vom Trösten

veröffentlicht im Dezember 2017


Ein Kind trösten zu dürfen, ist etwas Schönes. Das nachlassende Schluchzen und das Sich-Anschmiegen, das Ruhiger-werden. Natürlich meine ich damit Situationen, die nicht so tragisch sind, in denen es sich um einen blauen Fleck, eine Schramme oder eine verpasste Fernsehsendung handelt.

Wie fühlt es sich an, wenn das Kind sich nicht trösten lassen will?

Das bekam ich in den ersten zehn Jahren mit Niklas oft zu spüren, denn er schluchzte dann alleine vor sich hin und ich konnte auch nicht wirklich einschätzen, wie schlimm dasjenige ist, das ihn so traurig macht. Niemand durfte zu ihm, man sollte auf Abstand sich tröstende Bärenbleiben und ich hatte oft das Gefühl, dass ich ihm so gern helfen möchte, aber es nicht darf. Es dauerte eine Weile bis ich das begriff, aber dann respektierte ich es selbstverständlich und tröstete ihn gedanklich mit etwas Abstand, blieb in dem Radius, den er auch als angenehm empfand.

Wenn du das kennst und möglicherweise traurig darüber bist, dass diese tröstende Nähe zu deinem Kind nicht möglich ist, dann habe ich einen kleinen Lichtblick parat.

Seit Niklas in der Pubertät ist, hat sich das nach und nach gewandelt. Er sucht immer häufiger meine Nähe und möchte getröstet werden, wenn er traurig ist. Inzwischen haben wir ein so inniges Verhältnis und so eine Nähe zueinander aufgebaut, wie nie zuvor. Wie so oft, brauchte es einfach Zeit, ohne Drängen und Bedrängen.

Und auch umgekehrt ist er sehr aufmerksam, wenn ich traurig bin oder gar weine. Meistens irritiert es ihn und ich soll sofort aufhören. Es kommt dann die Gebärde für „Stop“ oder „Schluss mit Weinen“.
Sein Trösten sieht zwar nicht so aus, dass er mich umarmt, aber ich merke, wie er sich dann zurücknimmt, Rücksicht übt und wenn er mir seine Füße auf den Schoß legt, damit ich sie kneten und kraulen „darf“, dann ist das seine Art, mir seine Nähe zu schenken und Trost zuzusprechen :-)

***

„Wer Trost spendet, pflanzt Blumen, die erst später blühen.“ (Thomas Holtbernd)

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KOMMENTARE

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  1. Hallo Silke,

    Es berührt mich immer wieder, wenn du darüber schreibst, was für ein liebevolles Verhältnis du zu deinem Sohn hast.

    Ich hatte früher kein so liebevolles Verhältnis zu meinen Eltern, auch nicht zu meiner Mutter. Trost oder Geborgenheit bekam ich von meiner Mutter nur selten. Zum Vorwurf mache ich ihr das nicht, denn wahrscheinlich war sie hoffnungslos überfordert, gerade auch mit meinen autistischen Besonderheiten, die vor über 40 Jahren niemand als solche erkannt hat.

    Bis vor wenigen Jahren wusste ich noch gar nicht, dass es überhaupt üblich ist, dass Kinder auch im Teenageralter noch Zuwendung von ihren Eltern bekommen; auch in Form von Körperkontakt. Als ich im Teenageralter war, musste ich eher der „kleine Mann im Haus“ sein, der mit seinem Leben (und seine Problemen) allein zurecht kommen musste. An Schutz oder Trost durch meiner Mutter war da nicht zu denken. Vielmehr war ich derjenige, der sie stabilisieren musste, weil sie selbst schwach und einsam war. Das bedeutet für jeden Teenager eine Überforderung, für einen autistischen ganz besonders. Damit sind Trost und Halt auch für autistische Kinder etwas ganz wichtiges, oder nicht?

    Manchmal weiß ich bis heute nicht, worunter ich mehr gelitten habe: Unter meinem Autismus an sich oder unter den schwierigen Verhältnissen, unter denen ich aufwuchs. Ein keiner Trost ist es im Nachhinein, wenn ich lese, dass Eltern auch anders und liebevoller mit ihren Kinder umgehen könne, als ich es früher erlebt habe. Tut mir leid, wenn aus meinen Zeilen eine gewisse Verbitterung klingt, aber so ist es leider.

  2. Hallo Dario,

    für mich ist die späte Erkenntnis MEINES Anderssein eine Erleichterung. Genau im Gegensatz zu dir verstehe ich nun das Verhältnis meiner Eltern zu mir und umgekehrt. Das Gefühl der Geborgenheit und das Trostspenden muss nicht zwingend durch körperlichen Kontakt erfolgen.
    a) Ich zB mag es selten in den Arm genommen zu werden. (Zeitpunkt-, Räumlichkeit, und natürlich Person-abhängig.) Das könnten meine Eltern durchaus gemerkt haben.
    b) Entsprechend der häufigen Vererbung ist es wahrscheinlich, dass mindestens ein Elternteil ebenso sich verhalten hat.

    Somit ist es klar, dass meine Eltern mich bei weitem nicht so oft umarmt haben, wie das bei anderen Familien war. Es gibt da zB auch eine Geschichte, bei der ich nicht sicher bin ob ich mich wirklich selber daran erinnern kann oder ob ich von den häufigen Erzählungen es nur vereinnahmt habe. Mein Opa saß im Rollstuhl und wollte mich gerne in den Arm nehmen. Ich wollte nicht und habe immer gesagt, dass ich nicht an ihn „dran komme“ (wegen des Rollstuhls).

    Bei dir war das sicherlich noch etwas anders, weil – so hört sich deine Beschreibung an – du lediglich bei einem Elternteil aufgewachsen bist.

    Vor einiger Zeit wurde mir vor geworfen, dass ich als Vater bei meinem Sohn (ASS, 7 J.) nicht fähig wäre, ihm ausreichend Nähe zu geben. Was für ein Unsinn. Ich sehe es immer wieder mit welcher Gleichgültigkeit die ihn umgebenden Menschen (Mama, Betreuerinnen, …) ihn umarmen, liebkosen und knuddeln (heißt das glaube ich), einfach so. Und mein Sohn versucht mit schauspielerischer Fehlleistung sich dagegen zu wehren. Ich begreife es einfach nicht. Mittlerweile kommt mein Sohn, wenn er Nähe braucht selber zu mir und umarmt mich sogar und das ist genau das, was er braucht und ich brauche.

    Apropos:
    Gestern habe ich mich bei einer für mich wichtigen Person geoutet. Ich habe ihm von meiner Diagnose erzählt und so ein paar bei mir passenden Klischees erläutert. U. A. habe ich gesagt, dass ich es nicht wirklich mag angefasst zu werden. 10 Minuten später in einem ganz anderen Zusammenhang hat er mich gelobt und dabei auf die Schulter geklopft. Ja, ich habe es überlebt, aber ich begreife es einfach nicht.

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