Autismus und Weihnachten – Strategien für entspanntere Feiertage

veröffentlicht im Dezember 2024


Die Weihnachtszeit steht vor der Tür, und für viele Familien mit autistischen Angehörigen ist das eine besonders herausfordernde Zeit. Während andere die Feiertage mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ verbinden, bedeutet es für uns oft: Reizüberflutung, Missverständnisse und ein Umfeld, das sich überfordert fühlt. Klingt vertraut?
Vielleicht kennst du das: Die Erwartungen von Verwandten sind hoch, dein Kind braucht Ruhepausen, und irgendwo dazwischen bist du, versuchst zu vermitteln und es allen recht zu machen. Aber was passiert, wenn dein Umfeld – seien es Großeltern, Tanten oder Freunde – mit der Situation nicht klarkommt? Das kann schnell in stressige Gespräche oder sogar Konflikte ausarten.

Vielleicht kannst du aus diesem Beitrag ein paar hilfreiche Tipps mitnehmen, die zu deiner Familie passen.

©Silke Bauerfeind, Norwegen 2024

Warum unser Umfeld oft überfordert ist

Weihnachten – die Zeit der Lichter, Geschenke und der „Harmonie“ – klingt erstmal schön, oder? Für viele Familien, besonders mit autistischen Kindern, ist die Realität aber oft anders. Neben der Anstrengung, die unser Alltag ohnehin häufig mit sich bringt, spürt man oft auch die Unsicherheit oder sogar Überforderung im eigenen Umfeld. Vielleicht kennst du das: Da sind die gut gemeinten Kommentare von Verwandten, die nicht so gut ankommen, oder der Rückzug von Menschen, die nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Aber warum passiert das überhaupt?

Ich glaube, es hat viel damit zu tun, dass viele Menschen wenig über Autismus wissen. Für sie ist es oft schwer zu verstehen, warum bestimmte Dinge für dein Kind nicht einfach sind – selbst wenn wir es immer wieder erklären, scheinen die besonderen Bedürfnisse oft nicht richtig anzukommen oder werden bei solchen Festen gerne mal vergessen.
Hinzu kommt, dass viele es eigentlich nur „richtig“ machen wollen, aber nicht wissen, wie. Und das führt dann zu diesen typischen Reaktionen: Rückzug, unüberlegte Kommentare oder im schlimmsten Fall sogar Konflikte.

Dann gibt es noch die hohen Erwartungen, die an Weihnachten offenbar dazugehören. Harmonie, Freude, Festessen – alles soll perfekt sein. Für viele Familien sind solche idealisierten Bilder aber weit weg von der Realität. Wenn dein Kind ein ruhiges Umfeld braucht oder nicht lange am Tisch sitzen kann, ist das für manche schwer zu verstehen. Und diese Idealvorstellungen setzen auch uns unter Druck.

Wie zeigt sich die Überforderung? Oft ganz unterschiedlich. Manche Verwandte ziehen sich zurück und wirken desinteressiert. Vielleicht sagen sie Dinge wie: „Früher war das doch alles viel einfacher“ oder „Ein bisschen Anpassung wäre doch drin.“ Ja, das tut weh. Und manchmal führt es zu richtigen Konflikten, wenn jemand das Gefühl hat, die eigene Vorstellung von Weihnachten kommt zu kurz.

Was mir immer hilft, ist mir bewusst zu machen, dass diese Überforderung selten böse gemeint ist. Sie ist oft einfach Ausdruck von Unsicherheit oder Unwissenheit. Das heißt natürlich nicht, dass du alles schlucken musst, was gesagt oder getan wird. Aber wenn du verstehst, woher diese Überforderung kommt, kannst du vielleicht einen anderen Zugang finden, der es ein kleines bisschen leichter macht. Denn am Ende wollen wir alle das Gleiche: eine schöne Weihnachtszeit, so wie es für unsere Familie passt.

So vieles von dem, was ich hier beschreibe, kenne ich nur zu gut aus eigener Erfahrung. Wir haben lange versucht, die alten Traditionen zu bedienen, so wie es „immer war“. Wir wollten irgendwie allen gerecht werden, dabei die Bedürfnisse unseres Kindes nicht aus den Augen verlieren und gleichzeitig das Gefühl haben, selbst noch Weihnachten zu feiern. Aber ehrlich gesagt wurde es irgendwann zu einem echten Spießrutenlauf. Irgendwann haben wir uns entschieden, Dinge zu verändern – Schritt für Schritt, sodass es für uns als Familie passt. Wie genau das für uns funktioniert hat, erzähle ich dir später noch. Aber ich kann schon jetzt sagen: Es hat so viel leichter gemacht.

Typische Schwierigkeiten während der Feiertage

Manchmal fühlt sich das an wie ein Hindernisparcours, bei dem man sich durch Erwartungen, Reizüberflutung und Missverständnisse schlängeln muss – und trotzdem das Gefühl hat, es nicht allen recht machen zu können.

Da sind zum Beispiel die Geräusche: das Rascheln von Geschenkpapier, Freudenschreie anderer Kinder, Essensgeräusche oder vielleicht auch das allgegenwärtige Glockengeläut. Für viele von uns ist das keine harmonische Untermalung, sondern eine Geräuschkulisse, die das Nervensystem unserer Kinder (und manchmal auch unser eigenes) an die Grenzen bringt. Während andere die Atmosphäre genießen, überlegen wir oft schon, wie wir einen Rückzugsort schaffen können, bevor die Reizüberflutung eskaliert.

Dann kommt die Sache mit den Geschenken. Während andere strahlende Kinderaugen erwarten, kann es bei uns ganz anders aussehen: Vielleicht ist das Geschenkpapier spannender als das eigentliche Geschenk, oder die Reaktion fällt so ehrlich aus, dass sie anderen die Sprache verschlägt. „Das ist langweilig“ oder ein sofortiges Weglegen des Geschenks sind eben keine Seltenheit. Oder es ist generell schwierig, mit Geschenken, die eine Art Überraschung sind, über die man keine Kontrolle hat, umzugehen.
An Weihnachten, wo sich so vieles um das „richtige Gefühl“ dreht, fällt das oft auf – und nicht immer positiv.

Auch die traditionellen Rituale können herausfordernd sein. Lange, gemeinsame Essen, viele Gäste, wechselnde Abläufe, fehlende Strukturen, die im Alltag Halt geben – was für andere ein Highlight ist, kann für uns und unsere Kinder schnell überfordernd werden. Die Erwartungen, dass alle gleichermaßen mitmachen und sich einfügen, sind oft hoch. Und wenn das dann nicht klappt, kommen häufig Kommentare wie: „Früher ging das doch auch“ oder „Ein bisschen Anpassung kann man doch erwarten.“ Das tut weh, vor allem, wenn man ohnehin schon sein Bestes gibt, damit alle eine schöne Zeit haben.

Vielleicht kennst du auch dieses Gefühl, hin- und hergerissen zu sein: Du möchtest, dass dein Kind sich wohlfühlt, dass die Familie ein schönes Fest hat und dass du selbst auch irgendwie zur Ruhe kommst. Aber gleichzeitig scheint es, als ob jede Entscheidung zu einer Erklärung führt. Warum zieht sich dein Kind zurück? Warum bleibt ihr nicht länger? Warum läuft dieses Weihnachten nicht so wie alle anderen? Es ist anstrengend, sich ständig rechtfertigen zu müssen – und noch dazu oft vor Menschen, denen man schon tausendmal erklärt hat, warum bestimmte Dinge einfach nicht funktionieren.

Strategien für entspanntere Feiertage

Wenn Weihnachten sich wie ein Wettlauf anfühlt, bei dem du versuchst, die Bedürfnisse deines Kindes mit den Erwartungen deines Umfelds in Einklang zu bringen, dann ist es Zeit, ein paar Dinge zu ändern. Denn mal ehrlich: Die Feiertage sollten für euch als Familie angenehm sein – und nicht zu einer Mission werden, bei der du alles und jeden retten musst. Hier ein paar Strategien, die dir helfen können, die Feiertage entspannter zu gestalten.

Erwartungen frühzeitig managen

Die größte Herausforderung an Weihnachten sind oft nicht die praktischen Dinge, sondern die Erwartungen der anderen. Viele stellen sich das „perfekte Weihnachtsfest“ vor – mit harmonischen Familienessen und strahlenden Kinderaugen. Aber wenn du weißt, dass bestimmte Situationen für dein Kind schwierig sind, kannst du versuchen, diese Erwartungen schon vorher etwas zu „entzaubern“.

Tipp 1: Kommuniziere im Vorfeld klar, was für dein Kind und für euch als Familie wichtig ist.
Zum Beispiel:
„[Name] wird nicht die ganze Zeit bei uns am Tisch sitzen, sondern zwischendurch Pausen machen. Das ist für ihn/sie notwendig und völlig okay.“

Tipp 2: Erkläre, warum bestimmte Dinge für euch nicht funktionieren, und biete Alternativen an.
Zum Beispiel:
„Wir können dieses Jahr nicht zu euch kommen, aber wie wäre es, wenn wir uns am Nachmittag für einen kurzen Spaziergang treffen?“

Tipp 3: Gib praktische Beispiele, die anderen helfen, die Situation besser zu verstehen.
„Für [Name] ist ein großes, lautes Essen wie ein Konzert mit Ohrstöpseln – er/sie schafft es, aber nur für kurze Zeit.“

Das klingt für viele erstmal ungewohnt, aber mit klarer Kommunikation kannst du oft Missverständnisse vermeiden.

freundlich und bestimmt Grenzen setzen

Weihnachten ist nicht der Moment, um dich selbst und deine Familie zu überfordern. Es ist in Ordnung, „Nein“ zu sagen, wenn etwas nicht funktioniert, auch wenn das im ersten Moment schwierig erscheint. Grenzen zu setzen bedeutet nicht, unhöflich zu sein, sondern dafür zu sorgen, dass es euch gut geht.

Tipp 1: Übe klare, einfache Sätze, um deine Grenzen zu kommunizieren.
Zum Beispiel:
„Wir bleiben nur bis 18 Uhr, weil es für [Name] sonst zu viel wird.“
„Danke für die Einladung, aber wir feiern dieses Jahr lieber zu Hause.“

Tipp 2: Bleib ruhig und freundlich, auch wenn jemand enttäuscht ist.
Du könntest sagen:
„Ich verstehe, dass ihr das anders seht, aber für uns funktioniert es so besser.“

Tipp 3: Plane Alternativen, die zu euch passen.
Wenn ein großes Familienessen nicht klappt, könnt ihr vielleicht eine kleinere Runde organisieren oder euch virtuell dazuschalten.

Rückzugsorte schaffen – für dein Kind und für dich

Gerade an Weihnachten gibt es oft viele Eindrücke, die dein Kind (und manchmal auch dich) überfordern können. Ein Rückzugsort ist daher Gold wert, egal, ob ihr zu Hause feiert oder bei Verwandten seid.

Tipp 1: Pack eine „Notfalltasche“ mit allem, was dein Kind für eine Pause braucht: Kopfhörer, ein Lieblingsspielzeug, ein Tablet, Snacks oder eine Decke.
Wenn ihr bei anderen seid, kläre vorher, welchen Raum dein Kind für Rückzug nutzen darf. Zum Beispiel:
„Es ist wichtig, dass [Name] sich zwischendurch zurückziehen kann – das hilft ihm/ihr, den Tag besser zu genießen. Welches Zimmer können wir dafür nehmen?“

Tipp 2: Richte auch für dich selbst kleine Pausen ein.
Manchmal hilft es, einfach kurz an die frische Luft zu gehen oder sich für ein paar Minuten zurückzuziehen. Es muss nicht immer dein Kind sein, das den Rückzugsort braucht!

Tipp 3: Lass die Familie wissen, dass diese Pausen kein „Drama“ sind.
Du könntest sagen:
„Das ist für uns normal – so schaffen wir es, den Tag entspannt zu erleben.“

Perfektionismus loslassen

Die Vorstellung vom „perfekten Weihnachtsfest“ ist oft das, was uns den meisten Stress macht. Aber es muss nicht perfekt sein. Es reicht völlig, wenn es für euch gut ist – und das bedeutet manchmal, Dinge wegzulassen, die andere für „unverzichtbar“ halten.

Tipp 1: Überlege dir, welche Traditionen euch wirklich wichtig sind und lass den Rest weg.
Vielleicht muss es nicht das stundenlange Festessen sein. Ein gemütliches Frühstück oder ein einfacher Nachmittag mit Keksen und Tee reichen oft völlig aus.
Oder vielleicht spricht dich auch die Idee mit dem Fingerfood an. Lies mal hier.

Tipp 2: Bleib flexibel.
Wenn etwas nicht klappt, wie geplant, ist das kein Weltuntergang. Du kannst dir selbst sagen:
„Es muss nicht perfekt sein, um schön zu sein.“

Tipp 3: Lass auch andere Erwartungen los.
Wenn dein Kind die Geschenke nicht so auspackt, wie es sich die Großeltern wünschen, ist das völlig in Ordnung. Vielleicht ist das Geschenkpapier spannender oder das Geschenk selbst nicht interessant. Das ist keine Unhöflichkeit, sondern einfach authentisch.

Kommunikation statt Diskussion

Du musst nicht alles allein machen. Oft gibt es in der Familie Menschen, die gern helfen würden, aber nicht wissen, wie. Je mehr du offen kommunizierst, desto leichter wird es, Unterstützung zu bekommen.

Tipp 1: Bitte konkret um Hilfe.
Zum Beispiel:
„Könntest du darauf achten, dass es nicht zu laut wird?“
„Würdest du mit [Name] ein Buch anschauen, wenn er/sie eine Pause braucht?“

Tipp 2: Betone, wie wichtig solche Kleinigkeiten sind.
Du könntest sagen:
„Das macht für uns einen großen Unterschied – danke, dass du uns unterstützt.“

Tipp 3: Vermeide lange Diskussionen.
Wenn jemand nicht einverstanden ist, bleib bei deiner Position:
„Ich weiß, dass das ungewöhnlich klingt, aber für uns funktioniert es so am besten.“

Realistische Erwartungen an Geschenke

Geschenke sind oft ein Thema für sich. Die Reaktionen deines Kindes könnten nicht so ausfallen, wie sich andere das vorstellen und das ist völlig okay. Nicht jedes Geschenk wird geliebt, und manchmal ist das Verpackungsmaterial spannender als der Inhalt.

Tipp 1: Bereite die Familie darauf vor.
Du könntest sagen:
„Für [Name] ist die Verpackung oft interessanter als das Geschenk selbst – das ist für uns ganz normal.“

Tipp 2: Lass dich nicht stressen, wenn ein Geschenk „falsch“ ankommt.
Nicht jedes Kind strahlt beim Auspacken – und das ist völlig in Ordnung. Du kannst selbstbewusst sagen:
„Das ist einfach seine/ihre Art – wir freuen uns trotzdem.“

Tipp 3: Plane praktische, einfache Geschenke.
Vielleicht sind Dinge, die deinem Kind Sicherheit oder Freude bringen, eine gute Idee – zum Beispiel etwas, das es schon kennt und liebt.

Sicherlich gibt es weitere Herausforderungen, die ich hier nicht angesprochen habe. Aber ich hoffe, dass dir diese Tipps auch für andere Themenbereiche Inspiration geben. Schreibe gerne in die Kommentare, wenn du weitere Strategien und Hinweise für andere Familien hast.

Positive Impulse für eine schöne gemeinsame Zeit

Weihnachten kann herausfordernd sein, ja – aber es bietet auch die Chance, etwas Neues zu gestalten. Anstatt nur auf die Schwierigkeiten zu schauen, können wir bewusst den Fokus auf positive Momente legen und kleine Veränderungen vornehmen, die das Miteinander leichter machen. Hier ein paar Impulse, die dir helfen können, das Beste aus den Feiertagen herauszuholen.

gemeinsam neue Rituale schaffen

Wer sagt, dass Traditionen immer gleich bleiben müssen? Es ist völlig in Ordnung, alte Rituale anzupassen oder neue zu schaffen, die besser zu euch passen. Vielleicht bedeutet Weihnachten für euch nicht mehr das große Familienessen, sondern ein gemeinsames Frühstück oder ein Spaziergang am frühen Abend, wenn alles ruhiger wird.

Impuls: Überlegt zusammen, was euch wirklich Freude macht. Vielleicht ist es ein Filmabend mit Decken und Popcorn oder ein kleines, unkompliziertes Ritual wie das Anzünden einer Kerze für jeden besonderen Moment des Tages. Neue Rituale müssen nicht groß oder aufwendig sein, sie sollten sich einfach gut anfühlen.

Humor als Strategie

Manchmal hilft es, die Dinge mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Gerade an stressigen Feiertagen kann Humor eine echte Rettungsleine sein. Wenn die Verpackung spannender ist als das Geschenk oder das Essen nicht gut ankommt, kannst du das als Anlass nehmen, gemeinsam darüber zu lachen. Das nimmt die Schwere aus vielen Situationen.

Impuls: Probier doch mal, ein Familien-Weihnachtsspiel zu machen: Wer als Erster die schräge Situation des Tages entdeckt, bekommt einen Punkt. Zum Beispiel: „Wer hat das ungewöhnlichste Geschenk?“ oder „Wer schafft es, aus einem Karton das beste Bauwerk zu machen?“ So wird der Druck rausgenommen, und der Fokus liegt auf der Freude im Moment.

kleine Gesten

Manchmal sind es nicht die großen Ereignisse, die den Unterschied machen, sondern die kleinen Gesten, die Verbindung schaffen. Vielleicht ist es ein liebevoll verpacktes Geschenk für ein Familienmitglied, das euch immer unterstützt, oder ein aufrichtiges „Danke“, wenn jemand Verständnis zeigt.

Impuls: Überleg dir im Vorfeld, wie du anderen eine kleine Freude machen kannst, die zu eurer Situation passt. Das könnte ein selbstgemachter Gutschein sein, eine schöne Nachricht oder einfach das Angebot, gemeinsam Zeit zu verbringen, ohne Druck oder Erwartungen.

Gelegenheit für Sensibilisierung

Weihnachten ist eine gute Gelegenheit, dein Umfeld ein Stück weiter für eure Bedürfnisse zu sensibilisieren, ohne dabei belehrend zu wirken. Oft hilft es, mit positiven Beispielen zu arbeiten, die deine Familie und Freunde besser verstehen können.

Impuls: Teile Anekdoten aus dem Alltag, die die besonderen Momente hervorheben. Zum Beispiel: „Weißt du, was für [Name] das Schönste an Weihnachten war? Die Lichterkette, die wir gemeinsam aufgehängt haben. Das war für ihn/sie so ein besonderer Moment.“ Solche Geschichten zeigen, worauf es wirklich ankommt – und helfen, mehr Verständnis zu schaffen.

Selbstfürsorge nicht vergessen

Zwischen all den Vorbereitungen und den Bemühungen, allen gerecht zu werden, ist es wichtig, auch an dich selbst zu denken. Weihnachten ist auch für dich eine Zeit, in der du dir kleine Pausen gönnen solltest – ganz bewusst.

Impuls: Plane im Vorfeld kleine Auszeiten nur für dich. Vielleicht ist es eine halbe Stunde mit deinem Lieblingsbuch, ein Spaziergang allein oder einfach ein Moment der Ruhe bei einer Tasse Tee. Es geht nicht darum, große Dinge zu tun, sondern darum, dir Raum zu nehmen, um Kraft zu tanken.

Aufklärung und Haltung innerhalb der Familie

Weihnachten kann für Familien mit autistischen Kindern eine echte Herausforderung sein. Es kostet oft Kraft, den Bedürfnissen des eigenen Kindes gerecht zu werden, dem Umfeld zu erklären, warum bestimmte Dinge anders laufen müssen, und dabei noch die Balance zu finden, sich selbst nicht zu vergessen. Und ja, manchmal fühlt es sich an, als müsste man alle gleichzeitig glücklich machen, was einfach unmöglich ist.

Aber: Es gibt Familien, bei denen das funktioniert. Nicht, weil sie keine Herausforderungen haben, sondern weil sie es geschafft haben, einen Weg zu finden, der für sie passt. Wo das Umfeld bereit ist zuzuhören und anzupacken, wo Traditionen angepasst wurden und wo die Bedürfnisse aller berücksichtigt werden.
Sicherlich braucht es Zeit und kleine Schritte. Aber mit klaren Worten, einer Portion Selbstfürsorge und Menschen, die bereit sind, auf euch einzugehen, kannst du die Feiertage Stück für Stück so gestalten, dass sie sich gut anfühlen. Für dein Kind, für dich und für die ganze Familie.

Hier noch ein paar Impulse:

Einfach und anschaulich erklären:
Je konkreter du bist, desto besser verstehen andere, worum es geht. Ein lockerer Einstieg wie: „Wusstet ihr, dass [Name] das Rascheln von Geschenkpapier liebt, das Geschenk selbst aber gar nicht so wichtig findet?“ kann Türen öffnen. Solche kleinen Einblicke zeigen, was für dein Kind besonders ist, ohne belehrend zu wirken.

Eine weitere Möglichkeit ist, Ressourcen zu teilen, die dir selbst geholfen haben: ein Artikel, ein kurzes Video oder eine persönliche Anekdote. Zum Beispiel: „Ich habe neulich einen Beitrag gelesen, der erklärt, wie wichtig Ruhephasen für autistische Kinder sind. Das hat uns sehr geholfen, unseren Alltag besser zu gestalten.“

Positives Feedback geben:
Es ist leicht, sich auf das zu konzentrieren, was nicht klappt. Aber wenn jemand aus deinem Umfeld Rücksicht zeigt, auch nur ein kleines bisschen, ist das eine Gelegenheit, positives Feedback zu geben. Ein simples „Danke, dass du [Name] Zeit gegeben hast“ oder „Das war wirklich toll, dass du darauf geachtet hast, dass es nicht zu laut wurde“ kann Wunder wirken. Es zeigt, dass du die Bemühungen siehst – und das motiviert oft, sich noch mehr einzubringen.

Gemeinsam gestalten:
Menschen, die aktiv eingebunden werden, entwickeln oft ein besseres Verständnis. Frag doch mal: „Was könnten wir tun, damit [Name] sich wohler fühlt?“ oder „Hättest du Lust, mit [Name] ein Spiel auszuprobieren, das er/sie liebt?“ Solche Fragen schaffen Verbindung und geben deinem Umfeld die Chance, Teil der Lösung zu sein.

Den Fokus auf die eigene Familie legen:
Bei allen Bemühungen, Verständnis zu fördern, darfst du nicht vergessen, dass eure eigenen Bedürfnisse an erster Stelle stehen. Es ist absolut in Ordnung, Traditionen loszulassen, die für euch nicht mehr funktionieren, und Weihnachten so zu gestalten, dass es sich für euch gut anfühlt.

Die Prioritäten richtig setzen:
Frag dich: Was ist für unsere Familie wirklich wichtig? Ist es das stundenlange Familienessen oder der Moment, in dem dein Kind glücklich mit einem Karton spielt? Wenn du das klar hast, kannst du deine Energie auf die Dinge lenken, die euch wirklich Freude machen und den Rest loslassen.

Perfektionismus hinterfragen:
Die perfekte Deko, das perfekte Essen, die perfekte Stimmung – diese Ansprüche setzen uns oft unter Druck. Aber was, wenn „gut genug“ wirklich reicht? Ein lockeres Zusammensein, ein einfaches Essen oder ein Nachmittag, an dem jeder machen darf, was er mag, kann oft viel entspannter sein als ein durchgeplantes Programm.

Rituale anpassen:
Wer sagt, dass Weihnachten immer gleich ablaufen muss? Vielleicht wird aus dem großen Abendessen ein gemütliches Frühstück, oder ihr feiert in kleiner Runde statt im großen Familienkreis. Es ist völlig in Ordnung, alte Traditionen loszulassen und neue zu schaffen, die besser zu euch passen.

Eigene Grenzen respektieren:
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass du es nicht allen recht machen kannst – und das musst du auch nicht. Wenn etwas nicht funktioniert, ist ein freundliches „Das passt für uns dieses Jahr nicht“ völlig ausreichend. Deine Familie und dein Wohlbefinden stehen an erster Stelle.

Nicht perfekt, aber genau richtig

Manchmal fühlt es sich wie ein Balanceakt an: Einerseits möchtest du dein Umfeld für die Bedürfnisse deines Kindes sensibilisieren und Verständnis schaffen, andererseits weißt du, wie wichtig es ist, die eigenen Bedürfnisse und die deiner Familie nicht aus den Augen zu verlieren. Und ehrlich – das ist keine leichte Aufgabe. Es kann kraftaufwendig sein, immer wieder zu erklären, warum Dinge anders laufen, und manchmal trotzdem auf Menschen zu treffen, die nicht verstehen wollen oder können. Das ist traurig und schmerzt, vor allem, wenn es Menschen sind, die einem eigentlich nahestehen. Aber genau hier ist es wichtig, dir selbst zu sagen: Du musst es nicht allen recht machen.
Weihnachten ist nicht der Moment, um für alle da zu sein – es ist der Moment, um für euch da zu sein. Es geht nicht darum, dass alles perfekt läuft, sondern darum, einen Raum zu schaffen, in dem ihr euch wohlfühlt. Und das kann bedeuten, dass manche Traditionen losgelassen werden oder neue Wege gegangen werden, die besser zu euch passen.
Es ist auch okay, wenn es dieses Jahr noch nicht so klappt, wie du es dir wünschst. Vielleicht braucht es ein weiteres Gespräch, ein bisschen mehr Mut, oder auch Zeit, bis dein Umfeld wirklich versteht. Aber das ist völlig in Ordnung. Wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann eben nächstes Jahr oder übernächstes. Jeder kleine Schritt, den du machst, zählt und bringt euch näher an das Weihnachtsfest, das für euch richtig ist.

Zum Weiterlesen:
Fingerfood und Gedankencrunchy an Weihnachten

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Wir, mein Mann und ich, haben damals schon lange keine Weihnachten mehr gefeiert. Unsere beiden Kinder (Asperger Autist und Nicht Autist) mochten es eh von Anfang an nicht. Und nur wegen den Verwandten ein Fest feiern welches uns eh nicht zusagt, kam für uns nicht in Frage.

    So haben wir uns entschieden dieses Fest selbst nicht zu feiern. Da die Verwandten jedoch Wert drauf legten sich an solchen Tagen im Familienkreis zu treffen, hat nur mein Mann sich entschieden alleine daran teilzunehmen.

    Keiner von den Verwandten hat sich daran gestört dass nur mein Mann alleine zum ersten Weihnachtstag (oder auch an anderen Festtagen) bei Ihnen erschien. Sie wussten um meinen Autismus und um den Autismus meines Sohnes.

    Wir haben uns auch nicht beschenkt und auch die Kinder wurden an solchen festgesetzten Feiertagen nicht beschenkt. Sie durften sich dafür aber zweimal im Jahr etwas ganz bestimmtes wünschen und wir haben ihnen diesen Wunsch dann erfüllt.

    Klassenkameraden meiner beiden Söhnen fanden es immer cool dass unsere Kinder zweimal im Jahr zu irgendeinem Zeitpunkt einen Wunsch äußern durften, und dieser ihnen dann erfüllt wurde.

    Während diese Kinder schon im Sommer Wünsche hatten die ihnen jedoch erst zu Weihnachten oder zu ihren Geburtstagen erfüllt werden sollten, konnten unsere Kinder schon am nächsten Tag sich ihren Wunsch erfüllen lassen. Darum wurden sie von den Klassenkameraden oft beneidet. :)

    Und so ist es bis heute geblieben. Nicht zu "vorgeschriebenen" Zeiten wird geschenkt, sondern irgendwann im Jahr wenn keiner damit rechnet. Und darüber freue ich mich bis heute.

    Wenn mir einer meiner Söhne sagt dass er mir was schenken möchte und ich sagen soll was ich haben möchte, weiß ich dass das von Herzen kommt und nicht weil irgendeine Tradition es vorgibt. :)

    Während mein Mann (als er noch lebte) es sich oft zum Geschenk machte alleine in den Urlaub zu fahren, durfte ich meine Zeit zuhause so verbringen wie es mir persönlich zusagte, das war sein Geschenk an mich. :)

    Anfangs wurden wir zwar von anderen wegen dieser Entscheidung noch etwas schief angesehen, aber wenn ich sie sagen hörte "hoffentlich ist Weihnachten bald vorbei", obwohl es noch gar nicht mal begonnen hatte, wusste ich dass diese Menschen letztendlich nicht wirklich den Wunsch hatten Weihnachten zu feiern.

    Sie trauen sich halt nur nicht einfach mal einen anderen Weg zu gehen, denn es heißt immer noch viel zu oft "man muss doch Weihnachten feiern". Aber muss man das wirklich? Wir haben uns anderes entschieden und es nie bereut. :)

    1. Liebe Zarinka,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Erfahrung. Es ist schön zu lesen, wie Ihr das handhabt. Mir gefällt es richtig gut, wie Ihr das in der Familie macht.
      Herzlichst Silke

  2. Das ist wirklich ein großartiger Beitrag ! Ich habe ich gleich mal an die gesamte Familie verschickt ;D
    Vielen 1000 Dank dafür – ich habe jahrelang darunter gelitten an Weihnachten zur Familie zu fahren ( mit meiner inzwischen 23-jährigen autistischen Tochter ) weil ich nie wusste, was passiert und mich am Weihnachtsbaum nicht entspannen konnte und in Habachtstellung war zum Schutz meiner Tochter, aber auch vor blöden Kommentaren aus der Familie. Inzwischen bin ich natürlich schlauer geworden und weiß, wo die Triggerpunkte liegen. Ich hätte Ellas Blog schon vor 15 Jahren gebraucht :D

    1. Liebe Johanna! Ach wie schön, ich freue mich gerade sehr. So schön, dass Dir der Beitrag hilft und ich wünsche Dir von Herzen, dass ein paar Punkte auch bei der Familie ankommen.
      Eine wunderbare Zeit Dir, herzlichst Silke

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Es ist immer wieder überwältigend, was wir als Eltern autistischer Kinder bedenken, organisieren und verarbeiten müssen. Neben viel Wissen und Erfahrungen, die du hier im Blog findest, ist eine solidarische Gemeinschaft unglaublich hilfreich. Das Forum plus ist ein geschützter Bereich nur für Eltern autistischer Kinder. Hier findest du außer praktischen Tipps viel Verständnis und Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie Du.

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