Carola Niekisch über ihr Kinderbuch zum Thema Autismus: „Klamsi – eine perfekt wahre Geschichte“

Gleich auf der ersten Seite des Kinderbuches steht Carolas Widmung für ihren Sohn Christopher: „Ich bin so stolz auf dich, für mich bist du ein Superheld.“
Diese wertschätzende und liebevolle Sicht auf ihren autistischen Sohn spürt man in jeder Zeile ihrer wunderbaren Veröffentlichung und veranlasst mich dazu, nach langer Zeit mal wieder ein Buch vorzustellen.

Cover des Buches Klamsi - eine perfekt wahre Geschichte
©Cover Carola Niekisch: Klamsi – eine perfekt wahre Geschichte

Die Autorin und ihr Sohn Christopher

Nachdem ich auf Carolas Werk aufmerksam geworden war, nahm ich Kontakt zu ihr auf, um mehr über sie und das Kinderbuch zu erfahren. Gut eine Stunde telefonierten wir und hätten sicherlich noch viel länger weiter sprechen können, denn wir fanden einige Parallelen im Leben mit unseren Söhnen und die Art und Weise, wie sie vom Entstehungsprozess ihres ersten Buches erzählte, war sehr erfrischend und inspirierend.

Carolas Sohn Christopher ist 26 Jahre alt und hat eine Diagnose aus dem Autismus-Spektrum. Er besucht eine Werkstatt und wohnt in einer Wohnung neben seinen Eltern mit Unterstützung seiner Mutter, seines Stiefvaters und zeitweiliger Assistenz.

„Als Christopher zwei Jahre alt war, habe ich gemerkt, dass er anders ist, denn ich war eine gut informierte Mutter und hatte viele Ratgeber gelesen. Darin wurde die Entwicklung eines Kindes allerdings anders beschrieben“, erzählt Carola. Ihre eigene Großmutter amüsierte sich damals über sie und riet ihr, alle Ratgeber in den Kamin zu werfen. „Dann wärmen die Bücher wenigstens noch. Du musst lernen, die Signale deines Kindes zu deuten.“

Carola wusste zunächst nicht, was ihre Großmutter eigentlich meinte und verstand erst nach und nach, dass Christopher sich für ganz andere Dinge interessierte. Auch fiel ihm schon früh auf, wenn seine Mama etwas nicht wortgetreu vorlas, sondern Geschichten mit eigenen Worten wiedergab. „Mama, Du liest nicht richtig. Du lässt immer was aus. Das hast Du gestern anders vorgelesen.“
Er wollte auch einige Berührungen nicht. „Ich durfte ihn zwar manchmal in den Arm nehmen, aber bei anderen mochte er das gar nicht. Wenn er morgens aufwachte, wollte er auch nicht kuscheln, sondern schaute immer auf seine Mickey Mouse-Lampe“, erzählt Carola.
„Wenn wir auf dem Spielplatz waren, hatte ich immer Wechselwäsche dabei, weil Christopher es nicht ertragen konnte, Sand an sich und seiner Kleidung zu haben. Da musste ich ihn noch unterwegs umziehen.“

Trotz all dieser Beobachtungen wurde Carola von der Kinderärztin belächelt und vertröstet. Das würde schon alles noch werden und brauche einfach Zeit.

Signale deuten und Rahmenbedinungen schaffen

Währenddessen hatte Carola oft die Worte ihrer Großmutter im Ohr: „Du musst lernen, die Signale deines Kindes zu deuten.“ Und so lernten die beiden nach und nach, harmonisch miteinander zu leben. Carola wurde es zur Gewohnheit, sich bei Krisen oder Ausrastern von Christopher zu fragen, was ihm Angst gemacht haben könnte. Das Ergründen der Ursachen und das Anpassen von Rahmenbedingungen erwies sich als gute Strategie.

„Dann kam die Kindergartenzeit und die Vorwürfe wurden laut, ich würde falsch erziehen, weil das Kind nur still in der Ecke sitzt. Keiner wollte mir glauben, dass er zuhause anders war, dass er dort bastelte und malte. “ Carola und Christopher waren viel in der Natur. „Ich wusste genau, was ihm gut tut und dass er wissen musste, wann etwas passiert, wie der Plan war.“

So begann Carola Pläne zu visualisieren, in Kalender Vorhaben einzukleben, sie bereitete Feste und Urlaube mit Katalogbildern vor.
Ich sagte bei unserem Gespräch zu ihr: „Eigentlich hast Du ohne es zu wissen, TEACCH praktiziert.“ Das bestätigte Carola und erzählte, dass sie von anderen Eltern belächelt wurde, „so ein Theater wegen des Kindes zu machen“. Manches müsse er einfach aushalten und der Kindergarten sowie später auch die Schule blockten Carolas Input und Anleitung bezüglich Plänen und Visualisierungen ab.

Warum im Buch ein Mädchen erklärt, was Autismus bedeutet

Es gab aber auch schöne Erfahrungen. Zum Beispiel gab es eine zwei Jahre ältere Freundin im Kindergarten, die gerne Zeit mit Christopher verbrachte und ihn auch zuhause besuchte. Das kleine Mädchen fragte Carola, warum Christopher so anders sei und interessierte sich für ihn. „Ist ja nicht schlimm, ich mag Christopher trotzdem“, war ihre Reaktion.

Dieses tolle Mädchen ist übrigens als „Nele“ eine Protagonistin im Kinderbuch. „Die schöne Erfahrung mit Christophers Kindergartenfreundin hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass auch im Buch ein Mädchen erklären sollte, was Autismus bedeutet.“ Und das gelingt ihr ziemlich gut, finde ich.

Die Geschichten im Buch seien nicht ausgedacht, sondern nur etwas umgeschrieben, um authentisch aus der eigenen Erfahrung heraus über Autismus aufzuklären. „Ich bin dabei nur eine kleine Reiseleiterin, die zwischen Klamsis und unserer Welt eine Bücke baut“, erklärt Carola.

Aber wer ist denn nun eigentlich Klamsi?

Klamsi ist die Hauptfigur im Kinderbuch, ein autistischer Frosch.
„Und warum ist Klamsi ein Frosch?“, möchte ich natürlich sofort von Carola wissen und sie erklärt mir, dass Frösche in Erzählungen häufig mit Verwandlung zu tun haben, manche werden im Märchen sogar in Prinzen verwandelt. „Sie können an Land und im Wasser leben und man kann ihr Befinden nur schwer entschlüsseln, weil sie keine Mimik haben“, so Carola. „Das alles wurde mir eigentlich erst beim Schreiben bewusst und plötzlich war klar: Klamsi sollte ein Frosch sein.“

In diesem Kinderbuch lernt man Klamsi mit dem, was er kann, aber auch mit dem, was ihm schwerfällt, kennen – eben als einen ganz besonderen, einzigartigen Frosch.
Wir erleben ihn bei einem Kindergartenausflug, der ihm zunächst schwerfällt, bei der ihm aber „Brücken gebaut werden“, man die Umstände so anpasst, dass er teilhaben kann und am Ende einen tollen, glücklichen Tag erlebt.
Mir hat es sehr gut gefallen, wie Carola mit ihrer Geschichte behutsam, aber ganz klar für Klamsis Bedürfnisse sensibilisiert und kindgerecht vermittelt. Dabei verwendet sie keine Kleinkindsprache und man liest nicht nur zwei Sätze pro Seite, sondern findet eine flüssig geschriebene Geschichte, die ich erst wieder zur Seite gelegt habe, als ich auf der letzten Seite angelangt war.
Besonders schön ist auch, dass Klamsi am Ende dazu auffordert, Kontakt zu ihm aufzunehmen, falls man noch Fragen haben sollte – eine wirklich gelungene Aufklärung, wertschätzend, sensibilisierend und offen für weiteres Nachfragen.

Wie es zu dem Buch kam

Carola erzählt mir, dass sie schon immer gerne schreibt und mit der Zeit geübter darin wurde, anderen Geschichten über Christopher zu erzählen, damit sie ihn besser verstehen konnten. So berichtete sie auch ihrem zweiten Mann, Christophers Stiefvater, viele Erlebnisse aus der Vergangenheit, damit er Christophers Verhalten besser einordnen konnte. „Er ermutigte mich schließlich, diese Geschichten aufzuschreiben. Und so fing ich an und schrieb manchmal ganze Nächte lang durch.“

Beim Gespräch mit Carola musste ich lächeln, weil ich das so gut kenne, das Gefühl, nicht mehr aufhören zu können, im Schreib-Flow zu sein und nicht eher zu ruhen, bis alles in die Tasten geklimpert ist.
Aber auch darüber hinaus gibt es die schon erwähnten Parallelen zwischen unseren Söhnen, die beide hohe Pflegegrade haben und dennoch zeitweise in einer eigenen Wohnung mit Assistenz leben, um ihnen so viel Selbstbestimmung wie möglich zu geben.
Außerdem ist Carola auch ehrenamtlich engagiert, leitet eine Selbsthilfegruppe in Brandenburg, hält Vorträge und steht anderen Familien mit Rat und Tat zur Seite.


Selbsthilfegruppe Autismus in Brandenburg
Website
digitaler Notfallpass


Schreib- und Entstehungsprozess des Kinderbuches

Carola schrieb „einfach drauflos“, ohne wirklich eine bestimmte Alterszielgruppe vor Augen zu haben. „Aber ich wusste: wenn ich ein Kinderbuch schreibe, schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe (rw), denn ich weiß dann, dass es ein Erwachsener vorlesen wird und genauso wie das Kind für das Thema sensibilisiert wird.“ Das erschien Carola viel sinnvoller, als einen Ratgeber für Erwachsene zu verfassen und ich finde das auch einen tollen, cleveren Gedanken.

Die Illustratorin des schön gestalteten Buches hatte zuvor keine Berührungspunkte mit dem Thema Autismus, sei aber inzwischen zu einer echten Freundin geworden und hat es geschafft, Carolas Vorstellungen der Bebilderung umzusetzen.
Und auch Christopher ist stolz und zufrieden. „Boah, das bin ja ich, oder Mama?“, war seine Reaktion auf die Geschichte mit den schönen Bildern. Und er gestaltetet dann selbst noch mit, gab Feedback, korrigierte Details und entdeckte natürlich versteckte kleinen Botschaften in den Bildern, die hier aber nicht verraten werden.

Wie man das Kinderbuch bestellen kann

Mir gefällt das 52-seitige Kinderbuch außerordentlich gut – eine Geschichte über einen kleinen, autistischen Frosch, dessen Verhalten anders ist und der mit Hilfe eines achtsamen Umfelds und liebevoller Freundschaft Teilhabe erlebt. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung, die Carola schon schreibt. Deshalb mache ich auch gerne unbezahlte Werbung hier für ihr Werk. Sie hat mich nicht darum gebeten und ich bekomme auch keine Provision oder ähnliches dafür. Ich empfehle das Kinderbuch sehr gerne aus Überzeugung.

„Ich bin froh, dass ich meinen autistischen Sohn habe“, sagt Carola abschließend. „Er ist ehrlich und empathisch. Ich erlebe die Welt mit ihm ganz neu.“

Für mich war es ein sehr inspirierendes Gespräch mit einer tollen Mutter, die konstruktiv nach vorne schaut, ihrem Sohn ein so selbstbestimmtes Leben wie möglich ebnet und dazu noch kreativ in Worte fasst, was Kindern und Erwachsenen helfen kann, ein Leben mit Autismus besser zu verstehen.


Das Buch kann man aktuell direkt bei Carola für 14,95 Euro zuzüglich Porto bestellen.
Gerne versieht sie euer Exemplar auch mit einer Widmung und vielleicht packt es ja sogar Christopher für euch ein. Und hier könnt Ihr nochmal alle Angaben zum Kinderbuch mit Bestellmöglichkeit nachlesen.
Ich wünsche euch viel Spaß damit.


Zum Weiterlesen:

Mehr über den TEACCH-Ansatz

One comment

  • Seychellenfrosch

    Tolles Buch. Ich find Winkerfrösche total spannend, wie sie mit dem Kehlsack und dem Winken mit den Hinterbeinen kommunziern.

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