Weiterer Erfahrungsbericht: Schulbegleitung über das Persönliche Budget

veröffentlicht im Mai 2020


Sehr gerne veröffentliche ich für euch einen weiteren Erfahrungsbericht zur Thematik „Beantragung einer Schulbegleitung über das Persönliche Budget (PB)“. Die Autorin des Beitrags hat der Veröffentlichung selbstverständlich zugestimmt.

Hallo Silke alias Ella,
ich habe gerade für eine Bekannte die Kostenübernahme einer Schulbegleitung (SB) für ihren autistischen Sohn in der Finanzierungsform Persönliches Budget (PB) beim Sozialamt beantragt. 

Die Antwort der Mitarbeiterin des Sozialamtes lautete:
Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass sofern es überhaupt zu einer Kostenübernahmemöglichkeit kommen würde, die Leistung vorrangig durch einen Leistungsanbieter für Schulbegleitungen zu erfolgen hat- nicht durch selbst eingestellte Kräfte in Form des persönlichen Budgets. Dies ist ohnehin ausgeschlossen.

Es hat mich sehr gewundert, dass im Jahr 2020 immer noch versucht wird, die Inanspruchnahme des PB dahingehend zu unterlaufen, dass man versucht, Eltern an einen Leistungsanbieter zu verweisen.
Da diese Auskunft nicht der Wahrheit entspricht, handelt die Mitarbeiterin des Sozialamtes entgegen §§ 13,14 SGB I, wonach sie zur wahrheitsgemäßen Auskunft und Beratung verpflichtet ist.

Der rechtliche Anspruch auf Finanzierung einer Schulbegleitung im Rahmen des Persönlichen Budgets ergibt sich aus § 29 SGB IX „Persönliches Budget“, § 8 Abs. 2 SGB IX „Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten“ sowie § 75 SGB IX „Leistungen zur Teilhabe an Bildung“ (Sozialamt) bzw. § 35 SGB VIII „Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung“ (Jugendamt).

Quelle: pixabay, User FirmBee

Ich selber habe vor einigen Jahren folgende Erfahrungen mit der Finanzierung der Schulbegleitung meines autistischen Sohnes an der Förderschule gemacht:
Ich hatte eine qualifizierte Schulbegleitung für ihn beantragt und diese wurde mir vom Sozialamt nicht bewilligt, weil der Leistungsanbieter, der diese Person zur Verfügung gestellt hätte, einen Stundensatz forderte, den das Sozialamt nicht zu zahlen bereit war.
Daraufhin beantragte ich für meinen Sohn das PB und fand eine Frau, deren Schwester Autistin ist und die ich dementsprechend als qualifizierte Schulbegleiterin auswies.
Die Höhe des bewilligten Budgets war so gut, dass sie den 2,5 fachen Stundenlohn erhielt, den sie bei einem Leistungsanbieter erhalten hätte. Gleichzeitig war die Gesamthöhe des Budgets nur halb so hoch wie die Kosten, die für eine qualifizierte SB über einen Leistungsanbieter entstanden wären.
Bei einem Leistungsanbieter war die Frau nicht als qualifiziert eingestuft worden, da sie keine entsprechende Berufsausbildung besaß. Ich dagegen konnte dem Sozialamt glaubhaft darlegen, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung mit einem autistischen Menschen qualifiziert sei.

Die Höhe des beantragten Budgets hatte ich wie folgt errechnet:

Die Schulbegleiterin hatte mir gesagt, was sie netto jeden Monat raushaben möchte. Mit Hilfe eines Netto-Brutto-Rechners hatte ich ihr Bruttogehalt ermittelt und mittels eines Gehaltsrechners für Arbeitgeber dann die Höhe der entsprechenden Sozialleistungen errechnet.
Das ergab dann die Bruttobelastung für mich als Arbeitgeber.
Dazu addierte ich die Kosten für die Gehaltsabrechnung durch ein Steuerbüro und die Kontoführungsgebühren plus die Kosten für die Berufsgenossenschaft.

Nachdem also das Budget bewilligt war, beantragte ich beim Betriebsnummern-Service der Bundesagentur für Arbeit eine Betriebsnummer. Mit dieser ging ich zu einem Steuerbüro, das auch Gehaltsabrechnungen macht. Die Kosten für die Abrechnungen und sonstigen Leistungen des Steuerbüros waren ins PB einkalkuliert worden und ich musste keinen Cent aus eigener Tasche dafür aufbringen. Ebenso nicht für die Kontoführungsgebühren des extra angelegten Budget-Kontos und die Berufsgenossenschaft.

Zum Nachweis der abgeleisteten Stunden händigte ich der Schulbegleiterin einen Stundenzettel aus, in den sie ihre Schulstunden eintrug und am Monatsende von den Lehrern unterschreiben ließ.
Jeweils zum Ende des Monats hin erhielt ich die Abrechnung des Steuerbüros und überwies das per Arbeitsvertrag vereinbarte monatliche Gehalt.
Den Arbeitsvertrag hatte ich auf Grundlage eines Standard-Arbeitsvertrages, den ich vom Steuerbüro erhalten hatte, erstellt. Wichtig war der Zusatz, dass der Urlaub nur in den Schulferien genommen werden kann und der Vertrag sofort seine Gültigkeit verliert, sollte das Sozialamt seine monatliche Überweisung einstellen.
Sehr bewährt hat sich, dass zur täglichen Arbeitszeit in der Schule noch eine tägliche halbe Stunde für Gespräche mit uns Eltern ins Budget einkalkuliert worden war. So konnten wir uns jeden Tag mit der Schulbegleitung ausgiebig austauschen und sie bekam auch diese Zeit bezahlt.

Insgesamt kann ich sagen, dass die Finanzierung einer Schulbegleitung bei einem autistischen Kind aus folgenden Gründen sehr empfehlenswert ist:

1. Die SB bekommt wesentlich mehr Geld, da ein „Zwischenwirt“ fehlt.

2. Durch die direkte tägliche Kommunikation zwischen SB und Eltern erfahren die Eltern stets sofort von evtl. Schwierigkeiten und Problemen in der Schule und können zeitnah handeln. Ebenso erfährt die SB, was zu Hause gerade abläuft und kann es der Schule weitergeben.

3. Bei Krankheit der SB kommt (oft ohne Wissen der Eltern) nicht irgendwer als Ersatz, der das Kind nicht kennt und den das Kind nicht kennt. Gerade bei nicht-sprechenden Autisten kommt es hier oft zu Kommunikationsproblemen.

4. Die SB bekommt ein monatliches Festgehalt unabhängig von Schulferien. Bei Krankheit des Kindes ist die SB nicht gezwungen, einen anderen Schüler zu betreuen, sondern kann zu Hause bleiben. Es kann aber auch im Arbeitsvertrag vereinbart werden, dass sie dann das Kind zu Hause betreut. (Wichtig, sofern die Eltern berufstätig sind.)

5. Es kann vertraglich vereinbart werden, dass die Begleitung in Krisenzeiten mit Schulschließung zu Hause fortgesetzt wird (Assistenz im Home-Schooling).

Gelegentlich kommt es an den Schulen zu Schwierigkeiten mit von Eltern angestellten Schulbegleitern, da sie aufgrund ihrer besseren Bezahlung natürlich nicht gut für das schulinterne Betriebsklima sind. Und natürlich sind sie den Leistungsanbietern ein Dorn im Auge, deren Mitarbeiter dann auch mehr Geld möchten. Ich habe auch schon davon gehört, dass Lehrer sich daran stören, dass die Eltern täglich erfahren, was in der Schule abgelaufen ist.

Es kann sein, dass sich, sofern das PB mit Betriebsnummer eingesetzt wird, mal jemand Offizielles schriftlich anmeldet, um eine Betriebsprüfung zu machen. Als das bei mir der Fall war, habe ich dort angerufen und glaubhaft versichert, dass ich ein Persönliches Budget beziehe, quasi nur die Verteilungsstelle des Geldes bin, daran keinen Cent verdiene, die rechtmäßige Verwendung des Geldes dem Sozialamt zum Ende des Bewilligungszeitraumes nachweisen und überschüssige Gelder zurücküberweisen muss. Die Betriebsprüfung entfiel daraufhin.

Fazit:

Für Eltern, bei denen ein Elternteil zu Hause ist und nicht arbeitet, ist die Anstellung einer SB im Rahmen eines PB sehr zu empfehlen. Wenn die SB einmal krank ist, bleibt das Kind einfach zu Hause. Sind beide Elternteile berufstätig und darauf angewiesen, dass stets eine Person da ist, die das Kind in der Schule begleitet, empfiehlt sich ein Leistungsanbieter, der im Krankheitsfall für Ersatz sorgt. Bei sprechenden Autisten ist das manchmal sehr gut möglich. 
Für Eltern oder Alleinerziehende, bei denen immer jemand zu Hause ist, ist die Anstellung einer SB im Rahmen eines PB sehr zu empfehlen. Wenn die SB einmal krank ist, bleibt das Kind einfach zu Hause.

Sind beide Elternteile bzw. ein alleinerziehender Elternteil berufstätig und möchten eine SB im Rahmen des PB selbst beschäftigen, haben aber niemanden, der das Kind im Krankheitsfall der SB zu Hause betreuen würde, wird es etwas komplizierter.
Die Eltern bzw. der Elternteil könnte selber für SB-Ersatz sorgen. Hier sollte die Schule die betreffende Ersatz-SB bereits im Vorfeld kennenlernen. Ich kenne Schulen, die sogar Großeltern als Ersatz-SB dulden, andere sträuben sich vehement dagegen.
Und dann ist da noch die Frage der Bezahlung. Sind es Familienangehörige/ Verwandte, die unentgeltlich arbeiten würden, ist das finanziell problemlos. Ansonsten steht kein Budget-Geld zur Verfügung, denn es gilt ja die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Ersatzkraft müsste dann privat oder aus der Ersatzpflege der Pflegeversicherung bezahlt werden.

Alternativ könnten die Eltern statt eines PB für SB direkt ein Trägerübergreifendes PB für SB plus Freizeitassistenz beantragen. Werden auf diese Weise im Rahmen von Minijobs (Haushaltsscheckverfahren mit monatlich schwankendem Entgelt) noch Freizeitassistenten eingestellt, könnten diese das Kind im Krankheitsfall der SB dann zu Hause oder sogar in der Schule betreuen. So ein Budget ist auch bei Kindern und Jugendlichen durchaus möglich. Solange dabei der größte Teil der täglichen Pflege- und Betreuungszeit weiterhin auf den oder die Erziehungsberechtigen entfällt, bleiben die sonstigen Leistungen der Pflegeversicherung (Pflegegeld, Ersatzpflege, Entlastungsbetrag) von einem Budget unberührt.

Soviel erst einmal zu meinen Erfahrungen mit dem PB bei Schulbegleitern. Leider erfährt man im Netz sehr wenig darüber und ich kenne persönlich auch sehr wenige Eltern, die das so machen.
Nachdem mein Sohn nicht mehr zur Schule ging, habe ich stets ein PB für Betreuung zu Hause beantragt. Es ist immer bewilligt worden und ich kann seit Jahren mehrere Personen beschäftigen, die mich stundenweise zu Hause bei der Betreuung entlasten. Selbst jetzt, in virusverseuchten Zeiten, kommen sie regelmäßig weiter ins Haus und wir sind alle noch gesund.

Lieben Gruß von einer Leserin

Alle Angaben ohne Gewähr, bitte informiert euch unbedingt auch selbst und lasst euch qualifiziert beraten, bevor Ihr das Persönliche Budget beantragt.
Kontaktadresse findet ihr im Beitrag „Das Persönliche Budget im Bereich Autismus“.

Zum Weiterlesen:

Das Persönliche Budget im Bereich Autismus

Wie man eine Schulbegleitung über das Persönliche Budget beantragt

Schulbegleitung über das Persönliche Budget – Erfahrungsbericht

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird NICHT veröffentlicht. Alle Pflichtfelder sind mit einem * markiert.

  1. Vielen Dank für die Information. Evtl. wäre das auch bei AdHs, Sprachverzögerung usw eine gute Idee. Denn derzeit verweigert das Jugendamt alles obwohl ein Gutachten nach 35a vorliegt.

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Das Forum plus ist der Mitgliederbereich von Ellas Blog

Es ist immer wieder überwältigend, was wir als Eltern autistischer Kinder bedenken, organisieren und verarbeiten müssen. Neben viel Wissen und Erfahrungen, die du hier im Blog findest, ist eine solidarische Gemeinschaft unglaublich hilfreich. Das Forum plus ist ein geschützter Bereich nur für Eltern autistischer Kinder. Hier findest du außer praktischen Tipps viel Verständnis und Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie Du.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner Skip to content