Was betreuungsintensive autistische Kinder und ihre Eltern brauchen, damit Ablöse gelingen kann
Es hört sich immer so an, als läge es an den klammernden Eltern, die ihre Kinder nicht loslassen können, wenn Ablöse nicht gelingt. Helikoptereltern im Behindertenbereich – wie furchtbar ist das denn? Wieso quatschen die Eltern in alles rein? Können die ihren Kinder nicht mal ihre Freiheiten lassen und aufhören, sie mit ihrer Fürsorge zu bevormunden?
Das sind Statements, die man als Eltern eines behinderten Kindes, das langsam den Kinderschuhen entwächst (rw), zeitweise zu hören bekommt.
Natürlich gibt es Eltern, die sich generell schwer damit tun, Kinder ziehen zu lassen – und es gibt besserwisserische Nörgler unter Eltern – und es gibt Eltern, denen es leichter fällt loszulassen und die das schon beizeiten umsetzen – und es gibt Eltern, denen man es nicht ansieht, wie schwer es ihnen fällt.

Die Eltern, von denen ich hier schreibe, haben betreuungs- und pflegeintensive Kinder mit einer möglichen zusätzlichen geistigen Behinderung. Sie möchten gerne loslassen, indem sie ihr Kind behutsam ins Erwachsenenleben geleiten (lassen), damit es neue Erfahrungen machen und sich entwickeln kann.
Denn natürlich ist es richtig und wichtig, das erwachsen werdende Kind in die größtmögliche Selbständigkeit und Selbstbestimmung zu führen. Man wird nicht jünger, das Nervenkostüm wird dünner, die Kraft weniger, da ist es sinnvoll, Stück für Stück loszulassen, Aufgaben neu zu verteilen und sich Hilfe zu organisieren. Hilfe für alltägliche Dinge, die man nicht (mehr) schafft. Aber auch Hilfe beim Loslassen.
Das ist die Theorie. Hört sich toll an. Aber wie soll man das machen? Was brauchen AutistInnen und ihre Familien?
Menschen, die Aufgaben übernehmen und das Kind zeitweise betreuen, um es in die Selbständigkeit zu begleiten
Woher sollen diese Menschen kommen?
Manche Eltern finden nicht einmal für den normalen FeD/FuD (familienentlastender / familienunterstützender Dienst) im Rahmen der Verhinderungspflege und die Entlastungsleistungen Menschen, die ihnen bei der Betreuung und Pflege ihres Kindes helfen. Hier herrscht eklatanter Mangel und riesengroßer Bedarf. Familien, die an Sozialdienste herantreten, bekommen häufig zu hören: „Für Demenz geschultes Personal kann ich Ihnen vermitteln, aber Autismus? Nein, tut mir leid. Damit kennen wir uns nicht aus.“
Die Organisationen, die für Autismus geschulte Freizeitbetreuer haben, sind häufig ausgebucht oder haben so hohe Verwaltungskostenaufschläge, dass die Budgets für die Verhinderungspflege und Entlastungsleistungen in Nullkommanix ausgeschöpft sind.
Wir haben unglaubliches Glück und durften Menschen finden, die mit Niklas Stück für Stück in die Erwachsenenwelt ohne Eltern hineingehen. Gleichzeitig finde ich Zuschriften wie diese in meinem Postfach:
„Ich brauche dringend Hilfe bei der Betreuung meines Kindes. Aber ich finde niemanden. Die Verhinderungspflege verfällt, weil ich sie nicht einsetzen kann – mangels Betreuer, die bereit wären, mit meinem Kind etwas zu unternehmen.“
„Mein Sohn ist 20 Jahre alt und wir wünschen uns, dass er seinen Horizont erweitern kann, indem er ohne uns Eltern etwas unternimmt. Aber niemand traut es sich zu, weil er nicht spricht und häufig impulsiv reagiert. Wenn wir doch mal jemanden haben, hört er nach ein paar Mal wieder auf, weil es zu anstrengend ist. Deshalb ist mein Sohn immer nur zuhause bei uns. Wie soll ich loslassen, wenn ihn doch niemand will?“
Für einige erscheint die tageweise Betreuung und Pflege außerhalb des gewohnten Zuhauses im Rahmen der Kurzzeitpflege eine gute Möglichkeit, um nach und nach Selbständigkeit zu erreichen. Einen solchen Platz zu finden, ist allerdings schwierig. Es gibt nur wenige Einrichtungen, die auf die besonderen Bedürfnisse von betreuungs- und pflegeintensive Autistinnen und Autisten eingestellt sind. Eltern erhalten Antworten wie diese: „Es tut uns leid. Aber wir können die Verantwortung für Ihr Kind nicht übernehmen. Es sollte zumindest alleine essen können und keine Weglauftendenz haben.“
Manche AutistInnen möchten gerne das Persönliche Budget nutzen, mit dem sie sich zum Beispiel Begleitung organisieren könnten. Immer wieder höre ich dazu Schilderungen wie diese:
„Das Persönliche Budget ist schön und gut. Aber ich finde niemanden, der mein Kind begleiten kann. Ich bin derjenige, der unseren eigenen Begleiter erstmal schulen muss. Bis er versteht, was Autismus bedeutet, ist unsere Energie aufgebraucht.“
Zum Glück gibt es auch positive Beispiele:
„Ich habe über einen Verein FeDler gefunden, die gerne mit meinem Sohn etwas unternehmen. Das ist so schön für uns alle. Er kann Dinge tun, die er mit uns nicht machen kann und wir haben mal frei.“
„Das Kompetenzzentrum in unserer Stadt konnte uns einen Begleiter vermitteln, der mein Kind hin und wieder unterstützt. Es ist super, diese Hilfestellung per Persönliches Budget nutzen zu können.“
Also – nicht aufgeben! Es gibt sie, die Menschen, die unterstützen. Wendet euch an Vereine, Kompetenzzentren, Sozialverbände, die Lebenshilfe, den Sozialdienst, der regelmäßig wegen des Pflegegrades vorbeikommt, oder andere Organisationen in eurer Region, die sich mit der Vermittlung von Unterstützung befassen.
AutistInnen und Familien brauchen in dieser Hinsicht dringend Unterstützung und Menschen, die stundenweise helfen und begleiten, damit im besten Fall dann auch eine Ablöse möglich ist, die verantwortet werden kann.
Dabei sollte den Betroffenen nicht das Geld aus der Tasche gezogen, sondern in Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Budgets (Verhinderungspflege, Entlastungsleistungen, Persönliches Budget) angemessene Beträge als Verwaltungskostenzuschüsse verrechnet werden.
Es braucht auch dringend Angebote für die Kurzzeitpflege, die auf Autistinnen und Autisten zugeschnitten sind. Außerdem sind für Autismus geschulte Begleiter notwendig, die im Rahmen des Persönlichen Budgets unterstützen.
Wohnformen, die so geschützt wie nötig sind und so viel Selbstbestimmung wie möglich bedeuten
Wohin soll man das Kind gehen lassen? Wo soll die Selbständigkeit und Selbstbestimmung stattfinden, wenn ein geschützter Rahmen vonnöten ist?
Ich kann gar nicht zählen, wieviele Eltern mir geschrieben haben, dass sie verzweifelt nach einem geeigneten Wohnplatz für ihre erwachsen gewordenen autistischen Kinder suchen. Sie haben Autistinnen und Autisten mit Pflegegraden vier und fünf zuhause, die ein Leben lang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sein werden. Dafür braucht es einen räumlichen, strukturellen und vor allem auch personellen Rahmen, der dies überhaupt auf eine Art und Weise ermöglicht, die adäquat und würdig ist.
Eklatanter Mangel! Es gibt viel zu wenige Wohnmöglichkeiten, die für die Bedürfnisse von pflege- und betreuungsintensiven Autisten eingerichtet sind. Es braucht kleine Wohneinheiten mit hohem Betreuungsschlüssel, geschultes Personal, geeignete Strukturen, die dennoch Selbstbestimmung ermöglichen, Räumlichkeiten, die zum Beispiel schallgedämmt, robust und wohnlich sind.
Es werden zunehmend mehr Projekte in dieser Art geplant, aber immer noch viel zu wenige. Alternativ werden junge erwachsene Autisten, die Pflege und Betreuung brauchen, in Seniorenheimen untergebracht, in großen Wohneinheiten eingestreut betreut oder in der Psychiatrie versorgt. Das kann nicht die Lösung sein und auch nicht die Perspektive, mit der Autistinnen, Autisten und Familien sich abfinden müssen.
Und dann wird den Eltern gesagt: „Ihr müsst loslassen!“
Wie soll das gehen? Wäre es unter diesen Umständen nicht verantwortungslos, das zu tun?
Es besteht auch die Möglichkeit, über die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets individuelle Wohnmöglichkeiten auch für betreuungsintensive Autistinnen und Autisten zu schaffen. Das bedeutet einen großen Organisationsaufwand, aber ermöglicht das Maximum an Selbstbestimmung und Selbstgestaltung. Wir befinden uns aktuell auf diesem Weg – gerne werde ich in Kürzer mehr darüber erzählen.
Es gibt natürlich auch die positiven Beispiele, wenn Eltern nach langer Suche endlich das Richtige für ihr Kind gefunden habe. In diesen Beiträgen habe ich bereits darüber berichtet: HIER über Inga und HIER über Lasse. Lest sie, um nicht den Mut zu verlieren und um zu sehen, dass es sehr gut laufen kann. Weitere Beispiele folgen.
AutistInnen und Familien brauchen dringend mehr Wohnprojekte, in denen Autistinnen und Autisten, die dauerhaft auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, so behütet wie nötig und so selbstbestimmt wie möglich leben können. Diese Wohneinheiten brauchen kleine Gruppen, hohe Betreuungsschlüssel und qualifiziertes Personal, das sich den Bewohnern angemessen und liebevoll widmen kann, ohne sich aufgrund zu geringer Betreuungsschlüssel aufzuarbeiten.
AutistInnen und Familien brauchen Unterstützung bei der Umsetzung individueller Wohnlösungen über die Inanspruchnahme des Persönlichen Budgets für alle Lebensbereiche.
Informiere dich HIER, wie du eine eigene Wohnlösung umsetzen kannst.
Die Arbeitsstellen für Assistenten und Pfleger müssen unbedingt attraktiver und Mitarbeiter angemessen entlohnt werden, damit es in Zukunft mehr Menschen gibt, die unsere Kinder und erwachsen gewordenen Autistinnen und Autisten gerne betreuen.
Es geht hierbei um eine dauerhafte Perspektive für erwachsene behinderte Menschen und nicht um Übergangs- oder Notlösungen.
Individuelle Begleitung und das Respektieren von Kompetenzen auf allen Seiten
Wenn ein pflege und- betreuungsintensiver junger Mensch in eine betreute Wohnform zieht, bringt er seine Geschicht mit. Er hat schon superschöne Dinge erlebt, Krisen gemeistert, Fortschritte gefeiert, Ängste überstanden, Beziehungen geknüpft, Reisen unternommen, Freunde kommen und gehen sehen, Krankheiten überstanden, und noch vieles mehr.
Es ist wichtig, sich diese Geschichte gemeinsam mit dem Autisten anzuschauen, sie sich stellenweise erzählen zu lassen und dann darauf abgestimmt den weiteren Lebensweg so gut wie möglich auszurichten. Auch bei eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten sollten immer Wege gesucht und sich die Zeit genommen werden, um nach dem Willen und den Befindlichkeiten, Wünschen und Sorgen des Autisten zu fragen.
Dafür braucht es eine vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit zwischen Autisten, Mitarbeitern und Eltern. Jeder hat seine eigene Kompetenz, jede einzelne Sichtweise ist wichtig, aber nur gemeinsam kann ein optimales Umfeld entstehen. In regelmäßigem Austauch zu stehen, ist sehr wichtig und hilfreich für alle Beteiligten.
Eltern haben die Sorge, dass das neue Wohnmodell schiefgehen könnte – und der Preis ist hoch, das wissen sie aus jahrelanger Erfahrung: Rückschläge, Krisen, Psychiatrieaufenthalte, Missbrauch, Vertrauensverlust auch in die Eltern … das sind Befürchtungen, die manchen übertrieben erscheinen, aber die ich hier weitergeben möchte, weil Eltern genau diese Ängste haben.
Manchmal kommen von Außenstehenden schlaue Sprüche wie: „Naja, wenn Du so denkst, darfst Du dein Haus nicht mehr verlassen. Du könntest jederzeit überfahren werden oder einen Dachziegel auf den Kopf bekommen. Es gibt kein Leben ohne Risiko.“
Ja, richtig. Aber hier geht es um das eigene Kind – um ein Kind, das sich möglicherweise nicht verbal äußern und sich nicht wehren kann. Das alleine bedeutet schon, riesengroßes Vertrauen in fremde Menschen haben zu müssen, die die Versorgung und Betreuung übernehmen werden. Da möchte man so wenig Risiko wie möglich eingehen.
Eine Mutter schrieb mir: „Meine Tochter kann sich nicht wehren. Was ist, wenn ihr Unrecht geschieht und sie sich nicht äußern, nicht wehren kann? Was ist, wenn ich das nicht merke, mir nicht gesagt wird, dass sie nachts weint und mich vermisst? Was ist dann? Ich könnte mir das niemals verzeihen – ich weiß nicht, was ich tun soll.“
Ein Vater schrieb mir: „Sicher machen viele einen richtig guten Job in Einrichtungen und ich bin diesen Menschen zutiefst dankbar. Aber was ist, wenn mein Kind an Mitarbeiter gerät, die es nicht so gut mit ihm meinen? Oder an Menschen, die mit ihm überfordert sind? Was ist dann? Ich mag es mir nicht ausmalen. Darf ich das überhaupt nur ansatzweise riskieren?“
Auch dazu gibt es sehr positive Rückmeldungen:
„Wir haben lange gesucht und jetzt sehen wir, dass es sich gelohnt hat. Unsere Tochter macht eine schöne Entwicklung, sie fühlt sich wohl und sie hat ein vertrauensvolles Verhältnis zu sehr bemühten und kompetenten Mitarbeitern in ihrer Wohngruppe.“
„Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern in Leos Wohngruppe ist sehr gut. Wir kommunizieren offen und sie rufen uns an, wenn es Probleme oder etwas Tolles zu feiern gibt. So nehmen wir weiterhin intensiv Anteil am Leben unseres selbständiger werdenden Sohnes.“
AutistInnen und ihre Familien brauchen Verständnis für ihre Sorgen und Bedenken. Das Wissen und die Erfahrungen von Eltern sollten unbedingt ernstgenommen werden. Eltern wollen Mitarbeitern in Einrichtungen keine Kompetenzen absprechen, sondern offen und vertrauensvoll mit ihnen zusammenarbeiten. Wenn sie Kritik üben, tun sie dies, weil sie sich um ihre erwachsen gewordenen Kinder sorgen. Es wäre unnatürlich, wenn sie dies nicht täten.
Für die Kommunikation mit AutistInnen sollte unbedingt ein Weg gefunden werden und Zeit vorhanden sein. Es geht um ihren Willen und um ihr Leben.
Um AutistInnen und ihren Familien die Ablöse zu erleichtern, brauchen sie den Blick, das Interesse und die Berücksichtigung ihrer individuellen Geschichte, die ihre Persönlichkeit prägt.

Eltern wünschen ihren Kindern von Herzen Freiheit, Selbstbestimmung und Selbständigkeit. Aber sie müssen es auch verantworten können, um das Gefühl zu haben, mit ihren Kindern auf einem guten Weg zu sein.
Danke allen, die bereits einen tollen Job machen und unseren erwachsenen Autistinnen und Autisten eine wertvolle Perspektive ermöglichen, wenn sie zuhause ausgezogen sind.
Ich selbst durfte neulich eine bewegende Begegnung erleben, die mir vor Freude die Tränen in die Augen trieb. Eine Einrichtungsleiterin sagte zu uns Eltern: „Wir brauchen Ihre Kompetenz. Sie müssen unbedingt mitarbeiten und Seite an Seite mit uns den Weg für Ihren Sohn ebnen. Sie haben als Eltern Wissen, das wir nicht haben.“
Ich wünsche allen, die vor diesen Entscheidungen stehen, genau solche Begegnungen und Menschen, die mit euch gemeinsam an einem Strang ziehen (rw).
Das Thema ist mit den hier aufgezeigten Anregungen natürlich nicht erschöpft. Es werden weitere Gastbeiträge, Interviews und Informationen folgen.
Hallo Silke
Ich finde Deine Artikel immer unbeschreiblich super. Ich habe selbst zwei Kinder mit Autismusspektrumstörung. Meine Kinder sind jedoch sehr selbständig und trotzdem bin ich manchmal überfordert. Deine Artikel haben mir schon manchmal geholfen und ich habe sehr viel gelernt über Autismus.
Es wäre toll, wenn noch viele Leute besser verstehen könnten was Autismus wirklich bedeutet und Familien unterstützen können mit mehr Verständnis.
Der familienentlastende Dienst ist eine grosse Unterstützung mit den richtigen Leuten. Ich würde es halt schon sehr wichtig finden, wenn diese Leute richtig geschult werden über den Umgang mit Autisten. Es macht mich wütend wenn ich im familienentlastenden Dienst Inserate entdecke, wo Sie Leute suchen mit ABA-Kenntnissen.
Ich hoffe sehr, dass noch viele Leute deine Artikel lesen. Vielen herzlichen Dank.
Ich habe schon früh für meine autistische Tochter die Ferienbetreuung in der Schule in Anspruch genommen. Sie hat das geliebt. Viele schöne Ausflüge wie Zoobesuche usw.
Später dann in den Ferien auch Kurzzeitpflege.
Als das nicht mehr funktioniert, weil der Betreuungsaufwand immer größer würde und sie kein kleinen Kinder mehr um sich verkraftete, weil sie immer lärmempfindlicher würde ist sie schweren Herzens für kurzem in ein Wohnheim umgezogen. Wir haben das Glück, dass alles in unserer Nähe ist und wir immer tollen Betreuer hatten und auch jetzt im Wohnheim. Mir ist es unendlich schwer gefallen mich zu lösen. Aber meiner Tochter (24) geht es sehr gut. Das ist für mich das wichtigste. Wir holen sie jedes Wochenende ab und haben Urlaub mit ihr geplant wie bisher auch.
Ich möchte allen damit Mut machen.
Petra Schaller
Hallo Silke.
Vielen Dank für diesen Artikel, der mir wieder mal aus der Seele spricht.
Unser autistischer Sohn ist inzwischen 20 und lebt noch bei uns. Schon seit Jahren ist uns durchaus bewußt und auch beabsichtigt, dass er eines Tages in nicht allzu ferner Zukunft ausziehen muss. Er ist Einzelkind und wir werden ja auch nicht jünger. Doch wenn ich mir die gegenwärtige Situation in der Pflege (selbst ganz allgemein, noch nicht mal bezogen auf die speziellen Anforderungen von Menschen mit Austismus-Spektrum-Störung) ansehe, bekomme ich ein mulmiges Gefühl.
Familienentlastenden Dienst können wir schon seit Jahren nicht mehr in Anspruch nehmen, da wir ländlich wohnen und niemand zu uns rausfahren kann oder will. Mit Glück haben wir zeitweise angehende Erzieher aus dem Ferienhort der Schule (den wir auch regelmäßig genutzt haben, seit er angeboten wurde) anwerben können oder zuletzt eine Betreuerin aus seiner Tagesförderstätte, die ihn dann auch mal für ein paar Stunden am Wochenende betreut. Weitgehend versuchen wir, Betreuung aus dem Familienumfeld zu organisieren, was naturgemäß spätestens dann an Grenzen stößt, wenn die ganze Verwandtschaft zu einer Feier eingeladen ist…
Die TaFö besucht er gerne und an seiner Betreuung dort gibt es auch nichts auszusetzen. Man geht gut auf ihn ein und kommt seinen Spezial-Bedürfnissen entgegen. Allerdings vermisse ich einen intensiveren Austausch darüber, was er dort so macht – er versucht öfters, mir/uns davon zu erzählen und dann wäre es hilfreich, zumindest eine Ahnung zu haben, worauf er sich bezieht, da er zwar spricht, aber teilweise schwer zu verstehen ist.
Seit ein paar Jahren nehmen wir auch Kurzzeitpflege für ihn in Anspruch. Es ist jedesmal anstrengend für ihn, sich darauf einzulassen, aber inzwischen brauchen wir diese Verschnaufpausen – obwohl er an sich recht „pflegeleicht“ ist – aber er ist eben immer zu Hause (wenn er nicht „arbeitet“).
Ich hoffe sehr, dass wir, wenn es denn soweit ist, eine angemessene Wohngruppe o.ä. für ihn finden, in der er sich dann auch wohlfühlen kann und wo wir ihn gut betreut wissen.
Hallo Silke,
mal wieder ein toller Beitrag. Viele. Dank dafür.
Mein Sohn ist 20 Jahre alt Asperger und wohnt noch zuhause. Er arbeitet in der Lebenshilfe in einer Werkstätte für Behinderte und die Überlegung ist ihn in das Wohnheim der Lebenshilfe unterzubringen.
Loslassen ist auch bei uns ein großes Thema. Von beide Seiten. Wie schon so oft hier erwähnt, man will sein „Kind“ in guten Händen wissen.
Wir sind tolle Eltern und haben tolle Kinder!
Diese Erlebnisse hatte ich mit meiner Tochter alle auch. Gerne möchte ich aus der Sicht meiner Tochter etwas zu der Sorge um unsere Kinder beitragen. Diesen Gedanken hat sie mit 13 Jahren dazu aufgeschrieben und sie geben mir Trost:
„Warum besorgt sein?
Was heisst besorgt sein? Diese Frage ist oft gestellt und war und bleibt und wird offen sein. Die Besorgtheit kennen Viele, aber keiner ward auf dem Wege, forschend oder sachlich.
Diese genauen Gründe, wegen denen man besorgt sein kann sind Sachen die geschehen, ohne dass man es will. Wogegen man nichts unternehmen kann, von dessen Bekundigungen man nicht denke.
Nun, einfach gesagt ist man „ahnungslos“.
MORAL:BESORGTHEIT IST DOOF!“
Dieser Beitrag spricht mir aus der Seele. Auch wir sind schon lange auf der Suche und haben letztes Jahr zwar einen Platz gefunden aber das ist nicht was er sich zum wohnen vorgestellt hat und das zeigt er auch deutlich. Nicht das er das Personal nicht mag aber er hätte gern noch ein eigenes Bad und soweit ich das seh auch Mitbewohner mit denen er sozial Interagieren kann. In seiner Gruppe können das die Mitbewohner einfach nicht in dem Maße in dem er das bräuchte.
Ich hatte ihn auch kurzentschlossen wieder heim geholt um eine Woche später wieder anzufragen. Daheim bräuchte ich einfach mehr Unterstützung und die fehlt. Die Genehmigung und Umsetzung braucht viel zu lange Zeit.