Der Zahnarzt-OP-Tag-Mutmach-Beitrag

veröffentlicht im Juni 2016


Gestern war es wieder einmal soweit. Niklas hatte einen Termin beim Zahnarzt: Vollnarkose, Untersuchung, Reinigung, wenn nötig: Sanierung.

Da er bei normalen Untersuchungen den Mund nicht öffnet und wenn doch, um in den Hightech-Behandlungsstuhl zu beißen, lässt es sich leider nicht anders lösen, als ihn von Zeit und Zeit zu narkotisieren und dann nachzusehen, ob etwas zu machen ist.
Man könnte natürlich abwarten bis auch ohne gründliche Untersuchung etwas auffällt oder Niklas signalisiert, dass er Schmerzen hat.

In intensiven Gesprächen mit Ärzten wägten wir ab. Selbstverständlich bedeutet jede Narkose ein Risiko. Aber es wäre auch nur eine Frage der Zeit, bis größere Zahnschäden auftreten, die aufgrund von Niklas´ anderem Schmerzempfinden erst viel zu spät entdeckt werden würden, um noch ohne großen Aufwand behandelt werden zu können.
So haben wir alle paar Jahre einen solchen Termin wie gestern. Niklas war sehr tapfer. Auch ohne Beruhigungsmittel wie Dormicum oder Tavor schaffte er es gut in den Behandlungsraum, ließ sich – natürlich nicht ganz ohne Protest – eine Nadel legen und schlief dann schnell ein. Die Behandlung dauerte etwa zwei Stunden, danach hatte er superweiße Zähne (nein, er strebt keine Karriere als Zahnarztfrau an… ;-) ) und zwei kleine Füllungen. Sonst war alles in Ordnung. Mittelfristig wird er wohl irgendwann seine Weisheitszähne hergeben müssen, aber darüber will ich jetzt erstmal gar nicht nachdenken.

Das Aufwachen aus der Narkose war für eine halbe Stunde etwas unruhig – einen sechzehnjährigen jungen Mann daran zu hindern, aus dem Bett zu hüpfen, wenn er noch so torkelt als hätte er eine ganze Flasche Schnaps getrunken, ist nicht so einfach. Aber auch das ging vorüber und nach zwei Stunden war er wieder ganz der Alte.
Während wir im Aufwachraum warteten, bekam Niklas mit, wie ein kleiner vierjähriger Junge für die Narkose vorbereitet wurde. Der Kleine Ruben hatte mächtig Angst und Niklas, selbst noch halbtrunken und benebelt, winkte ihm und warf ihm einen Luftkuss zu. Das war sehr rührend. Auch später zuhause gebärdete er noch von dem kleinen Jungen und fragte, ob er wohl inzwischen auch fertig und wieder bei seiner Mama ist. (Das am Rande mal wieder zur angeblich fehlenden Empathie von Autisten).

Die Mutter des kleinen Ruben war auch sehr ängstlich, nervös und in Tränen aufgelöst. Später sagte mir eine Mitarbeiterin der Praxis, dass Eltern behinderter Kinder in solchen Situationen einfach besser funktionieren würden. Man merke ihnen eine gewisse Routine an. „Sie haben das toll gemacht“, sagte sie.
Ich freute mich natürlich über ihre aufmerksamen Worte, sagte aber auch, dass das nur nach außen hin so aussieht. Es ist wirklich nur ein Funktionieren für die Situation, aber was sich im Inneren an Sorgen und Ängsten abspielt, steht auch bei vermeintlich routinierten Eltern behinderter Kinder auf einem ganz anderen Blatt. Ich glaube, das konnte sie gut nachvollziehen.

Im Vorfeld der OP waren natürlich auch Untersuchungen nötig: Die Blutabnahme mit körperlicher Untersuchung beim Hausarzt klappte gut. Dennoch ist es natürlich immer ein Akt, das zu organisieren, denn man muss nüchtern sein und so setzte ich mich dafür ein, dass Niklas den ersten Termin des Tages bekommt. Danach lohnte es sich auch noch, dass ich ihn selbst in die 40 Kilometer entfernt liegende Schule fuhr und er nicht allzu sehr aus seinem Rhythmus kam. (Denn der Schulbus war natürlich längst weg).
Die Voruntersuchung beim Zahnarzt wäre auch obligatorisch gewesen – das schenkten wir uns: „er macht ja sowieso den Mund nicht auf, dann ersparen wir uns allen den Stress“, meinte der verständige Arzt.
Und eine Voruntersuchung beim Anästhesisten wäre auch noch Bestandteil des normalen Ablaufs gewesen: „Ach, wissen Sie, Niklas war ja schon mal vor ein paar Jahren bei uns. Und bevor er hier verunsichert wird und Sie ihn dafür früher von der Schule abholen müssen, lassen wir das. Kommen Sie einfach alleine zum Gespräch.“ Das war natürlich super und ich dachte mir in dieser Situation, dass sich Aufklärung mit der Zeit doch lohnt.

Hier verlinke ich nochmal die Tipps und Anregungen für Arztbesuche – vielleicht können sie von Nutzen sein. Sie können gerne ausgedruckt und weitergegeben werden.

Ich wünsche euch auch so gute Erfahrungen, wenn Untersuchungen wie diese bei euren Kindern anstehen sollten.
Herzliche Grüße
Silke alias Ella

***

Zum Weiterlesen:

Autismus und Weisheitszahn-OP

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Scheint als ob ihr ne echt gute Praxis gefunden habt =) Das ist so unglaublich viel Wert. Ich möchte dir noch Mut machen was die Vollnarkose angeht. Klar bleibt ein kleines Restrisiko aber bei sonst organisch gesunden Menschen ist eine Vollnarkose wirklich Routine. Ich selbst bin erwachsene Asperger-Autistin und Behandlungen beim Zahnarzt ohne Vollnarkose gehen bei mir gar nicht. Die Fummelei im Mund, Spritze ins Zahnfleisch, dann Gerüche und Geschmäcker diverser Mittel, …. ich halt es schlicht nicht aus =( Hab das also auch schon ein paar Mal erleben müßen und bin sehr dankbar das es Vn gibt.

    Ich wünsch euch dass das nächste Mal lange auf sich warten lässt und ihr jetzt ne Weile Ruhe habt.

    1. Danke, liebe Isabel. Es tut wirklich gut, das zu lesen und bisher hat Niklas seine Vollnarkosen auch immer gut verkraftet. Hoffen wir, dass es so bleibt. Dir auch alles alles Gute ♥

  2. Ich persönlich habe eher mit Vollnarkosen Probleme….mit örtlicher Betäubung komme ich weitaus besser zurecht. Wann immer bei mir etwas operativ gemacht werden musste, habe ich mich für eine örtliche Betäubung entschieden und würde mich auch heute immer zuersterst dafür entscheiden.

    Jedoch bei manchen Operationen die bei mir gemacht werden mussten, war dann eben doch eine Vollnarkose nötig…und die letzte Vollnarkose ist mir bis heute in sehr schlechter Erinnerung geblieben.

    Noch während den Vorbereitungen dieser Vollnarkose machte ich sehr unangenehme Erfahrungen.
    Ich bekam bei vollem Verstand alles noch sehr deutlich mit…nur, mich bewegen und sprechen konnte ich nicht mehr.

    Zwar erkundigte sich der Arzt immer wieder bei seiner Kollegin ob ich denn jetzt endlich eingeschlafen sei, aber da ich immer noch die Augen geöffnet hatte war dies anscheinend nicht so einfach festzustellen oder eindeutig zu erkennen.

    Immer wieder sprachen mich Beide an und baten mich doch mal die Hand oder den Kopf zu heben, jedoch war ich zu keiner dieser Handlungen fähig.

    Ich dachte nur noch: dumm dass ihr jetzt nicht meine Gedanken lesen könnt, denn dann würdet ihr die Antwort auf eure Fragen umgehend erhalten…“nein, ich bin noch nicht weg, ich bin noch immer wach. Kann nur nicht mehr antworten und mich auch nicht mehr bewegen. Aber verstehen tue ich noch alles ganz gut.“

    Irgendwann hob dann der Arzt meinen Kopf an und zog mir diese OP Haube über und in diesem Augenblick fiel ich in so eine Art Dämmerschlaf (weiß nicht wie ich es anders benennen könnte)
    und bekam hier und da immer mal wieder Gespräche des OP Teams mit.

    Da ist es mir persönlicher dann doch lieber bei vollem Verstand zu sein, als in so einer „Art Dämmerschlaf“…wo ich dann ja immer noch alles mitbekomme (Gerüche, Gespräche, Töne der Apparaturen und so weiter)…mich halt nur nicht mehr bewegen und mich auch nicht mehr äußern kann. Das ist für mich persönlich ein völlig blödes Gefühl.

    Die Ärzte waren auf jeden Fall doch sehr erstaunt als ich ihnen hinterher erzählt habe was ich von der OP so alles mitbekommen habe. ;)

    Also, Örtliche Betäubung: jeder Zeit…Vollnarkose: bitte nur wenn es wirklich dringend nötig und absolut nicht anders machbar ist…ansonsten Nein.

    1. Liebe Zarinka,
      das hört sich ja wirklich gruselig an. Wenn Du diese Erfahrungen gemacht hast, kann ich gut verstehen, dass Du Vollnarkosen wirklich nur im Notfall möchtest.
      Vielen Dank für Deinen Kommentar und ich wünsche Dir, dass Du diese Erfahrung nie wieder machen musst.

  3. „Vielen Dank für Deinen Kommentar und ich wünsche Dir, dass Du diese Erfahrung nie wieder machen musst.“

    Mir ging es bei meiner Erklärung in erster Linie um folgendes:
    Für (Außenstehende) den Betrachter mag eine Vollnarkose vielleicht (auch für ihn selbst) zu einer beruhigenden Vorstellung führen, dass der Narkotisierte sich im Zustand der Narkose anscheinend besser aufgehoben fühlt, als dies ohne Vollnarkose der Fall wäre. (Der Patient schläft und bekommt ja nichts mehr mit.)

    Das mag vielleicht auch auf die meisten Menschen so zutreffen, und für das OP Team bestimmt zu einer entspannteren Arbeitsweise führen, dies muss aber nicht zwangsläufig auch auf/für den Patienten zutreffen. Egal ob es sich dabei nun um Autisten oder um Nichtautisten handelt.

    Auf jeden Fall fand ich die Bemerkung der damaligen Ärzte zu diesem, also meinem Erlebnis, äußerst interessant:

    „Mit absoluter Sicherheit können wir natürlich nicht sagen, in wie weit der Patient (trotz Vollnarkose) immer noch Geräusche, Gerüche oder Sonstiges wahrnimmt, deshalb sind unsere Ärzte dazu angehalten sich während der Operation, nur im Flüsterton zu unterhalten.“

    (Ich weiß aus eigener Erfahrung wie laut es in einem OP-Raum während der Operation zugeht.
    Und über was sich die Ärzte so alles während der OP unterhalten…Smaltalk ohne Ende.) :D

    Daher halte ich persönlich es auf jeden Fall auch für wichtig den Arzt und sein Team darum zu bitten, weitgehend während der OP auf Gespräche zu verzichten…und wichtige Gespräche dann möglichst im Flüsterton zu führen. ;)

    Ob sich die Ärzte an diese Bitte dann auch wirklich halten werden…können…wollen, ist natürlich eine ganz andere Sache…es dennoch erwähnen und sie auch darum bitten, würde ich persönlich jedoch in jedem Fall.

  4. Wir hatten gestern auch eine kleine OP. Unserem 4 jährigen wurde sein Schneidezahn gezogen, den er sich bei einem Sturz abgebrochen hat, und nun entzündet war. Die Ärztin arbeitet ausschließlich mit Kindern und hatte eine unglaubliche Geduld mit ihm. Die Anästhesistin habe ich aufgeklärt,dass er eine ASS hat und schlimme Erfahrungen mit einer ersten Operation. Sie war so verständnisvoll und bat mir an, für die kurze Zeit des Zahn ziehens nur die Masken Narkose zu nehmen und auf den Venen Zugang zu verzichten
    Ich habe meinen Sohn mittels eines Buches auf den Verlust des Zahnes aufgeklärt, denn für ihn war diese Umstellung im Mund unvorstellbar schlimm. Wenn Kita Kinder stolz einen Zahn verloren, hat er zuhause geweint und gesagt,Er würde niemals einen Zahn hergeben. Das Buch hat Früchte getragen, und M. fragte jede Schwester vor Ort, ob sie die ZahnFee sei. ;)
    Diesen Saft vorher wollte er natürlich nicht. Die Hälfte davon hat er wieder ausgespuckt. Na war dann halt so. Von der Narkose hab ich nicht viel erzählt, es war mir nicht klar,wie ich ihm das greifbar machen sollte, ohne, dass er sich da noch mehr Sorgen macht. So finde ich Narkosen für mich als Erwachsenen auch total unheimlich. Zum Glück konnte er in seiner Kleidung bleiben. Und ich durfte zur Narkose Einleitung mitkommen. Wir haben ihm gesagt,Er müsse mal kurz inhalieren – das kennt er zum Glück- und dann ging das alles sehr schnell. Als ich zur Tür raus war, kam die Ärztin quasi direkt hinterher. Und wenige Sekunden später hörte ich mein Kind winseln. Er wurde sofort zu mir gebracht in meine Arme und alles war gut
    Statt um seinen Zahn zu trauern,war er sehr stolz (unser Buch hatte also Früchte getragen). Die Narkose Ärztin hat mich danach sehr gelobt. Sie sagte,die Vorbereitung sei perfekt gewesen
    Ich war ihr sehr dankbar für den Zuspruch. Aber sie hat das auch wirklich toll gemacht.

    1. Das freut mich sehr, von Eurer guten Erfahrung zu hören. Das habt Ihr wirklich alle gemeinsam super hinbekommen. (Y)

  5. Ich hatte auch als Kind schon immer Angst vor Zahnbehandlungen. Deswegen habe ich mich bei meinem Arzt beraten lassen und habe mich dazu entschlossen meine nächste Operation, als Vollnarkosebehandlung durchzuführen. Das war für mich eine gute Entscheidung und hat mir einiges erspart.

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