Autismus und Masking: der Preis von Anpassung und die Realität des Nicht-Maskieren-Könnens

veröffentlicht im April 2024


Viele Eltern und Fachleute beginnen erst durch das Verständnis des Maskings bestimmte Verhaltensweisen autistischer Kinder und Erwachsener zu verstehen. Ich durfte schon etliche solcher Aha-Momente miterleben, die zeigen, wie aufschlussreich und hilfreich dieses Wissen sein kann.
Gleichzeitig bleibt ein wichtiger Aspekt oft außer Acht: Diejenigen, die nicht in der Lage sind zu maskieren. Diese Gruppe von Autistinnen und Autisten reagiert häufig impulsiv und unmittelbar, was ihnen die Möglichkeiten zur Teilhabe oft von vornherein unmöglich macht.

In diesem Beitrag möchte ich beide Seiten berücksichtigen: die verborgenen Kämpfe derer, die maskieren, und die offenen Schwierigkeiten derer, die es nicht können. Jede dieser Personen steht vor erheblichen Herausforderungen, und es ist wichtig, dass wir alle verstehen, unterstützen und damit Lebensqualität verbessern.

©Quelle: pixabay, User Villlkass, Inhaltslizenz, vielen Dank

Was bedeutet Masking?

Beim Masking unternehmen Autistinnen und Autisten bewusst oder unbewusst große Anstrengungen, um ihre Verhaltensweisen, Emotionen und Reaktionen so zu unterdrücken oder zu verändern, dass sie den sozialen Normen und Erwartungen ihrer Umgebung entsprechen.
Diese Kompensationen und Anpassungen können vielfältig sein. Nun bin ich selbst keine Autistin, erlaube mir aber dennoch hier einige Masking-Strategien zu beschreiben, um dafür zu sensibiliseren. Sie wurden mir von Autistinnen und Autisten geschildert oder ich habe sie beobachet bzw. miterlebt.

Vielleicht hast du selbst schon einmal gesehen, wie jemand in deinem Umfeld bestimmte Gesten, Mimik oder die Art zu sprechen anderer nachahmt. Dies geschieht oft in der Hoffnung, besser dazuzugehören oder einfach „normal“ zu wirken, z.B. indem bestimmte Floskeln verwendet werden. Es ist wie ein stilles Theaterstück, in dem autistische Personen die ungeschriebenen Skripte ihrer Umgebung sorgfältig studieren und wiedergeben.

Ein anderes Bild ergibt sich beim Unterdrücken von Stimming. Stell dir vor, du hast eine beruhigende Gewohnheit, die dir hilft, dich zu konzentrieren oder Stress abzubauen, wie Schaukeln oder das Spielen mit einem kleinen Objekt in der Hand. Für viele Autistinnen und Autisten sind solche Verhaltensweisen unverzichtbar (hier genauer beschrieben). Doch in der Öffentlichkeit, in Schulen oder am Arbeitsplatz werden diese oft verborgen, aus Angst, als unpassend oder störend wahrgenommen zu werden. Das kann sehr belastend sein, weil es eine wichtige Strategie zur Selbstregulierung nimmt.

Die Anpassung der Sprache ist ebenfalls ein gutes Beispiel für Masking. Vielleicht kennst du eine Person, die bewusst versucht, ihre Art zu sprechen zu ändern, um nicht aufzufallen. Oder jemanden, der lernt, Smalltalk zu machen, weil es von ihm erwartet wird. Es fällt ihm schwer und wirkt dadurch womöglich recht unbeholfen. Es kann auch sein, dass Autistinnen und Autisten ihre Lieblings- bzw. Spezialthemen bewusst meiden, weil sie nicht Gefahr laufen wollen, als seltsam zu gelten.

Manche Autistinnen und Autisten passen ihre Kleidung an, um weniger aufzufallen, auch wenn diese vielleicht unbequem ist oder ihren sensorischen Sensibilitäten widerspricht. Sie könnten beispielsweise enge oder kratzige Kleidung tragen, weil diese als modisch oder der Situation angemessener gilt, obwohl andere Stoffe viel angenehmer für sie wären und keine Reizüberflutung zur Folge hätten.

Und dann gibt es noch die Kontrolle emotionaler Reaktionen. Dies kann das Verbergen von Gefühlen bedeuten, die vielleicht als unangebracht angesehen werden, oder das übertriebene Zeigen von Freude oder Begeisterung, um Zustimmung zu gewinnen. Es ist wie eine innere Diskussion um Verhaltensweisen, die ständig aktiv ist, um sozial akzeptabel zu erscheinen.

Einige Autistinnen und Autisten kontrollieren bewusst ihre Körperhaltung oder Mimik, um nicht desinteressiert oder unhöflich zu wirken. Sie erinnern sich vielleicht daran, öfter zu lächeln, Augenkontakt zu halten oder bestimmte Gesten zu vermeiden, die von anderen falsch interpretiert werden könnten. Es ist enorm anstrengend, das umzusetzen.

Diese Beispiele, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, verdeutlichen, wie anstrengend und komplex das Masking sein kann, zumal häufig mehrere Methoden bzw. Strategien gleichzeitig ablaufen. Es ist mehr als nur ein soziales Manöver; es ist eine extreme Anstrengung, die die mentale Gesundheit auf Dauer stark beeinflussen kann.

Der Preis von Kompensation und Anpassung

Obwohl Masking kurzfristig als nützliches Werkzeug dienen kann, um sich besser in soziale Gruppen zu integrieren und akzeptiert zu werden, birgt es langfristig oft schwerwiegende psychische Belastungen. Dieser fortwährende Akt, sich selbst zu überwachen und das eigene Verhalten ständig anzupassen, erfordert eine enorme Menge an mentaler Energie und ständiger Wachsamkeit. Viele berichten, dass sie am Ende des Tages völlig erschöpft sind, als hätten sie einen Marathon im Kopf gelaufen. Oft führt es auch zu tiefer Verzweiflung.

Zudem führt das anhaltende Bestreben, „normal“ zu wirken, oft zu Gefühlen der Entfremdung und des Identitätsverlusts. Es ist, als würde man ständig eine Maske tragen, die nicht wirklich zu einem passt, und hinter dieser Maske verliert man langsam den Kontakt zu dem, was einen eigentlich ausmacht.

Langfristiges Masking kann darüber hinaus zu erhöhtem Stress, Angstzuständen und Depressionen führen. Die ständige Angst, die eigene „Tarnung“ könnte auffliegen und man könnte von anderen als „anders“ oder nicht kompatibel für den entsprechenden Lebensbereich erkannt werden, schafft dauerhafte Anspannung. Diese Angst vor Ablehnung und Missverständnissen verstärkt das Gefühl von Unsicherheit und kann das psychische Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen.

Eine der subtileren, doch gravierenden Konsequenzen ist, dass das Umfeld möglicherweise nie wirklich versteht, was die Autistin bzw. der Autist tatsächlich braucht. Wenn das Masking unbemerkt bleibt, nehmen Familie, Lehrkräfte, Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen oft fälschlicherweise an, dass alles in Ordnung ist. Diese Annahme kann dazu führen, dass notwendige Unterstützungen und Anpassungen, die den Alltag erleichtern könnten, unterbleiben.
Ohne die angemessenen Hilfen müssen sich Autistinnen und Autisten dann weiterhin anstrengen, den Erwartungen ihres sozialen und beruflichen Umfelds gerecht zu werden, was den Druck und die psychische Belastung weiter erhöht. Das Gefühl von Isolation und Unverstandenseins verstärkt sich weiter, weil die wirklichen Bedürfnisse gar nicht erst bemerkt werden.

Nicht alle Autistinnen und Autisten können maskieren

Nicht alle Autistinnen und Autisten sind in der Lage, Masking-Techniken anzuwenden. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die intensivere Ausprägungen der Diagnosekriterien zeigen oder über eingeschränkte Handlungskompetenzen und weniger kognitive Möglichkeiten verfügen.
Eine Autistin sagte mal über meinen Sohn: „Ich kenne niemanden, der so unmittelbar, so direkt, so impulsiv und kompromisslos ehrlich ist, wie Dein Niklas. Von Maskieren keine Spur. Aber dadurch ist die Teilhabe für ihn auch so extrem schwierig.“
Und genauso ist es. Masking ist für ihn und viele andere Autistinnen und Autisten schlichtweg nicht umsetzbar, ob sie es nun wollten oder nicht. Die Anpassung des eigenen Verhaltens an soziale Normen und Erwartungen erfordert ein hohes Maß an Selbstregulierung und sozial-kognitiven Fähigkeiten. Diese Fähigkeiten sind bei ausgeprägterem Autismus häufig nahezu unmöglich.

Die Anwendung von Masking-Strategien setzt voraus, dass man in der Lage ist, eigene Verhaltensweisen zu analysieren, die Reaktionen anderer darauf zu interpretieren und daraufhin das eigene Verhalten so anzupassen, dass es den erwarteten sozialen Standards entspricht. Für viele Autistinnen und Autisten sind solche Prozesse nicht realisierbar. Sie können die sozialen Signale, die eine Anpassung ihres Verhaltens erfordern würden, oft nicht erkennen oder deuten.
Darüber hinaus erfordert das kontinuierliche Masking eine ständige Kontrolle des eigenen Verhaltens, was absolut überfordernd wäre.

Daher steht eine große Anzahl von Autistinnen und Autisten vor der Situation, dass sie nicht die Wahl haben, ob sie Masking-Strategien einsetzen möchten oder nicht; sie sind schlichtweg nicht in der Lage, diese Strategien zu entwickeln und anzuwenden.
Diese Einschränkung kann zu einer Vielzahl von zusätzlichen sozialen Schwierigkeiten führen, da das unmaskierte Verhalten oft zu Missverständnissen, womöglich übergriffigem Verhalten und sozialer Ausgrenzung führt.

Der Preis des Nicht-Maskieren-Könnens

Autistinnen und Autisten, die nicht maskieren können, erleben die Welt oft langanhaltend intensiver und direkter, da sie kaum Strategien und Techniken einsetzen können, um dies abzumildern oder erträglicher zu machen.
Wenn du ein autistisches Kind hast, das nicht maskieren kann, bist du sicherlich mit den täglichen Herausforderungen vertraut, die das mit sich bringt. Vielleicht hast du schon oft versucht, deinem Kind Erlebnisse wie eine Familienfeier, eine Schulaufführung oder einen Nachmittag im Park zu ermöglichen, nur um zu sehen, wie überwältigend diese Situationen für dein Kind sein können. Oftmals müssen es gar nicht die besonderen Ereignisse sein, bereits ein gemeinsames Mittagessen, Zusammensein mit Mitschülern (ob inklusiv oder nicht) oder ein Aufenthalt im Garten mit Vogelgezwitscher, Rasenmäher usw. sind bereits unmöglich und schränken euren Alltag enorm ein.
Oft sind es die vielen Reize, die eine sensorische Überlastung verursachen – von lauten Geräuschen bis hin zu unerwarteten Menschenmengen, aber eben auch ganz alltägliche Geräusche, die unerträglich werden.
Du hast vielleicht auch festgestellt, dass übliche Hilfsmittel wie zum Beispiel Kopfhörer oder Sonnenbrillen, die Reize abschwächen könnten, von deinem Kind als unangenehm empfunden und abgelehnt werden und daher keine Lösung darstellen.

Aktivitäten, die viele Familien für selbstverständlich halten, wie ein Kinobesuch oder ein Ausflug zum Vergnügungspark, sind für dein Kind unerreichbar. Die lauten Geräusche, die grellen Lichter und die großen Menschenmengen können schnell zu einer Überforderung führen. Selbst Veranstaltungen, die eigentlich für Autistinnen und Autisten und deren Familien von z.B. Vereinen organisiert werden, sind für dein Kind womöglich völlig ungeeignet.
Wenn sie deshalb von vielem ausgeschlossen sind, kann das enorme Auswirkungen haben. Stell dir vor, wie es sich anfühlt, in einer lauten und chaotischen Umgebung zu sein, ohne die Möglichkeit, die eigenen Reaktionen so zu steuern oder Hilfsmittel einzusetzen, dass es zumindest weniger auffällt.

Diese Autistinnen und Autisten verstehen vielleicht nicht, warum sie anders reagieren oder warum ihre spontanen Reaktionen auf Unverständnis oder Ablehnung stoßen. Sie verstehen und erleben aber sehr wohl die Isolation, die daraus resultiert. Das Selbstwertgefühl leidet, es folgt noch mehr Rückzug und Isolation. Ohne die Möglichkeit, sich durch Masking wenigstens zeitweise anzupassen, fühlen sich diese Autistinnen und Autisten hilflos und ausgeliefert in sozialen Situationen, was zu Angst und noch mehr Rückzug führen kann.

Für Autistinnen und Autisten, die nicht maskieren können, gibt es die Wahl zu maskieren und hinterher ggf. den Preis zu zahlen, oder dies eben nicht zu tun, nicht. Die Wahl ist nicht vorhanden, weil allein der Versuch zur Eskalation führt. Dies bringt unfreiwillige Isolation, die Auswirkungen nicht nur auf dein Kind, sondern auf deine gesamte Familie hat.

Was mich fassungslos macht

Nun gibt es tatsächlich Menschen, die meinen, es sei nicht so schlimm, da diese Personengruppe ohnehin nicht verstehen würde, worum es bei Teilhabe geht. Ich muss sagen, solche Aussagen machen mich fassungslos, sie sind absolut unangebracht und es ist herabwürdigend zu behaupten, dass die Ausgrenzung oder eingeschränkte Teilhabe von Autistinnen und Autisten, die in allen Bereichen der Diagnosekriterien intensiver im Spektrum sind, nicht so schwerwiegend sei, da sie angeblich nicht intelligent genug seien, um ihre Situation zu verstehen.
Derartige Aussagen, die ich leider schon öfter vernommen habe, sind nicht nur verletzend, sondern missachten die grundlegende Würde und das Bewusstsein jeder Person, ganz unabhängig von ihrer neurologischen Beschaffenheit.
Für mich macht es einmal mehr deutlich, wie wichtig auch Aufkärung für und über Autistinnen und Autisten ist, die nicht selbst für sich sprechen können, auch wenn ich dies „nur“ mittelbar als Mutter umsetze. Ich würde mir wünschen, dass auch andere dies in ihre Aufklärungsarbeit integrieren.

Abschlussgedanken für ein breiteres Verständnis

Es ist sehr wichtig, über Masking und dessen Auswirkungen Bescheid zu wissen. Wenn dies mehr berücksichtigt würde, wären mit der Zeit bessere Rahmenbedingungen möglich und ich bin überzeugt, weniger Schuldzuweisungen nötig. Denn diese werden nur allzu oft ausgesprochen, wenn sich die Auswirkungen des Maskings häufig erst in anderen Lebensbereichen zeigen.
Ebenso wichtig war es mir, auf die Realität des Nicht-Maskieren-Könnens einzugehen, ein Thema, das leider häufig übersehen oder sogar vergessen wird. Es war mir nicht zuletzt aus den Erfahrungen mit meinem Sohn ein großes Anliegen, auch diese Perspektive sichtbar zu machen.

Niemand kann das Ausmaß an Herausforderung, mit denen eine andere Person konfrontiert ist, beurteilen oder bewerten, ob sie nun maskiert oder auch nicht.

Eine Zusammenfassung mit Merkblatt zum Thema Masking findest Du in der beliebten Schatzkiste von Ellas Blog.

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Liebe Ella,

    wieder ein Blogbeitrag, den ich nahezu komplett mit nunmehr 59 Jahren im Spektrum unterschreiben könnte.
    Beim Durchlesen ist mir allerdings der Gedanke gekommen, ob es nicht auch noch eine Art "Zwischenstadium" geben könnte?
    Man maskiert als Autist/in. Aber man schafft das nur dann, wenn es einem einigermassen gut geht, also genug Energie vorhanden ist. … Und wenn keine Energie da ist, ist aus keine Maskierung möglich.
    mhm… mir geht das oft so.

    Ein bischen gestolpert für mich bin ich bei dem Satz "Die Anwendung von Masking-Strategien setzt voraus, dass man in der Lage ist, eigene Verhaltensweisen zu analysieren, _die Reaktionen anderer darauf zu interpretieren und daraufhin das eigene Verhalten so anzupassen, dass es den erwarteten sozialen Standards entspricht. " über den von mir mit _ gekennzeichneten Einschub.
    Für mich würde ich eher sagen:
    Ja, ich analysiere – aber im nachhinein, nicht in der Situation. Zudem habe ich gelernt, das erwartete soziale Verhalten auf Basis vorheriger, ähnlich abgelaufener Situationen zu imitieren (ich würde eine Imitation nicht als Anpassung bezeichnen wollen). Die Reaktionen anderer direkt in der Situation zu interpretieren, ist ja nicht möglich.

    So, das waren jetzt meine Gedanken zu Deinem – wie ich finde – wieder einmal hervorragenden Blogbeitrag!
    Herzlichen Dank für Deine Mühen und vor allem auch Deine klaren und sachlich fundierten Standpunkte! 🌼🌼🌼 erwachsene Autisten

    1. Liebe Claudia,
      ganz herzlichen Dank für Deinen wertvollen Kommentar.
      Ja, bestimmt gibt es auch eine Art „Zwischenstadium“, wie Du es schreibst. Das Energielevel ist ja bei niemandem jeden Tag gleich.
      Vielen Dank für die Ergänzung und Deine persönliche Erfahrung.
      Alles Gute, herzlichs Silke alias Ella

  2. „Ebenso wichtig war es mir, auf die Realität des Nicht-Maskieren-Könnens einzugehen, ein Thema, das leider häufig übersehen oder sogar vergessen wird.“

    Und dazu noch ein interessantes Thema.

    Ich selbst bin leider auch nicht in der Lage zu maskieren und das wurde mir erst kürzlich wieder einmal deutlich vor Augen gehalten.

    Ich musste im Hospiz, wo mein Mann nun seine letzten Lebenstage verbringt, beim Aufnahmegespräch einige Fragen beantworten. Ich selbst hatte das Gefühl dass ich doch recht normal und eben auch ehrlich geantwortet hatte.

    Jedoch erzählte mein Mann mir am nächsten Tag dass er denen dort erst einmal erklären musste dass ich das Asperger-Syndrom hätte und ich daher etwas anders auf bestimmte Situationen reagieren würde als es so der Durchschnitt macht. Sie waren anscheinend erst einmal ein wenig entsetzt gewesen wie ich mich da gezeigt und gegeben habe.

    Sie hatten noch nie davon gehört und waren etwas erstaunt was es doch so alles gibt. Mein Mann sagte mir noch dass er ihnen gesagt hätte dass er nichts auf mich kommen lassen würde und dass er mich sehr gelobt hätte, denn ich wäre immer für ihn dagewesen und er hätte sich stets in allem auf mich verlassen können. Nur dass ich eben halt anders wäre als viele andere Menschen und dies mit meinem Autismus zu tun hätte. :)

    Früher, in jungen Jahren hatte ich manchmal das Gefühl irgendeine Theaterrolle spielen zu müssen die mir eigentlich überhaupt nicht lag und die ich einfach nur grottenschlecht spielen konnte und gespielt habe.

    Die Bühne auf der ich spielte, war die Welt in der ich mich versuchte zurecht zu finden, und die Rolle wurde mir einfach mal so zugeteilt ohne dass jemand mal fragte ob diese Rolle auch zu mir passt oder ob ich überhaupt in der Lage bin sie zu spielen.

    Ich habe mich dann eines Tages entschlossen die Rolle nicht weiterzuspielen und es auch gar nicht erst wieder zu versuchen. Mit Theaterrolle falle ich unangenehm auf und ohne Theaterrolle ja leider auch.

    Daher gebe ich mich seit langem schon nur noch so wie ich nun einmal bin, alles andere stresst mich nur und den kann ich nun überhaupt nicht gebrauchen. ;)

    1. Liebe Zarinka,
      auch Dir herzlichen Dank für Deine wertvolle Erfahrung.
      Ich wünsche Dir und Deinem Mann von Herzen alles, was Ihr Euch selbt wünscht,
      Silke

  3. Liebe Silke,
    danke für diesen Beitrag.

    Ich maskiere, so gut ich kann.
    Ich habe für mich entschieden, sehr offen mit meiner Diagnose umzugehen, da ich mittlerweile auch Meltdowns in der Öffentlichkeit nicht mehr immer verhindern kann.
    Also brauche ich Strategien, um schnell (!) aus einem solchen herauszufinden und Menschen, die helfen wollen, nicht zusätzlich "vor den Kopf zu stoßen ".

    Hintergrund: ich werde alt (57), das verbraucht zusätzlich Energie.
    Die Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr, speziell von Radfahrern auf Gehwegen, hat in den letzten Jahren stark zugenommen.
    Ebenso die Anzahl freilaufender Hunde, was meine Hundepanik ( aufgrund zweier Erlebnisse) wieder hat ausbrechen lassen.
    Ich sehe aber nicht ein, mich in meiner Wohnung zu verstecken, zumal ich ja auch einkaufen und zum Arzt muss.
    als zu direkt und "übergriffig" ( wobei dieses Wort nach meinem Eindruck zu schnell benutzt wird, und das, ohne zu erklären, was genau gerade übergriffig war – wie soll ich da was lernen?) gelte ich auch. Ich lenke aber schnell auch ein und bin immer interessiert, Missverständnisse aufzuklären.
    Eigentlich könnte an mich als die "klassische Ella Schön" bezeichnen. ;-)

    Alles,Gute für Dich und Niklas.

    1. Liebe Jana,
      auch Dir vielen Dank für Deinen hilfreichen Kommentar und die Offenheit, uns davon zu erzählen.
      Ich wünsche Dir, dass du immer wieder für Dich gute Strategien findest.
      Viele liebe Grüße, Silke

  4. Hallo Silke,
    besten Dank für diesen Beitrag. Meinen Kommentar kann ich auch (wie Du) "nur" als Mutter schreiben, weil mein Sohn überhaupt nicht in der Lage wäre, einen Computer zu bedienen. Er gehört zu den Personen, die Du beschreibst, die nicht maskieren können und daher äußerst isoliert sind, wir als Familie eingeschlossen.
    Es kommen häufig Tips wie: Versucht doch mal Kopfhörer. Macht doch genaue Pläne, damit er weiß, was passieren wird. Usw, usf.
    Das alles ist nicht möglich, er verweigert Hilfsmittel und ist so tief im Spektrum und es tut mir regelmäßig weh, dass Autisten wie mein Sohn überhaupt nicht gesehen werden. Man sieht dann nur, wie er aus Verzweiflung schlägt und tritt und einfach nur weg will.
    Danke, dass Du sie sichtbar machst, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass das ein Kampf gegen Windmühlen ist.
    Danke, ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben.
    Tanja

    1. Liebe Tanja,
      die Situation, die du schilderst, kenne ich sehr gut. Manchmal gibt es Momente der wirklichen Teilhabe, von denen wir lange zehren. Dann stimmen die Rahmenbedingungen und wir sind von Menschen umgeben, die mit Niklas` Unmittelbarkeit rechnen und umgehen können. Diese Personen wünsche ich euch auch.
      Ich freue mich, dass du dich hier gesehen fühlst, VG Silke

  5. Liebe Ella, liebe Silke,

    das ist einer der besten Beiträge, die ich von Dir kenne. Ich fühle mich endlich verstanden, so wie sonst nirgendwo. Maskieren ist immer wieder Thema auf anderen Seiten, aber es geht immer um Autisten, die maskieren, auch wenn es vielleicht nicht immer möglich ist und eine Sache des Energiehaushalts ist. Aber es ist zumindest möglich.
    Mein Sohn ist wie Deiner, denke ich jedenfalls, soweit ich das beurteilen kann. Er lebt seine Gefühle, Ängste und alles andere unmittelbar aus. Wir haben Rahmenbedingungen angepasst und vieles erklärt, aber jede Situation ist wieder neu und seine Reaktionen mit jeder neuen Situation auch wieder neu unmittelbar.
    Das kann sich einfach niemand vorstellen, wie das ist, wenn man dauerhaft so lebt und, wie du treffend schreibst, eine Teilhabe fast nicht möglich ist, auch nicht oder erst recht nicht in einem bemüht inklusiven Schulsystem.

    Danke für alles und mach bitte noch lange weiter so
    Martin

    1. Lieber Martin, danke Dir für Deinen Kommentar. „Jede Situation ist wieder neu und seiner Reaktionen mit jeder neuen Situation auch wieder neu unmittelbar.“ Dast hast du sehr treffend formuliert.
      Es drückt sehr prägnant aus, dass Erkenntnisse und sog. Strategien für Kinder wie unsere nicht ohne weiteres auf neue Situationen übertragbar sind. Sehr schwer vorstellbar für andere sog. Neurotypische, die (weil du das Thema Schule ansprichst), nach gängigen pädagogischen Konzepten vorgehen.
      Alles Gute, herzlichst Silke

  6. Liebe Silke,

    das werde ich an meinen kompletten Mailverteiler verschicken.
    Endlich mal jemand, der das Thema auf den Punkt bringt und die Autistinnen und Autisten nicht außen vor lässt, die eben nicht für sich selbst sprechen können.
    Danke, dass du es tust.

    Sandra

  7. Hallo liebe Silke oder Ella,

    ich bin Autistin, arbeite in einem Bürojob und habe irgendwann mal Abitur gemacht.
    Das alles hätte ich nicht erreichen können, wenn ich nicht Maskingstrategien anwenden würde, die du so treffend beschreibst inklusive der Auswirkungen. Das alles hätte ich nicht besser beschreiben können.

    In der Tat habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, dass es auch Autist*innen gibt, die das nicht können, die in ihren Möglichkeiten viel eingeschränkter sind als ich. Danke, dass du mir und bestimmt auch anderen klar machst, dass es auch diese Gruppe gibt, die auch zu uns gehört und für die wir uns mit einsetzen sollten.

    Du bist zwar "nur" eine Mutter, wie du schreibst. Aber was diese Perspektive angeht, unverzichtbar und deine Aufklärung, wie ich sie wahrnehme immer fundiert und wertschätzend. Und wie sollten die Autisten wie dein Niklas auch selbst schreiben oder bloggen oder auf Kongressen auftreten? Danke, dass du ihnen eine Stimme gibst und dass wir anderen dazu lernen können.

    Saskia

    1. Liebe Saskia,
      Dein Kommentar berührt mich sehr. Danke für Deine Zeilen und Deine Gedanken. Es bedeutet mir viel, dass Du diese hier teilst und ich freue mich gerade sehr.
      Ich wünsche Dir von Herzen alles erdenklich Gute.
      ♥ Silke

  8. Liebe Silke,
    Danke für diesen Beitrag. Unser Sohn gehört auch zu denen, die nicht maskieren können und genau wie Du sagst: Garten mit Rasenmäher geht nicht, Staubsauger geht nicht, ein Telefonklingeln, das niemand beendet, geht nicht. Kirmes, Kino, Theater, Weihnachtsmarkt, Konzert geht gar nicht.
    Was geht: Schwimmen. Spazieren gehen mit viel Platz.
    Im Wohnzimmer iPad spielen.
    Er wirkt auf den ersten Blick, als interessierten ihn andere Menschen nicht. Aber wenn Besuch kommt (nicht zu viel), den er mag, dann freut er sich sehr und sucht Kontakt und möchte jedem seine Sachen auf dem iPad zeigen. Aber leider verstehen ihn die meisten nicht und sehen nicht lang genug hin, sind schnell wieder mit anderem beschäftigt und er verliert dann den Kontakt.
    Das tut mir manchmal sehr weh.
    Soziale Teilhabe ist für Autisten wirklich schwer.

    1. Liebe Marion,
      ganz herzlichen Dank auch für Deinen Kommentar. Ich finde mich darin mit unserer Situation wieder und ich verstehe, dass das manchmal sehr weh tut. Diese alltäglichen Dinge, die alle nicht gehen…. an manchen Tagen fragt man sich, was da noch bleibt und was man tun könnte?
      Ich wünsche Euch Menschen, die Deinen Sohn verstehen und gerne seine Sachen auf dem iPad anschauen. Es stimmt, viele haben zu wenig Geduld, um sich einzulassen und verstehen zu lernen, das beobachte ich auf oft und dann zerreißt es einen, weil sich unsere Söhne ja auf ihre Weise bemühen.
      Alles Gute, herzlichst
      Silke

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