett nicht bewilligt bekommt, sollte dies im Gespräch mit dem Pflegedienst thematisieren. Wünsche euch allen einen schönen Abend.
Dirk
Hallo, irgendwie hat man, glaube ich als Eltern schon einen 7. Sinn, wenn ich mir euer Pflegebett anschaue… Wir haben für unseren Sohn etwas ähnliches gekauft, auch etwa im gleichen Alter wie Niklas damals war, rundherum geschlossen mit einem Ausgang als Rutsche, unser Sohn hat dieses Bett ebenfalls sehr geliebt, war kein Pflegebett, wir wussten damals gar nicht, dass es sowas gibt, André ist jetzt 27. Jahre alt… und intuitiv weiß man glaube ich manchmal was richtig ist!