Wie Autistinnen und Autisten an Bildung, Arbeit, Wohnen und Freizeit teilhaben können, ist ein großes Thema. Häufig wird in diesem Zusammenhang von Barrierefreiheit gesprochen und im Kontext Autismus bedeutet diese Barrierefreit nochmal etwas anderes, als wir das häufig in den Medien hören, die meistens ausschließlich über die Installation von Rampen sprechen.
Barrierefreiheit für Autistinnen und Autisten bedeutet vor allem Reizreduzierung, Struktur und geeignete Mittel für Kommunikation und weitere Rahmenbedinungen. Darüber habe ich bereits HIER ausführlich geschrieben.
Ich möchte in diesem Beitrag auf einen anderen Umstand hinaus, denn das Einrichten reizarmer Umgebung und Strukturen reicht häufig nicht aus, um Teilhabe zu ermöglichen.
Ich stelle immer häufiger fest, dass es nicht damit getan ist, sondern dass hinzu die Ermutigung und Einladung gehören, damit Hürden genommen werden können.
Dafür könnte man zum Beispiel anbieten, eine Autistin oder einen Autisten abzuholen, zu begleiten und wieder nach Hause zu bringen. Gerade diese Übergänge (losgehen, hinfahren, ankommen, wieder weggehen) stellen eigene Hürden dar, die NichtautistInnen häufig nicht erkennen.
Und – was ich bei Niklas häufig feststelle – Teilhabe muss bei ihm auch aufsuchend stattfinden, um eine Chance zu haben.
Was ich damit meine ist, dass man nicht erwarten sollte, dass er doch kommen kann, weil alles ruhig und geordnet ist, sondern dass es an manchen Tagen, in manchen Lebensphasen, an manchen Orten notwendig ist, zu ihm zu kommen, wenn man ein Miteinander ermöglichen möchte.
Hingehen und Interesse zeigen, vielleicht auch da bleiben, wenn er nicht mitkommen möchte.
Leider machen es sich manche Menschen zu einfach, in dem sie darauf warten, dass Autistinnen und Autisten „doch einfach kommen können“. Man nehme doch Rücksicht und man habe doch alles abgesprochen. Nein, das reicht bei vielen nicht aus. Es bleiben Unsicherheiten und Hürden und die Übergänge brauchen Unterstützung.
Aus manchen Familien wird mir genau dies zurückgemeldet, dass andere darauf warten, dass die Autist/in doch nun endlich kommen könne. Auf die Idee, hinzugehen und die Teilhabe, das Miteinander dort zu realisieren oder zumindest zu beginnen, wo sich die AutistIn gerade aufhält, kommen leider nicht so viele.
Das kann daran liegen, dass diese Hürde einfach nicht bekannt ist und dann hilft es, aufzuklären und den Übergang zu unterstützen, abzuholen oder die Gesellschaft an Ort und Stelle zu ermöglichen. Manchmal kann dies auch ein guter Auftakt dafür sein, beim nächsten Mal dann nach dem Aufsuchen auch einen Übergang an einen anderen Ort zu ermöglichen.
Es kann auch an Bequemlichkeit oder Unwillen liegen. Eine Mutter meldete mir zurück, dass ein Familienmitglied sagte: „Jetzt nehmen wir schon Rücksicht und haben die Musik ausgestellt. Ich sehe nicht ein, dass ich jetzt auch noch hingehen und eine Extraeinladung aussprechen soll.“ Oder: „Ich möchte ja gerne etwas mit Deinem Kind machen, aber hier und nicht da oben im Zimmer.“
Wie so oft trennt sich hier die Spreu von Weizen (rw) und wir erkennen, wer wirklich Teilhabe mit unserem Kind leben möchte und wer dies nur ab und zu als Alibi einrichtet. „Dann schaue ich halt mal kurz vorbei. Wenn er dann nicht will, kann ich auch nicht weiterhelfen.“
Ich stelle bei Niklas häufig fest, dass er Gesellschaft genießt. Er mag es, mit anderen Menschen zusammen zu sein, mit ihnen zu gebärden, ihnen zuzuhören, Quatsch zu machen und Zeit miteinander zu verbringen. Aber je nachdem, ob er sich an einem bekannten oder weniger vertrauen Ort aufhält oder auch abhängig davon, wie es ihm insgesamt geht, wie voll die Energiereserven sind, ist dies manchmal nur an Orten möglich, die er auswählt und an denen er sich sicher und wohl fühlt.
Dann ist er darauf angewiesen, dass man sich auf ihn einlässt und ihn dort besucht, wo er gerade ist.
Dieser Umstand ist natürlich nicht nur in der Familie gegeben, sondern auch in weiterem Rahmen wie zum Beispiel in der Schule und bei Freizeitaktivitäten. Um Teilhabe zu unterstützen, ist es hierbei oft nötig, die genannten Übergänge zu begleiten, den Autisten/ die Autistin also im wahrsten Sinne des Wortes zum Beispiel abzuholen. Das können Freunde, Schulbegleiter (auch für den Weg zur Schule), Familienmitglieder, Bekannte, FeD/Fudler oder AssistentInnen übernehmen, die damit einen großen Schritt in Richtung Teilhabe unterstützen und Brücken bauen.
Zum Weiterlesen:
das sehe ich auch so, liebe silke. nts gehen ja auch nicht überall hin, nur weil sie es dort aushalten würden. das ist die basis, um hingehen zu können, aber noch kein grund. es muss sich auch noch lohnen.