… und morgen sind dann Sommerferien

Ein weiteres Schuljahr geht zu Ende. Wir in Bayern sind ja immer spät dran, aber morgen beginnen auch bei uns die Sommerferien – Gelegenheit, ein wenig Bilanz zu ziehen.

Niklas hat im letzten Jahr einen enormen Entwicklungsschub hingelegt: körperlich ist er mir jetzt über den Scheitel gewachsen und könnte mir fast schon auf den Kopf spucken, was er aber noch nicht versucht hat :-) .  Das bringt natürlich mit sich, dass Pflegesituationen nicht mehr ganz so einfach sind, aber er zeigt sich deutlich kooperativer als noch vor einigen Monaten und so klappt das meistens recht gut.

Die Pubertät bringt bei ihm offenbar auch mit sich, dass sein Bedürfnis nach Selbständigkeit wächst. Und so trägt er seit einigen Wochen kaum noch Windeln. Das Bett ist morgens nahezu immer trocken und auch tagsüber klappt es sehr, sehr gut. Zwar noch mit einigen Ausrutschern, aber immer besser. Ich möchte damit den Eltern Mut machen, deren Kinder auch noch Windeln tragen. Niklas ist 16 Jahre alt und den Zeitpunkt für Windelfreiheit hat er jetzt für sich entschieden und er ist mächtig stolz. Auch wenn es noch ein paar Monate dauern sollte bis es vollständig und zuverlässig klappt, macht das gar nichts. Er hat uns gezeigt, dass er jetzt dazu bereit ist.

Sein Gebärdenwortschatz vergrößert sich nahezu täglich. Auch hier hat sich ausgezahlt, dass wir ihm am Anfang die Zeit gaben, die er brauchte, um sich nachhaltig mit dieser Art zu kommunizieren anzufreunden. Im Beitrag „Autismus und Gebärdensprache“ und auch im neuen Buch habe ich das ausführlich beschrieben.
Meistens kommt er aus der Schule nach Hause und will sich mit mir erst einmal auf ein Sofa setzen. Dann gebärdet er los wie ein Weltmeister und ich soll mitgebärden. Das ist so toll und er freut sich darüber, dass er sich mitteilen kann.
Gefreut haben wir uns sehr darüber, dass seine Gebärdensprachassistenz für die Schule beim diesjährigen Antrag gleich für die nächsten drei Jahre, also bis zum Ende seiner Schulpflicht, genehmigt wurde. Das ist eine tolle Sicherheit für alle, die personell daran beteiligt sind, und natürlich für Niklas super Aussichten für noch mehr Fortschritte in diesem Bereich.

Ein paar Krisen, die im vergangenen Jahr gemeistert werden mussten, mündeten nun in einem zur Zeit recht entspannten Sommer.
Seine Schule zog zu Beginn des zurückliegenden Schuljahres in eine neue Stadt und damit auch in neue Räumlichkeiten um. Das brachte erst einmal einige Unruhe, neue Akustik in den Zimmern, eine neue Busstrecke und Schulnachbarn, die Rasen mähen – puh!
Dank des einfühlsamen Schulteams konnte er sich nach und nach eingewöhnen und durfte sich auch einen eigenen Sitzplatz an der Klassenzimmertür suchen. So hatte er quasi immer den „Fluchtweg“ im Rücken und konnte zeitweise auch von außerhalb des Klassenzimmers durch die geöffnete Zimmertür den Unterricht verfolgen. Und das tat er offenbar recht erfolgreich. Diese Strategie legte er sich selbst zurecht und ich finde es enorm, dass er sich eigenständig eine Lösung überlegte, um dem Unterricht zu folgen, seinen KlassenkameradInnen nahe zu sein und sich trotzdem vor Reizüberflutung zu schützen.

Nach einer extrem geräuschempfindlichen Phase Anfang des Jahres, verbringt er seit einigen Wochen immer häufiger auch Zeit im Garten, vor allem wenn es bewölkt und nicht so hell ist. Die kleinen Vogelbabys im Garten sind inzwischen geschlüpft, flügge geworden und zwitschern nicht mehr ganz so laut, was für Niklas‘  Ohren eindeutige Entlastung bedeutet. Allerdings stören ihn nun zwei Tauben, die sich in einem Baum eingenistet haben. Rasenmäher, Heckenschneider, Kirchenglocken und Flugzeuge sind zwar immer noch schlimm für ihn, aber er schafft es ab und zu, sich durch Ohrenzuhalten zu schützen und die Situationen abzuwarten.

Seinen Unfall, den er zur Weihnachtszeit hatte, verarbeitet er noch immer. Es ist jetzt sieben Monate her, dass er mit Riesenschwung durch eine Glastür flog und sich Schnittwunden zuzog, aber er gebärdet immer noch davon, wie wir alle erschrocken waren, der Krankenwagen kam und sich alle um ihn kümmerten. Leider führte dieses Nachdenken in den letzten Wochen nicht dazu, dass alles ganz und heile blieb und so gab es durchaus auch nach dem Unfall durch Fußtritte zerbrochene Scheiben. Vielleicht braucht es noch mehr Zeit, damit sich das Erlebnis nachhaltig setzen kann. Die Erfahrung machten wir ja schon einige Male. Und so gebärden wir wieder und wieder von seinem Weihnachtsunfall.

Schön zu sehen war im vergangenen Jahr, dass er sich sehr um seine Freunde sorgt. Wenn ein Mitschüler krank war oder gar vom Krankenwagen abgeholt werden musste, beschäftigte ihn das sehr. Oftmals musste ich in der Schule nachfragen, ob der betreffende Schüler denn inzwischen wieder da ist, weil in Niklas‘  Erzählungen vor lauter Aufregung oft Vergangenes und Aktuelles vermischt wird. Wenn ich ihn dann nicht richtig verstehe, wird er verständlicherweise sauer. Aber das trägt wiederum dazu bei, dass er weitere Gebärden lernen will, damit er sich noch besser mitteilen kann.

Das Zeugnis findet er „nicht interessant“, wie er mir gestern aufschrieb :-)
Er freut sich auf zwei Wochen Ferienprogramm und junge Studentinnen, die dabei sein werden :-) Und dann freut er sich auf einige Wochen Wohnmobil fahren und Urlaub in Norwegen :-)

Und ich mich auch :-)

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2 comments

  • Das hört sich alles so entspannt und schön an =) Ich wünsche euch eine schöne Zeit in Norwegen und bin ein bischen neidisch.

    • Ella

      Dankeschön :-) Jemand sagte mal zu uns: „Genießen Sie die guten Zeiten“ und das machen wir gerade, denn es kommen auch wieder andere.
      Die Sehnsucht nach Norwegen ist sehr groß – ich freue mich schon sehr. :-)

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