Wenn ich gefragt werden, was Niklas` Stärke ist, sage ich meistens: „Seine Kommunikation“.
Viele sind dann erstmal erstaunt, weil Niklas ja nicht spricht. Aber wenn sie dann mitbekommen, wie er gebärdet und darüber hinaus sich mit Körpersprache, Zeigen und gelegentlichem Schreiben verständigt, wird schnell klar, warum es tatsächlich seine Stärke ist.
Neulich las ich in einem Gutachten über ihn: „Kommunikation ist nicht möglich“.
In mir regte sich natürlich Protest, denn diese Aussage ist schlicht falsch.
Richtig ist sie nur dann, wenn man sich nicht auf seine Art des Kommunizierens einlässt. Um das zu tun, ist es nicht einmal notwendig, die Gebärdensprache zu beherrschen. Es braucht eigentlich nur etwas guten Willen, Interesse und Begeisterung dafür, etwas Neues zu lernen.
Es gibt Menschen, die das supertoll machen. Sie lernen Niklas kennen und sind anfangs verständlicherweise etwas verunsichert, fragen, wie sie sich verhalten, wie sie sprechen sollen. Aber wenn wir erklären, dass sie ganz normal sprechen können, weil Niklas alles versteht und die Gebärden nur dafür nutzt, um sich selbst mitzuteilen, lösen sich einige Fragezeichen in den Köpfen unseres Gegenübers (rw).
Niklas freut sich dann immer sehr und nimmt es überhaupt nicht übel, dass (noch) kein Gebärdenwortschatz beim Anderen vorhanden ist. Alleine die Tatsache, dass seine Form der Kommunikation respektiert und auf sie eingegangen wird, führt dazu, dass der Beginn eines Miteinanders möglich wird.
Schwierig ist es, wenn es nicht möglich, nicht gewollt ist oder die Hemmschwelle zu groß ist, sich auf Niklas einzulassen. Auch wenn zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um sich miteinander zu beschäftigen und eine Verständnisebene zu finden, klappt es nicht.
Es folgt dann ein „über seinen Kopf hinweg sprechen“, wir rutschen in eine Art Dometscherrolle und eine direkte Kommunikation ist dann in der Tat nicht möglich. So kam es dann zum Beispiel zu dem Eintrag im Gutachten.
Ich finde solche Aussagen ganz unabhängig von Niklas sehr schade, denn meiner Meinung nach ist Kommunikation immer möglich – in welchem Umfang ist sicherlich unterschiedlich. Aber Kommunikation ist auch eine Form von Körpersprache, Mimik, Verhalten, Zeigen, Führen, Lautieren, Geschwindigkeit, Nutzen elektronischer Hilfsmittel, Karten und vielem mehr. Selbst Pausen und Schweigen sind Facetten von Kommunikation.
Wir Bezugspersonen, Fachleute und alle, die auf die übliche Art und Weise kommunizieren – eben so, wie wir es in unserem Kulturkreis gewohnt sind – sollten unbedingt verinnerlichen, dass es viele weitere Wege gibt, sich mitzuteilen, bevor wir Aussagen treffen wie: Kommunikation ist nicht möglich.
Es liegt vor allem an uns, uns darauf einzulassen und damit unseren Horizont zu erweitern – nicht nur, was die Kommunikationsform betrifft, sondern auch, was es an Inhaltlichem zu entdecken gibt.
Und wenn es zu Missverständnissen kommen sollte, sind wir Bezugspersonen an der Reihe, uns zu vergewissern, ob wir uns unmissverständlich und klar ausdrücken und ob unsere Botschaften ankommen.
Ganz nebenbei macht es auch sehr viel Freude, denn gelingende Kommunikation ist außerordentlich befriedigend.
Zum Weiterlesen:
Jemand, der nicht spricht, kann trotzdem richtig kommunizieren
„Man kann nicht nicht Kommunizieren“
Wenn man zum ersten Mal in Italien Urlaub macht, ist ebenfalls alles fremd. Man versteht sich nicht gegenseitig, muss sich auf Mimik und Gestik beschränken. Dennoch wird der Urlaub als wunderschön bei Freunden und Verwandten beschrieben.
Warum ist das so?
Weil das Drumherum viel mehr zählt.
Sich auf Fremdes einzulassen ist sehr schwer. Viele Gefühle stolpern in uns hinein.
Hilflosigkeit, Fremdartigkeit, Verzweiflung, Mut ist nötig, und doch treibt uns die Neugierde weiter, statt uns zurück zu ziehen.
Warum nicht auch bei Menschen im Umfeld?
So genau kann ich das auch noch nicht verstehen.
Aber ich kann Deine Worte sehr gut nachvollziehen.