Informationen für Medien und Redaktionen
Wenn du über Autismus sprichst, schreibst oder berichtest, lade ich dich dazu ein, auch jene Lebensrealitäten mitzudenken, die kaum je erzählt werden.
Übersicht - das besondere Anliegen dieser Seite - die Macht der Sprache und Impulse

Autismus - ein kurzer Überblick
Autismus ist angeboren und keine Krankheit, sondern eine tiefgreifende Entwicklungsbesonderheit, die das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen prägt. Autistische Menschen nehmen Reize anders wahr, kommunizieren auf ihre eigene Weise und verarbeiten soziale Situationen oft völlig anders als nicht-autistische Menschen.
Die Bandbreite ist groß: Manche Autist:innen sind sehr eloquent, können ihre Erfahrungen präzise benennen und leben weitgehend selbstständig. Andere benötigen intensive Begleitung im Alltag, können nicht sprechen, reagieren extrem sensibel auf Sinneseindrücke und sind in hohem Maße auf Unterstützung angewiesen.
Aufklärung mit Basics auf Ellas Blog:
Was ist Autismus - Informationen über Diagnostik, Symptome und Therapie
Das besondere Anliegen dieser Seite
In der öffentlichen Berichterstattung über Autismus sehen wir oft ein sehr einseitiges Bild. Viele Beiträge zeigen junge, eloquente Menschen, die von Reizoffenheit, Burnout und Masking berichten – wichtige Themen, ohne Frage. Was jedoch selten vorkommt: Autist:innen, die nicht sprechen, nicht selbstbestimmt leben können, intensive Pflege benötigen oder vollständig auf Unterstützung angewiesen sind.
Ich lebe seit über 20 Jahren mit dieser Realität. Und ich sehe täglich, wie wenig Sichtbarkeit sie in der öffentlichen Wahrnehmung hat – nicht, weil sie weniger relevant wäre, sondern weil sie schwerer vermittelbar ist.
Diese Seite soll dabei helfen, das zu ändern. Sie richtet sich an alle, die schreiben, berichten, entscheiden und Meinungen prägen. Und sie lädt ein, hinzuschauen: auf das, was sonst übersehen wird.
Was fast nie thematisiert wird
In TV-Beiträgen, Reportagen oder Artikeln geht es oft um Inklusion im Schulalltag, um Masking oder um Autist:innen, die über ihr Innenleben schreiben. Das sind alles sehr wichtige Themen, nehmen aber so viel Raum ein, dass häufig kein Platz bleibt für Autistinnen und Autisten, die intensive Pflege benötigen, weil sie sich nicht selbst anziehen, nicht essen oder sich nicht verständigen können, die lebenslange Unterstützung benötigen und die ohne ihre Familien überhaupt nicht lebensfähig sind.
Warum ist das so?
Weil diese Menschen schwer erreichbar sind.
Weil sie nicht vor der Kamera sprechen.
Weil sie unsere Geduld und unser Umdenken fordern.
Weil häufig nicht akzeptiert wird, dass Angehörige für sie sprechen und diese ohnehin kaum Zeit und Ressourcen haben.
Aber genau deshalb brauchen sie mediale Sichtbarkeit – nicht als Einzelfall, sondern als Realität vieler Familien.
📖 Vertiefende Beiträge dazu:
👉 „Für mein Kind gibt es keinen Platz - wenn der Weltautismustag auf Mitarbeitermangel trifft“
👉 „Exklusion bei hohem Unterstützungsbedarf - wenn Teilhabe zum Luxus wird“
👉 „Hoher Unterstützungsbedarf und pflegende Elternschaft - was das bedeutet“
👉 „Autismus und Masking: der Preis von Anpassung und die Realität des Nicht-Maskierens-Könnens“
Impulse für Autismus in den Medien
Ich wünsche mir in der medialen Präsenz mehr Raum für Aufklärung in diesen Bereichen:
- „Wer spricht für die, die nicht sprechen?“
– Ein Beitrag über nichtsprechende Autist:innen, ihren Alltag, ihre Unterstützungsbedarfe – und darüber, wie selten ihre Lebensrealität in Medien oder Debatten auftaucht. - Pflegekind oder Schulkind? Was es bedeutet, ein 12-jähriges Kind mit Pflegegrad 5 zu begleiten
– Alltag, Überforderung, Unsichtbarkeit: Z.B. realistisches Portrait einer Familie, die rund um die Uhr begleitet. Und Lösungsansätze aufzeigen, die die Gesellschaft mitträgt. - Lautstärke, Selbstverletzung und gesellschaftliche Überforderung
– Warum sog. herausforderndes Verhalten mehr Aufmerksamkeit braucht – nicht als Problem, sondern als Ausdruck von Not und mit Blick auf Lösungen. - „Ich war in keiner Talkshow – ich war mit meinem Kind im Krankenhaus“
– Eine Mutter erzählt, warum sie sich in vielen Medienberichten über Autismus nicht wiederfindet – und was sich ändern müsste. - Zwischen Reizschutz und Teilhabe: Wie Barrierefreiheit für Autist:innen wirklich aussieht
– Ein Beitrag über Rückzugsräume, Alltagsstruktur, Reizreduktion – und darüber, wie wenig davon bisher umgesetzt wird. - „Ich kann nicht mehr“ – Das unsichtbare Burnout pflegender Eltern
– Fokus auf Eltern autistischer Kinder mit hohem Bedarf, die zwischen Pflegesystem, Schuldruck und Isolation aufgerieben werden. Im Bereich Pflege werden Kinder und junge Erwachsene oft nicht mitgedacht. Es geht leider immer nur um Senioren. - Hilflosigkeit in der Schule: Wenn kein Förderort passt
– Über Kinder, die trotz Schulpflicht nirgends hineinpassen – und über Eltern, die kriminalisiert statt unterstützt werden. - Mitten in der Gesellschaft – und doch nicht dabei: Wie Inklusion scheitert
– Eine Bestandsaufnahme zur Umsetzung von Inklusion und dem, was strukturell fehlt - auch mit Blick auf diejenigen, die Kleinstklassen mit maximal 6 Kindern benötigen und nonverbal sind. - Mehr als eine Diagnose: Autismus, Pflegegrad, Assistenzstufe – und was das für den Alltag bedeutet
– Ein systemischer Blick auf die vielen Schnittstellen, an denen Familien im Stich gelassen werden. - Was bleibt von der Selbstbestimmung, wenn keiner zuhört?
– Ein Beitrag über das BTHG und das Wunsch- und Wahlrecht im Lichte fehlender Strukturen. Es muss dringend beleuchtet werden, warum geltendes Recht für Schwerbehinderte nicht umgesetzt wird und Familien klagen müssen. - "Für solche Menschen ist doch das Heim am besten!"
Von Wegen! Es gibt kaum noch Plätze für Menschen mit hohem Unterstützungs- und Pflegebedarf. Sie und ihre Familien stehen immer öfter ohne jegliche Struktur und Zukunftsperspektive da. - „Autismus“ als Schimpfwort: Wie diskriminierende Sprache unsere Arbeit behindert
– Ein Beitrag über mediale Formulierungen, ihre Wirkung und die Verantwortung von Sprache. - Alltag im Ausnahmezustand: Ein Tag im Leben einer autistischen Person mit 24-Stunden-Unterstützungsbedarf
– Nicht aus Mitleid – sondern als Perspektive, die gesehen werden muss, um Systeme zu verändern, Interesse zu wecken und auch Lust auf die Arbeit als Assistenz zu machen. - Wer ist für die Schwächsten in unserer Gesellschaft verantwortlich?
– Bemisst sich der Wert einer Gesellschaft nicht daran, wie man mit denen umgeht, die die meiste Unterstützung benötigen? Beleuchten der Situation von pflegenden Eltern der eigenen Kinder bis ins Erwachsenenalter und die fehlenden Strukturen von Entlastungsmöglichkeiten.
Autismus und Sprache
Sprache ist nie nur „neutral“. Vor allem dann nicht, wenn es um Autismus geht. Vielleicht meinst du es gut – und trotzdem können bestimmte Begriffe, Bilder oder Metaphern ein falsches Bild transportieren oder verletzen.
Das liegt auch daran, dass es nicht den einen Autismus gibt. Manche Autist:innen begreifen sich selbst als behindert, andere nicht. Manche erleben ihren Autismus als Belastung, viele aber auch als Teil ihrer Identität. Manche können sich klar ausdrücken, andere überhaupt nicht. Was sie alle gemeinsam haben: Sie verdienen Respekt – auch (und gerade) in der öffentlichen Sprache.
Damit du in deiner Arbeit als Journalist:in, Redakteur:in oder Multiplikator:in mit diesen Nuancen achtsam umgehen kannst, habe ich dir hier einige Hinweise zusammengestellt:
Was hilfreich und respektvoll ist:
- Verwende klare Begriffe, z. B. „autistisch“ oder „Autistin“ oder "Autist" – das ist nicht abwertend, sondern beschreibend.
- Vermeide mitleidserzeugende Sprache wie „leidet an“, „ist gefangen in sich selbst“, „Opfer des Autismus“.
- Achte auf deine Bildsprache. Zeige Vielfalt – auch Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, ohne sie zu heroisieren oder zu bemitleiden.
- Wenn möglich, beziehe AutistInnen und Angehörige mit ein oder Menschen aus ihrem engsten Umfeld, wenn sie selbst nicht sprechen können.
- Beschreibe Probleme konkret und systemisch. Es ist z. B. nicht der Autismus, der „das Problem“ ist – sondern die fehlende Assistenz, das unpassende Umfeld, die Überforderung durch Anforderungen, die nicht anpassbar sind.
Was du lieber vermeiden solltest:
- Vage oder wertende Zuschreibungen wie „hat autistische Züge“, „typisch autistisch“, „ist sozial auffällig“.
- Den Begriff „autistisch“ als Synonym für Egozentrik, emotionale Kälte, Fanatismus oder Realitätsverlust.
- Dramatisierende Schlagzeilen wie „Gefangen in seiner Welt“, „Rätselkind“ oder „Der Autist, der...“ – sie helfen niemandem weiter.
📖 Vertiefender Blogbeitrag
In diesem Blogbeitrag habe ich Beispiele gesammelt, wie Sprache verletzen kann – oft unbeabsichtigt, aber mit großer Wirkung. Und ich lade dich ein, bewusstere Entscheidungen zu treffen. Für mehr Klarheit. Und für mehr Respekt.
👉 „Nachhilfe in Sachen Autismus für Journalisten“
Redaktionelle Verantwortung - was du tun kannst
Autismus betrifft viele Lebensbereiche: Bildung, Gesundheit, Pflege, Teilhabe, Arbeitswelt, Familie, Wohnen, Ethik. Umso wichtiger ist eine differenzierte, faire und realitätsnahe Berichterstattung – gerade in Zeiten, in denen einfache Narrative gut klicken, aber verzerren.
Du möchtest verantwortungsvoll über Autismus berichten? Dann kannst du konkret:
- Nicht nur über, sondern mit Betroffenen und Angehörigen sprechen – aber bewusst auswählen, wen du sprichst: Nicht nur die Lautesten oder Sichtbarsten, sondern auch die, die schwerer erreichbar sind, weil sie keinen Zugang zu sozialen Medien oder öffentlicher Sprache haben.
- Berücksichtigen, dass es nicht „den“ Autismus gibt, sondern sehr unterschiedliche Lebensrealitäten – von selbstständig lebenden Akademiker:innen bis hin zu pflegebedürftigen Kindern, die nicht sprechen und intensive Assistenz benötigen.
- Diskriminierende Begriffe und Zuschreibungen vermeiden – etwa wenn „autistisch“ als Synonym für gefühllos, stur oder gefährlich verwendet wird. Solche Formulierungen sind verletzend und irreführend.
- Bei Unsicherheiten lieber nachfragen, anstatt stereotype Begriffe zu übernehmen. Du brauchst keine Expertin sein, aber du kannst dich für Sprache und Wirkung sensibilisieren.
- Einordnungen geben, wenn du über Autistinnen und Autisten berichtest. Wer spricht? Welche Form des Autismus liegt vor? Wie ist der Kontext? Ohne diese Infos entsteht ein verzerrtes Bild.
- Auf die Vielfalt innerhalb des Spektrums hinweisen, statt zu vereinheitlichen. Begriffe wie „hochfunktional“ oder „leicht betroffen“ sind problematisch und führen oft zu Fehleinschätzungen.
- Realitäten zeigen, die sonst untergehen – z. B. von Familien, die mit Behinderung, Pflege, Hilflosigkeit, Behörden, Isolation und Angst leben – und die in klassischen Medien oft nicht vorkommen.
- Auf Fachlichkeit achten, wenn du Expert:innen zitierst. Nicht jede:r Coach ist qualifiziert. Und nicht jede TikTok-Meinung über Autismus trägt zur Aufklärung bei.
Und zuletzt:
🔍 Hinterfrage deine eigene Perspektive – Woher kennst du deine Bilder von Autismus? Welche Stimmen nimmst du wahr – und welche nicht?
Wenn du magst, findest du auf dieser Seite Anregungen, weiterführende Texte und Menschen, die dich gerne bei einer differenzierten Recherche unterstützen. Ich selbst stehe dir bei Fragen gerne zur Verfügung. Schreib mich gerne an - ich werde so bald wie möglich antworten.
Wer hier spricht
Hi, ich bin Silke,
Kulturwissenschaftlerin, psychologische Beraterin, Gastdozentin an der LMU München und seit vielen Jahren als Autorin, Bloggerin und Referentin zum Thema Autismus unterwegs.
Mein autistischer Sohn ist erwachsen, nichtsprechend und stark beeinträchtigt. Ich lebe seit über 25 Jahren mit dieser Realität – mit all ihren besonderen Glücksmomenten, aber auch Herausforderungen. Nicht zuletzt durch meinen engen Kontakt zu anderen Familien in ähnlicher Situation, bin ich der tiefen Überzeugung, dass genau diese Perspektive mehr Sichtbarkeit verdient.
In meinem Online-Magazin Ellas Blog kläre ich allgemein über das Autismus-Spektrum auf, rücke aber auch bewusst die Autistinnen und Autisten, die, die nicht selbst öffentlich sprechen können, und deren Familien in den Fokus. Ich vermittle Einblicke, die in der Aufkärungslandschaft sonst leider häufig fehlen.
Da immer wieder Anfragen kommen: Aus Respekt vor der Privatsphäre meines Sohnes und meiner Familie, stehe ich selbst für Porträts oder persönliche Reportagen nicht zur Verfügung. Die Aufklärung, wie ich sie über meine Arbeit betreibe, stellt dahingehend bereits eine Gratwanderung dar.
Was ich jedoch sehr gern anbiete: Einschätzungen, Erfahrungswissen, Impulse für differenzierte Berichterstattung und Kontakt zu weiterführenden Ressourcen.