Im Leben gibt es diese Momente, wo alles zu kippen scheint. Du fühlst dich wie ein Jongleur, der versucht, alles am Laufen zu halten, während die Bälle einfach nicht da bleiben wollen, wo sie sollen. Und gerade als Elternteil eines autistischen Kindes ist das Jonglieren manchmal mehr als nur eine Metapher. Es ist der Alltag.
Es gibt Tage, da fühlst du dich alleingelassen mit dem ganzen Kram. Du fragst dich, ob das nur bei dir so ist, dass du manchmal einfach nicht weiter weißt und alles irgendwie festgefahren scheint oder ob es anderen Eltern auch so geht.
Es gibt Tage, da fühlen wir uns wie ein Schiff im Sturm. Emotionen überfluten das Deck, und wir suchen verzweifelt nach einem Anker. Fremdbestimmung, Einsamkeit, das Gefühl, festzustecken – wer kennt das nicht?
- Manchmal und meistens
- Gut gemeinte Ratschläge und Hürden von außen
- Fragen ohne Antworten
- Das Gefühl, eine andere Sprache zu sprechen
- Positiver Umgang mit gut gemeinten Ratschlägen
- Konstruktiver Umgang mit Hürden
- Offenheit für Fragen als Stärke
- Alltag anschaulich machen und proaktiv bleiben
- Zusammengefasst: eine komplexe Reise
Text von 2015:
Manchmal und meistens
Manchmal fließen sie haltlos
Gefühle der Fremdbestimmung, des Alleinseins, der Aussichtslosigkeit auf Veränderung
Manchmal kullern sie hinab
Sorgen, Zweifel und das Empfinden von Ohnmacht
Manchmal tränt es lautlos
in schlaflose Nächte hinein.
Manchmal löst eine Frage die nächste ab
und schnürt mir die Kehle zu
Manchmal sehe ich mich um
und finde niemanden, der mich versteht
Manchmal renne ich den ganzen Tag
und habe dennoch das Gefühl still zu stehen.
Manchmal erkläre ich etwas zum zweiten und dritten Mal
und sehe trotzdem in fragende Gesichter
Manchmal entschuldige ich mich für Dinge
nur um irgendetwas zu sagen und dann zu gehen
Manchmal ziehe ich mich zurück
um diesem Wahnsinn um uns herum zu entfliehen.
Meistens bin ich unendlich dankbar dafür
dass du mir so viel zeigst und
dass ich dich begleiten und tragen darf, mein Kind.
Aktuelle Gedanken dazu / 2024:
Was es manchmal schwierig macht
Gut gemeinte Ratschläge und Hürden von außen
Du kennst sie sicherlich auch, die „gut gemeinten“ Ratschläge von außen. Plötzlich hat jeder eine Meinung dazu, was das Beste für unser Kind sei. Ob es nun Verwandte, Bekannte oder sogar völlig Fremde sind, jeder scheint zu wissen, wie es „richtig“ geht. Und das, obwohl sie nur einen winzigen Ausschnitt unseres Lebens sehen und nicht die unzähligen Stunden, die wir mit Recherche, Gesprächen mit Fachleuten und der direkten Auseinandersetzung mit den Herausforderungen verbringen.
Was wirklich frustrierend ist, sind die Hürden, die uns von außen in den Weg gelegt werden. Da sind die bürokratischen Hürden, die uns oft so viel Energie rauben, die wir eigentlich für unsere Kinder bräuchten. Oder die institutionellen Barrieren, wenn es um den Zugang zu Therapien, Unterstützungsangeboten oder Bildungsmöglichkeiten geht. Es fühlt sich manchmal an, als müssten wir ständig gegen Windmühlen kämpfen, nur um das zu bekommen, was eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Fragen ohne Antworten
Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht selbst ständig in Frage stellen würden und noch auf der Suche nach vielen Antworten sind. Es ist, als ob wir ständig auf einem schmalen Grat wandern zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir noch herausfinden müssen. Und das ist völlig normal! Kein Elternteil hat von Anfang an alle Antworten parat, und es ist absolut legitim, Fragen zu haben und nach Lösungen zu suchen.
Manche Leute sehen das leider als Zeichen von Inkompetenz. Als ob das Eingeständnis, nicht alles zu wissen, gleichbedeutend damit wäre, dass man überhaupt keine Ahnung hat. Das ist natürlich völliger Quatsch. Fragen zu stellen ist ein Zeichen von Stärke, von Engagement und von der Bereitschaft, für sein Kind das Bestmögliche herauszuholen. Nicht sofort mit einer Antwort, mit „ja“ oder „nein“ oder Fakten aufwarten zu können, untergräbt nicht die Kompetenz, die Eltern bereits aufgebaut haben. Auf der Suche zu sein, bedeutet auch immer zu wachsen und dazu zu lernen.
Es geht darum, die Balance zu halten zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir noch lernen müssen. Es ist ein ständiges Abwägen, eine fortlaufende Suche nach dem besten Weg.
In einer Welt, die oft schnelle und einfache Antworten fordert, ist es für alle Beteiligten wichtig zu erkennen, dass nicht alles schwarz oder weiß ist. Besonders wenn es um die Erziehung und Unterstützung unserer autistischen Kinder geht, gibt es selten eine Lösung, die für alle gleichermaßen gilt. Deshalb gehen Eltern auch nicht immer damit konform, wenn es zum Beispiel heißt: „Wir hatten schon Autisten in der Kita oder in der Schule und wir machen das grundsätzlich so oder so.“ Jedes Kind ist einzigartig, und deshalb ist es nur natürlich, dass wir als Eltern ständig auf der Suche sind, uns informieren und abwägen, den Dialog und individuell angepasste Rahmenbedingungen suchen.
Das Gefühl, eine andere Sprache zu sprechen
Dieses Gefühl, das Autistinnen und Autisten häufig haben, haben auch wir Eltern in mancherlei Hinsicht immer wieder. Ich versuche es mal zu beschreiben:
Du gibst dir alle Mühe, eine Situation oder ein spezielles Bedürfnis deines Kindes zu erklären, und trotzdem kommt es einfach nicht an. Es ist, als würdest du eine Fremdsprache sprechen, die keiner versteht. Du siehst die verwirrten Blicke, hörst die Fragen, die zeigen, dass die Botschaft nicht angekommen ist, und manchmal fragst du dich, ob es überhaupt Sinn macht, weiter zu reden.
Das kann echt frustrierend sein. Du steckst so viel Energie in die Erklärung, weil es dir wichtig ist, dass dein Gegenüber versteht, warum bestimmte Dinge für dein Kind so wichtig sind.
Dann kommt ein andere Phänomen bei vielen von uns dazu: Du beginnst, dich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die du vermeintlich verursacht hast. Als ob es deine Schuld wäre, dass die Situation nicht verstanden wird. Du sagst Dinge wie „Tut mir leid, dass ich es so kompliziert mache“ oder „Entschuldigung, dass ich so darauf beharre“, nur um die Wogen zu glätten und für dein Kind einen Ausweg offen zu halten, weil du womöglich auf dein Gegenüber angewiesen bist. Aber tief im Inneren weißt du, dass du nichts falsch machst.
Wie wir konstruktiv damit umgehen können
Positiver Umgang mit gut gemeinten Ratschlägen
Diese oben beschriebenen ungebetenen Hinweise, können wirklich nerven. Aber manchmal kann es helfen, darin eine Art Kompliment zu sehen. Die Leute wollen helfen, auch wenn sie es vielleicht etwas ungeschickt anstellen. Ein Ansatz könnte sein, einfach mal „Danke“ zu sagen und dann das Gespräch auf etwas zu lenken, bei dem du wirklich Unterstützung gebrauchen könntest. So nach dem Motto: „Danke für den Tipp! Weißt du eigentlich, wo ich Infos zu XY finden kann?“ Das lenkt nicht nur ab, sondern kann auch tatsächlich hilfreich sein.
Du kannst sogar in Erwägung ziehen zu sagen, dass du den Vorschlag ausprobieren wirst, oder deine eigenen Erfahrungen teilen, um den Austausch anzuregen. Falls es nötig ist, freundlich aber bestimmt deine Grenzen zu setzen, kannst du das auf eine nette Art vermitteln, etwa mit einem Schmunzeln: „Ich schätze deine Hilfe wirklich, aber im Moment sind wir ganz zufrieden, wie es läuft.“ Humor kann auch eine charmante Art sein, die Situation aufzulockern, und wenn du von deinen eigenen Herausforderungen und Lernmomenten erzählst, schaffst du eine gemeinsame Ebene, die zum gegenseitigen Verständnis beiträgt. Indem du Brücken baust zwischen dem, was dir geraten wird, und dem, was du schon weißt oder erlebt hast, öffnest du den Raum für einen konstruktiven Dialog, statt nur oberflächliche Tipps hin- und herzuwerfen. So bleibt das Gespräch positiv, du behältst die Kontrolle und zeigst gleichzeitig Offenheit für neue Ideen.
Mehr dazu habe ich bereits in folgendem Blogbeitrag geschrieben:
Wann ein Ratschlag ein Schlag ist und wann wir ihn gerne annehmen
Konstruktiver Umgang mit Hürden
Das Thema kann eine echte Herausforderung sein. Besonders wenn es darum geht, individuelle Lösungen (die übrigens gar nicht mal unbedingt viel Aufwand bedeuten müssen) für unser Kind durchzusetzen, stoßen wir oft auf Widerstand.
Zunächst einmal ist es wichtig, für mehr Verständnis bei den entsprechenden Personen zu sorgen. Oft fehlt es an Wissen über die spezifischen Bedürfnisse von Autistinnen und Autisten. Indem wir Informationsmaterial bereitstellen, persönliche Erfahrungen teilen und vielleicht sogar zu Workshops einladen, können wir die nötige Empathie wecken und das Bewusstsein schärfen. Ich weiß, dass auch das häufig schwierig ist, aber versuche es trotzdem mal, vielleicht triffst du auf offene Ohren.
Der Dialog spielt eine zentrale Rolle. Regelmäßige Gespräche mit Lehrkräften oder allgemein Mitarbeitenden sind unerlässlich, um gemeinsam zu überlegen, wie Rahmenbedingungen besser gestaltet werden können. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, dass individuelle Lösungen nicht nur unserem Kind zugutekommen, sondern das Umfeld insgesamt positiv beeinflussen können.
Es kann auch sehr hilfreich sein, sich mit anderen Eltern auszutauschen und Netzwerke zu nutzen oder sogar zu bilden. Ob durch bestehende Initiativen oder durch die Gründung eigener Gruppen, gemeinsam können wir eine stärkere Stimme entwickeln und unsere Forderungen nach mehr Flexibilität und individuellen Ansätzen besser durchsetzen.
Sinnvoll ist es auch häufig, weitere professionelle Unterstützung von Expertinnen und Experten aus Beratungsstellen oder auch Therapeutinnen, Therapeuten, Ärztinnen und Ärzte unserer Kinder bei wichtigen Weichenstellen mit ins Boot zu holen (rw). Das untermauert unser Anliegen mit fachlicher Expertise, meistens erhalten wir dadurch mehr Gehör.
Insgesamt brauchst du eine Menge Geduld und Ausdauer. Bleibe am Ball, auch wenn die Fortschritte langsam erscheinen. Jeder kleine Schritt in die richtige Richtung zählt und bringt dich weiter.
Offenheit für Fragen als Stärke
Bei den vielen Fragen, die wir als Eltern haben, und den wenigen klaren Antworten, die uns oft zur Verfügung stehen, ist es absolut in Ordnung, manchmal im Dunkeln zu tappen. Diese Unsicherheit zeigt, dass wir offen sind, dass wir bereit sind, dazuzulernen und uns weiterzuentwickeln – das wünschen wir uns übrigens auch von unserem jeweiligen Gegenüber.
Darüber hinaus können die Fragen, die wir haben, gute Gelegenheiten sein, Brücken zu anderen zu bauen (rw). Indem wir unsere eigenen Unsicherheiten teilen, öffnen wir die Tür für echte Gespräche, für einen Austausch auf Augenhöhe, bei dem alle Beteiligten voneinander lernen können. Diese Art von Dialog kann ungemein bereichernd sein, nicht nur für uns selbst, sondern auch für unser Umfeld. Es kann neue Perspektiven eröffnen, gemeinsame Lösungsansätze fördern und letztendlich zu einer stärkeren, unterstützenden Gemeinschaft führen, in der jeder Einzelne sich verstanden und wertgeschätzt fühlt.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass jeder Gesprächspartner dies als Bereicherung versteht und daraus nicht ein Überlegenheitsgefühl auf einer Seite entsteht. In einer Welt, die oft schnelle und einfache Antworten fordert, ist es ein Zeichen von Stärke und Mut, zuzugeben, dass man nicht alles weiß und dass man bereit ist, gemeinsam nach Antworten zu suchen.
Alltag anschaulich machen und proaktiv bleiben
Manchmal haben wir das Gefühl, wie oben beschrieben, mit unseren Worten unser Gegenüber einfach nicht zu erreichen und nicht verständlich machen zu können, worum es uns geht.
Versuche, die Dinge noch anschaulicher zu gestalten. Neben dem Teilen persönlicher Geschichten und konkreter Beispiele aus unserem Alltag, können kleine Videos, die wir im Laufe des Tages aufnehmen, eine enorme Wirkung haben. Diese visuellen Einblicke in das Leben unseres Kindes können oft mehr sagen als tausend Worte und geben Einblick in etwas, das unsere Gesprächspartner nicht wissen und sich nicht vorstellen können.
In dem Bemühen, Konflikte zu vermeiden und Spannungen abzubauen, neigen einige von uns manchmal dazu, uns übermäßig zu entschuldigen – auch für Dinge, die keiner Entschuldigung bedürfen. Wir machen uns dann kleiner als wir sind, nur um die Situation nicht zu eskalieren.
Unsere Priorität ist es, das Beste für unser Kind zu erreichen, und das erfordert keine Rechtfertigung oder Entschuldigung.
Zusammengefasst: eine komplexe Reise
Das Leben als Elternteil eines autistischen Kindes gleicht oft einem ständigen Jonglierakt (rw), bei dem die Herausforderungen des Alltags und die vielfältigen Bedürfnisse unseres Kindes sorgsam im Gleichgewicht gehalten werden müssen.
Diese Reise ist geprägt von Momenten Verunsicherung und Isolation, aber auch von der unermüdlichen Suche nach Verständnis und Akzeptanz in einer Welt, die schnell zu urteilen bereit ist. Die gut gemeinten, aber oft unpassenden Ratschläge von außen, die bürokratischen und institutionellen Hürden sowie die ständige Konfrontation mit eigenen Unsicherheiten und der Suche nach Antworten machen den Weg nicht leichter.
Doch es ist die Bereitschaft, sich diesen Herausforderungen zu stellen, Fragen zu stellen und kontinuierlich für die Bedürfnisse unseres Kindes einzutreten, die uns als Eltern auszeichnet. Es geht nicht darum, perfekt zu sein oder allen Erwartungen zu entsprechen, sondern darum, authentisch und proaktiv zu handeln, um das bestmögliche Umfeld für unser Kind zu schaffen.
Durch den offenen Austausch mit anderen, das Teilen von Erfahrungen und das Sichtbarmachen unseres Alltags und immer wieder Vertrauensvorschuss, den wir geben, können wir Brücken bauen und ein tieferes Verständnis fördern. Dasselbe wünschen wir uns von unserem jeweiligen Gegenüber, unseren wertvollen Partnerinnen und Partnern, Unterstützerinnen und Unterstützern in unserem Netzwerk, ohne die dieser Weg nicht möglich wäre.
Danke daher allen, die an unserer Seite sind.