Mit Heiko habe ich schon eine ganze Weile Kontakt, nicht zuletzt kaufte ich bei ihm für meinen Neffen ein Puzzle, das nach einem seiner Kunstwerke gedruckt worden war. Die kurzen Chats mit ihm waren so gehaltvoll, dass ich gerne mehr von ihm erfahren wollte. Also verabredeten wir uns für ein Telefonat, in dem er mir fast zwei Stunden lang von sich erzählte. Heiko ist unter anderem Spezialist für Datensicherheit und berät Rechtsanwälte hinsichtlich EDV, Verschlüsselung und Software. Schnell gewinne ich den Eindruck, dass er sich in seinem beruflichen Umfeld wohlfühlt. Seit 15 Jahren arbeitet er schon bei seinem Arbeitgeber, wo ihn seine Kollegen inzwischen gut kennen und ihn wegen seiner Ehrlichkeit und Liebe zum Detail schätzen gelernt haben. Wenn er mal bei einem Witz nachfragt, sehen sie dies mittlerweile entspannt.„Ich kann immer Komplimente vergeben, weil ich der erste bin, der merkt, wenn die Kollegin eine neue Frisur, neue Ohrringe usw. hat. Solche Details und Veränderungen fallen mir sofort auf“, sagt Heiko. Und er fühlt sich so viel wohler, als weiter den Schein zu wahren:„Ich verstelle mich nicht mehr“, sagt er „ich möchte authentisch sein, bei allem anderen komme ich mir vor wie ein Schauspieler. Der Kampf in meinem Leben war immer ein Kampf gegen die Anpassung. Viele nehmen meine Ehrlichkeit inzwischen mit Humor. Ich stelle direkte Fragen und mir ist der Wahrheitsgehalt meiner Aussagen sehr wichtig. Ich sage immer was geht, was machbar ist. So halte ich es auch im Berufsleben und bin damit immer gut zurecht gekommen. Ich habe zum Glück auch ein Einzelbüro, da habe ich die Möglichkeit, sehr konzentriert und sorgsam zu arbeiten. Ich bin auch sehr kommunikativ, das ist eher untypisch für Autisten, daher berate ich gerne am Telefon, auch hier nützt mir mein gutes Gedächtnis, so dass ich hier sehr gut an vorangegangene Gespräche anknüpfen kann“ Die Autismus-Diagnose bekam Heiko mit 30 Jahren. „Auffällig war ich auch vorher schon, ich war unbeholfen, war nicht gerne von Zuhause weg, sprach gestochen und tat mir schwer, mit anderen zusammen zu sein.“ In der Schulzeit hatte Heiko Schwierigkeiten, Freunde zu finden und manchmal waren ihm viele Menschen auf dichtem Raum zu viel.„Ich bin froh, dass meine Eltern und meine Schwester immer verständnisvoll waren. Sie haben immer für mich gekämpft. Es gab viel Belastendes, erst im Gymnasium wurde es besser.“ Ordung ist Heiko sehr wichtig, wenn es zum Beispiel um seine Bücher geht. Auch sollen Gegenstände immer dort wiederauffindbar für ihn sein, wo er sie zuletzt gesehen hat, ganz gleich ob es sich zum Beispiel um eine Schere oder einen Salzstreuer handelt. „Es beruhigt mich, wenn ich weiß, dass alles in Ordnung ist“, sagt er.„Manchmal habe ich Angst, dass andere mich aufgrund dieses Verhaltens für seltsam halten. Außerdem habe ich die Diagnose selbst drei Mal in Frage gestellt und habe sie jedes Mal erneut in der Diagnostik bestätigt bekommen.“ Das Hinterfragen von Dingen, Menschen und Vorgängen scheint sich durch Heikos komplettes Leben zu ziehen, daher rührt wohl auch die große Affinität zur Philosophie. „Fragen der Moral und der Gerechtigkeit beschäftigen … Heiko Powell ist Autist und Künstler: „Dieses Interview ist so, als ob ich 20 Bilder gleichzeitig gemalt hätte.“ weiterlesen
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