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Warum der Leitfaden nötig ist
Wahrscheinlich haben schon fast alle die Erfahrung gemacht, dass Gespräche zwischen Eltern und Fachleuten oder Entscheidungs- bzw. Kostenträgern häufig festgefahren sind, kein Verständnis möglich ist, Missverständnisse nur schwer ausgeräumt werden können und das Ganze dann Konsequenzen hat, die vor allem unsere Kinder zu tragen haben: Schulausschluss, Kündigung von Heimplätzen, Ablehnung von Kostenübernahmen und vielem mehr.
Wenn wir davon ausgehen, dass die Förderung unserer autistischen Angehörigen doch immer im Fokus stehen sollte und alle nur das Beste im Sinn haben, sollte es doch möglich sein, ein besseres Miteinander zu finden. Ein Miteinander, das der jeweils anderen Perspektive Raum gibt, verschiedene Expertisen respektiert und gemeinsam nach Lösungen sucht, ohne Machtgefälle zu demonstrieren.
Natürlich gibt es viele positive Beispiele, die zeigen, dass genau dies gelingen kann, aber viel zu oft leider auch noch das Gegenteil. Dann wird der Alltag von Familien zum Spießroutenlauf und die Folgen sind für Personen, die nur einen einzelnen Sachverhalt betrachten, nicht nachvollziehbar.
Vor allem im Kontext Autismus ist es jedoch besonders wichtig, Lebensbereiche nicht isoliert zu betrachten, sondern sich gegenseitig zuzuhören, voneinander zu lernen und im Kontext zu denken und zu handeln.
Ich würde mir sehr wünschen, dass meine Zeilen dazu beitragen können, dies besser zu erreichen.
Offene Kommunikation
Vertrauensvolle und offene Gespräche sind der Schlüssel für eine gute Zusammenarbeit.
Ziele klären
Dabei ist es zunächst wichtig, die Ziele zu klären. Was soll erreicht werden und was steht im Fokus der Zusammenarbeit? Das sollte eigentlich immer das Wohl, die Förderung und Lebensqualität des autistischen Kindes bzw. Angehörigen und dessen Familie sein.
Wichtig ist es, die Ziele realistisch zu definieren, ggf. Teilschritte zu setzen und sich darüber regelmäßig auszutauschen: was klappt gut, was nicht so gut, wo können alle zufrieden sein, wo sollte nachgebessert werden? Das klappt am besten, wenn man sich zuvor gemeinsam auf ein Ziel geeinigt hat.
Darüber hinaus können sogenannte „SMARTE Ziele“ definiert werden. Wenn dich das näher interessiert, findest du einen erweiterten Leitfaden in der Schatzkiste von Ellas Blog.
Vertrauensvolle Gespräche
Vertrauen in Gesprächen zu haben, kann man sich natürlich nicht einfach so vornehmen. Es muss und darf wachsen, manchmal gibt man auch Vertrauensvorschuss, nur wenn dies immer wieder enttäuscht wird, wirkt es sich natürlich negativ auf zukünftige Gespräche aus. Daher ist es nicht nur für ein aktuell anstehendes Gespräch wichtig, sondern auch nachhaltig von großer Bedeutung, dass wir unseren Teil zu einer gelingenden Kommunikationskultur beitragen.
Wir können alle versuchen, weniger misstrauisch miteinander zu agieren, sondern wohlwollender aufeinander zugehen. Zum Beispiel mit der Haltung:
Eltern möchten nichts beantragen oder fordern, was ihren Kindern nicht zusteht, sie wären froh, wenn keine besonderen Optionen nötig wären. Und Entscheidungsträger sind auch an gut gelingender Zusammenarbeit interessiert.
Keine Machtinstrumente ausspielen
Helfen kann dabei, wenn sich niemand hinter einer Rolle versteckt, sondern als Person Interesse am zu lösenden Problem oder zu bewilligenden Antrag usw. zeigt. Sei du selbst, sowohl als Elternteil, als Lehrkraft, MitarbeiterIn im Jugendamt, beim Bezirk oder bei anderen Entscheidungsträgern.
Wichtig ist zu signalisieren, dass niemand Angst vor Verurteilungen und Schuldzuweisungen haben muss und keine Machtinstrumente ausgespielt werden, wie z.B. Kindeswohlgefährdung, Sorgerechtsentzug, Schulausschluss, Kündigung von Arbeits- oder Heimplätzen usw. Mit diesen Androhungen wird leider viel zu oft und viel zu schnell gearbeitet und macht damit ein vertrauensvolles Miteinander unmöglich.
Natürlich ist es wichtig, genau hinzusehen und mögliche Konsequenzen aufzuzeigen, aber niemals sollten diese als Drohung zu Beginn von Gesprächen als Machtinstrumente missbraucht werden.
Keine Schuldzuweisungen
Dazu ist noch wichtig zu wissen, dass aus Unwissenheit, Unsicherheit und Überforderung oft nach Schuldigen gesucht wird. Da sich Schwierigkeiten im Bereich Autismus häufig in Verhaltensauffälligkeiten zeigen, wird der schwarze Peter (rw) häufig den Eltern zugeschoben. Sie würden nicht richtig erziehen, seien nicht konsequent genug oder müssten mit ihrem Kind erstmal eine Klink aufsuchen.
Es mag sein, dass dies hin und wieder Faktoren sind, an denen man ansetzen kann. Aber dies kann niemals am Anfang einer Konversation als Schuldzuweisung oder Androhung stehen.
Hilfreiche Ansätze
Rahmenbedingungen in den Fokus nehmen
Auszugehen ist fast immer davon, dass die Rahmenbedingungen für Autistinnen und Autisten nicht geeignet sind, wenn Schwierigkeiten auftreten. In der Kita, in der Schule, in Förder- und Werkstätten, in besonderen Wohnformen usw. geht es meistens darum, die Umgebung derart anzupassen, dass Reizüberflutungen minimiert und Strukturen eingeführt werden.
Ebenso spielt die Form der Kommunikation eine sehr große Rolle (verbal, nonverbal, kombiniert).
Stärken beachten
Viel zu oft werden nur die Probleme thematisiert. Dabei bringen alle Autistinnen und Autisten auch individuelle Stärken mit. Diese sind die wichtigste und größte Ressource, mit der gearbeitet und vieles verbessert werden kann.
Manchmal braucht es Zeit und Geduld, um diese Ressourcen zu entdecken, aber es ist für alle Beteiligten viel erfüllender, nachhaltiger und für zukünftige weitere Themen von unschätzbarem Wert, sich auf die Suche nach den Eigenschaften und Talenten zu machen, die einen Teil der Lösung bringen können.
Austausch optimieren
Auch der offene Austausch zwischen Familie und Einrichtung ist von großer Bedeutung, da Reaktionen auf Ereignisse sich bei Autistinnen und Autisten häufig verzögert zeigen bzw. lange kompensiert werden.
So ist es unerlässlich, einen vertrauensvollen und offenen Austausch zu pflegen und nicht etwa Kontaktverbote zwischen Schulbegleitungen und Familien auszusprechen. Ein regelmäßiger Austausch ist immens wichtig, um den Gründen für Verhaltensweisen auf die Spur zu kommen (rw). Das kann über Mitteilungshefte, Sprachnachrichten, regelmäßige Telefonate und Gespräche geschehen.
Übrigens zeigt die Erfahrung, dass ein regelmäßiger Austausch weniger zeitaufwändig ist, als das Aufstauen von Themen, die dann in großen Runden geklärt werden müssen.
Kleiner Tipp:
Positive Ereignisse und Entwicklungen mitzuteilen fördert den vertrauensvollen Kontakt sehr. Das müssen keine großartigen Meilensteine sein, sondern kleine Gegebenheiten und Zeichen der Wertschätzung. Wenn wir uns auch über diese Entwicklungen austauschen und uns hin und wieder bedanken, wird es einfacher, in Krisensituationen Schwierigkeiten anzusprechen.
Perspektive und Wissen erweitern
Höre wirklich zu, zeige Interesse an der Perspektive der anderen Person. Frage nach, wenn du etwas nicht verstehst oder weitere Informationen brauchst. Signalisiere in jeder Rolle, dass du auf das Wissen und die Expertise des anderen angewiesen bist und daran auch Interesse hast. Niemand kann alles wissen, gerade zum Thema Autismus ist es immer von entscheidender Bedeutung, dass Wissen aus verschiedenen Lebensbereichen zusammengetragen wird. Nur so können Entscheidungen getroffen werden, die wirklich hilfreich sind.
Dazu gehört natürlich auch, sich Wissen aus Fortbildungen anzueignen. Manchmal wird gesagt: Wir hatten schon einen Autisten, wir wissen, was zu beachten ist. Dabei wird übersehen, dass die Bedürfnisse von Autistinnen und Autisten unterschiedlich sein können und die Rahmenbedingungen nicht immer in gleicher Art und Weise angepasst werden müssen.
Das Autismus-Spektrum ist groß und vielfältig, insofern kann man sich niemals genug weiterbilden und weitere Informationen einholen, um sein Wissen zu optimieren.
Eine Möglichkeit dazu bieten übrigens die Onlinekurse von Ellas Blog. Sie richten sich gleichermaßen an Eltern und Fachleute und können jederzeit gestartet werden. Es sind Selbstlernangebote, die in eigenem Tempo erarbeitet werden können.
Für Träger von Einrichtungen gibt es HIER noch weitere Informationen.
Gemeinsame Lösungen finden und Wertschätzung teilen
Es sollte immer das Ziel sein, gemeinsame Lösungen zu finden und nicht, die Position einer Seite durchzukämpfen. Auf dieser Basis wird auch alles weitere leichter, z.B. wenn nachgebessert werden muss, sich Bedürfnisse ändern und mit der Zeit vielleicht andere Maßnahmen nötig werden.
Auch anstehende Gespräche sind weniger belastend und viel konstruktiver, wenn man miteinander und nicht gegeneinander agiert.
Dazu gehört auch, sich gegenseitig Wertschätzung entgegenzubringen. Immer mal wieder ein Zeichen von Dankbarkeit und Lob zu senden, hat noch niemandem geschadet. Es tut uns selbst und dem anderen gut und ist ein Mosaiksteinchen (rw) innerhalb der offenen Kommunikation, die wir so dringend brauchen.
Selbstreflexion aller Beteiligten
Sich selbst immer wieder zu hinterfragen, gehört zu den Werten meiner Arbeit.
Regelmäßig einen Schritt zurückzugehen, zu reflektieren, wie wir in bestimmten Situationen gehandelt haben und warum, ob wir uns damit wohlfühlen und dem autistischen Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen damit gerecht geworden sind, ist wichtig. Nicht zuletzt trägt es zu unserer eigenen Persönlichkeitsentwicklung bei, wenn wir ehrlich über unseren Wissensstand, unsere Gesprächskultur und unsere Bereitschaft, uns auf andere Perspektiven einzulassen, nachdenken.
Nochmal das Wichtigste
Allzu oft erleben Eltern von autistischen Kindern und Fachleute festgefahrene Gespräche, mangelndes Verständnis und schwer auszuräumende Missverständnisse. Die Folgen dieser Kommunikationsbarrieren können gravierend sein und vor allem die Kinder tragen die Konsequenzen.
Ein besseres Miteinander ist erreichbar, wenn offene Kommunikation, klare Zielsetzungen, Vertrauen und respektvolles Handeln im Mittelpunkt stehen. Regelmäßiger Austausch, das Fokussieren auf Stärken anstatt nur auf Probleme, und das Erweitern der Perspektive und des eigenen Wissens sind sehr wichtig.
Im Hinterkopf sollte man immer haben (rw), dass im Kontext Autismus Lebensbereiche nicht isoliert betrachtet werden dürfen, sondern ein ganzheitlicher Ansatz notwendig ist.
Für ein vertrauensvolles Miteinander sollten Machtinstrumente, Schuldzuweisungen und Drohungen in Gesprächen vermieden werden. Stattdessen steht eine ehrliche, offene Kommunikation, die auf Vertrauen und Wertschätzung basiert, im Vordergrund. Dabei spielt auch die Selbstreflexion aller Beteiligten eine entscheidende Rolle.
Bitte nicht vergessen: Schlüsselelemente für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind auch das Erkennen und Würdigen positiver Ereignisse und Entwicklungen sowie die Beachtung von individuellen Stärken.
Gemeinsame Ziel sollte immer sein, Lösungen zu finden, anstatt Positionen zu verteidigen.
In der Online-Schatzkiste von Ellas Blog findest du neben vielen anderen Materialen den Leitfaden zum Ausrucken und der Möglichkeit, deine eigenen Notizen zu ergänzen.