Neulich erreichte mich die Zuschrift einer Mutter: „Mich kotzt es im Moment an, dass jeder aus unserem Bekanntenkreis nun meint, sein Kind habe auch Autismus. Es nervt einfach. Diese Kinder sind mir bekannt und sie sind alles andere als Autisten.“

Das ist nicht die erste Wortmeldung in dieser Art und auch ich selbst bekomme immer mal wieder zu hören: „Ach, das ist bei uns auch so.“ Oder: „Ich will ja nicht vergleichen, aber bei meinem ist das ähnlich. Vielleicht ist er auch Autist.“
Dieses Reizthema ist unter Eltern autistischer Kinder ein Dauerbrenner und daher hatte ich bereits im Vorfeld zur Entstehung meines Buches bei Eltern nachgefragt, welche Erfahrungen sie dazu gemacht haben. Anschließend schrieb ich ein extra Kapitel dazu, das ich im Folgenden in Auszügen online zur Verfügung stelle.
©Auszug aus „Ein Kind mit Autismus zu begleiten, ist auch eine Reise zu sich selbst“:
Nach der Auswertung der Fragebögen zu urteilen, bringt dieser Ausspruch die meisten Eltern extrem hoch auf die sprichwörtliche Palme (rw).
Ich lese viele heftige Reaktionen dazu. Eltern autistischer Kinder reagieren auf diese Worte wütend und „je nach Tagesform manchmal genervt, manchmal frustriert, manchmal resigniert.“
Die große Mehrheit fühlt sich nicht ernst genommen und hat das Gefühl, dass ihre Probleme bagatellisiert werden: „Ich fühle mich dann total missverstanden und abgewiegelt, nicht ernst genommen, schlecht…“ […]
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In Gesprächen mit Eltern nicht-autistischer Kinder kommt es immer wieder vor, dass Entwicklungsverzögerungen oder Besonderheiten in der Wahrnehmung mit den Worten abgewiegelt werden: „Ach, das macht meiner doch auch manchmal. Das hat nichts zu bedeuten.“
Wenn man bedenkt, welchen langen Weg viele Familien hinter sich haben, bis sie eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum erhalten, klingt es in deren Ohren wie Hohn. „Das macht mich unendlich wütend – und ich breche solche Gespräche inzwischen ab, sage auch, dass es eben nicht so ist bei ihnen.“
Eine andere Mutter reagiert dann manchmal, indem sie zurückfragt: „Wann hattest du zum letzten Mal kalten Kaffee, kein Essen, keinen Schlaf über Jahre?“ Außerdem benutzt sie bei ihren Ausführungen extra Fachbegriffe, die keiner versteht. „Es bereitet mir Genugtuung, wenn ich diesen Besserwissern demonstrieren kann, wie wenig Ahnung sie eigentlich haben“, meint eine weitere Mutter dazu.
Die meisten Eltern autistischer Kinder würden es vorziehen, dass Menschen, die sich mit dem Thema Autismus nicht befasst haben, solche Vergleiche unterlassen. „Einfach mal die Klappe halten, wenn man keine Ahnung hat“, schreibt ein Vater.
Viele äußern, mit Leuten, die etwas in dieser Art sagen, danach nichts mehr zu tun haben zu wollen, da diese „einfach nichts, gar nichts, überhaupt nichts verstanden haben“.
Eltern fühlen sich manchmal zwar auch wie mit Samthandschuhen angefasst, aber nicht weil man Verständnis für ihre Lebenssituation hätte, sondern weil sie offenbar selbst für nicht ganz zurechnungsfähig gehalten werden: „Mir wird manchmal das Gefühl vermittelt, als ob ich nicht alle Tassen im Schrank habe (rw) und dass ich mein Kind unnötig pathologisieren würde. Als ob uns das alles Spaß machen würde!“
Als besonders verletzend werden Situationen beschrieben, in denen Freunde, die eigentlich gut Bescheid wissen müssten, äußern: „Ich weiß, man kann das nicht vergleichen und ich will es auch gar nicht vergleichen, aber trotzdem ist bei uns ‚das‘ auch irgendwie so.“
Die überwältigende Mehrheit an Antworten greift solche Szenen auf. Eltern finden es frustrierend, verletzend und desillusionierend, da erneute Aufklärung zwecklos zu sein scheint.
Es gibt einige Wortmeldungen von Eltern, die das etwas gelassener sehen: „Ich kann es verstehen, aber ich nehme das oft nicht ernst, weil diese Eltern nicht wissen können, wie das Leben mit einem autistischen Kind ist.“
Oder: „Viele Dinge sind sicher ähnlich, aber eben nur ähnlich. Ist mir klar, macht mir nichts aus. Ich weiß, dass es so ist.“
Jeder hat Probleme und jeder darf diese natürlich äußern. Manche gehen mit solchen Vergleichen daher entspannt um: „Inzwischen kann ich über diese Sätze innerlich nur noch lachen und ignoriere es nach außen. Selten kommt es vor, dass ich mit anderen Eltern tatsächlich darüber diskutiere und auch mal deutlicher in meiner Argumentation werden muss.“
Und ein paar sehen es sogar positiv: „Es ist befriedigend zu wissen, dass sie die gleichen Baustellen an einigen Punkten haben wie wir mit unseren Kindern.“
Man müsste sicherlich jede einzelne Situation für sich betrachten, um beurteilen zu können, ob der Spruch angebracht ist oder nicht. […] „Es gibt Situationen oder Verhalten von Kindern, das auch bei ‚normalen’ Kindern vorkommen kann und dann finde ich es vollkommen in Ordnung, wenn es heißt ‚Das kenne ich auch’. Wenn die Situation mit dem ‚normalen’ Kind aber weit weniger intensiv ist, finde ich solche Aussagen unverschämt.“
Das war ein Auszug des Kapitels, der aber schon recht gut zeigt, dass es ein sensibles Thema ist, das sich bei den meisten stetig durchzieht. Manche gehen mit der Zeit gelassener damit um, wenn sie mit solchen Vergleichen konfrontiert werden. Für andere bleibt es ein „rotes Tuch“ (rw).
