Interview mit Maria: „Als Schulbegleiterin zu arbeiten ist sehr spannend, anstrengend, intensiv und lehrreich.“

veröffentlicht im Februar 2018


Liebe Maria, vielen Dank für die Bereitschaft zu einem kleinen Interview. Sie arbeiteten zehn Jahre lang als Schulbegleiterin für Autistinnen und Autisten. Haben Sie eine bestimmte Ausbildung oder Fortbildung für diese Tätigkeit?

Als Schulbegleitung ist zunächst einmal keine Ausbildung erforderlich, es sei denn dies ist ausdrücklich verlangt. Ich bin staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin und diese Ausbildung hat mir bei der Begleitung geholfen, da ich bereits Wissen zu dem Umgang mit Menschen mit Autismus erworben hatte. Innerhalb des Unternehmens hat es unterschiedliche Fortbildungen gegeben, die von den Kollegen je nach Bedarf absolviert werden konnten.

Es waren sicherlich unterschiedliche Kinder, die Sie in diesem Zeitraum begleitet haben. Wie alt waren sie und welche Schulen besuchten sie?

Ich habe in meiner Zeit Schüler mit Autismus unterschiedlichen Alters sowohl an Regel- als auch an Förderschulen begleitet. An Förderschulen war bereits das Verständnis für den Schülerkreis vorhanden, an Regelschulen muss dieses erst geschaffen werden. Die Basis dafür war sowohl für die Lehrer als auch für Referendare erst zu legen.

Was war ihre Aufgabe? Wie konnten Sie den Schlülerinnen und Schülern helfen?

Die Aufgaben für jeden Schüler sind sehr individuell, Unterstützung in allen Bereichen des Schulalltags. Der Schulbegleiter ist nicht nur eben dieses sondern auch bester Freund, Vermittler, Therapeut, Übersetzer, Sprachrohr…
Nicht selten hilft man den Mitschülern den Schüler mit Autismus besser zu verstehen. Allein dieses macht das Miteinander oft einfacher. Man übersetzt sozusagen das Verhalten und die Bedeutung dessen, damit das Miteinander besser gelingt.

Was muss sich aus Ihrer Sicht für autistische Kinder in der Schullandschaft verändern, damit sie besser zurechtkommen?

Verändern muss sich die Selbstverständlichkeit im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung im Allgemeinen. Für Autistinnen und Autisten ist es wichtig, dass sie nicht abgestempelt werden und dass sie ein Teil der Gemeinschaft sind. Dafür ist es wichtig, dass mehr über Autismus bekannt wird. Nicht alle Menschen mit Autismus sind wie Rainman! Sie sind genau so verschieden wie alle anderen Menschen.

Haben Sie Tipps für andere Schulbegleiter, die vor der Aufgabe stehen, ein autistisches Kind zu begleiten?

Für die zukünftigen Schulbegleiter ist es wichtig sich auf die Aufgabe einzulassen, sich mit dem Thema zu befassen und ein gutes Vertrauensverhältnis zu der Person aufzubauen. Zeit nehmen, Strukturen schaffen und Dinge immer wiederholen unterstützen das Lernen. Es gibt kein Patentrezept und Dinge ausprobieren helfen zusätzlich. Bei allen Ratschlägen aber bitte nicht vergessen die schönen Momente zu genießen.

Welche Gefühle und Gedanken verbinden Sie mit autistischen Menschen nach ihrer langen Zeit als Schulbegleiterin?

Mit Menschen mit Autismus verbinde ich, dass nichts sein muss wie es scheint. Obwohl sie für Außenstehende sonderbar, nicht verstehbar oder aggressiv erscheinen, können sie unheimlich schlau und tiefgründig sein. Sie können einen immer wieder überraschen. Für mich war es besonders schön, wie sehr man sich über ganz kleine Dinge freuen kann. Außerdem können auch sie, trotz der Meinung einiger, Neues lernen. Dies benötigt vielleicht mehr Zeit und Wiederholungen, aber sie können es. Häufig ist Motivation dafür notwendig und Vertrauen, dass das Ziel erreichbar ist.

Ist Ihnen sonst noch etwas wichtig zu sagen?

Als Schulbegleiter zu arbeiten ist sehr spannend, anstrengend, intensiv und lehrreich. Menschen mit Autismus sind genau so verschieden wie alle anderen Menschen auch. Aus diesem Grund lernt man selbst auch verschiedenste Dinge. Ich habe unterschiedliche Begleitmethoden für Menschen mit Autismus kennengelernt und umgesetzt.

Vielen herzlichen Dank für das Interview und Ihre Arbeit. Schön, dass es Menschen wie Sie gibt, die mit unseren Kindern arbeiten.

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  1. Wieder mal ein toller Beitrag! :)

    Über eine Formulierung bin ich allerdings beim Lesen gestolpert: Kann man als Schulbegleiter wirklich „bester Freund“ des zu betreuenden Kindes sein? Oder muss nicht auch der beste Schulbegleiter immer eine professionelle Distanz wahren?

    Ich denke mir, ein Schulbegleiter (so gut das Vertrauensverhältnis auch ist) kann im engeren Sinn kein Freund sein, sondern hat einen klar umrissenen Aufgabenbereich, für den er bezahlt wird. Ein gutes, freundschaftliches Verhältnis halte ich unbedingt für wünschenwert, aber Schulbegleitung bleibt nach meinem Verständnis (und nach allem, was ich z. B. bei meinem kleinen Neffen erlebe) letzten Endes trotzdem eine Dienstleistung.

    Eine echte Freundschaft ist für mich etwas ganz anderes als eine Dienstleistung gegen Geld. Vielleicht ist es jetzt typisch autistisch, wenn ich mich an solchen Begrifflichkeiten „festbeiße“, aber sie beschäftigen mich wirklich!

    1. Uns wurde gesagt, ein Schulbegleiter muss kein großartiges Verhältnis zum Schüler aufbauen. Unser Sohn ist 7 Jahre und darf derzeit nicht in die Schule, weil es mit der Sb nicht geklappt hat. Er hat ihr nicht gehorcht und nicht ordentlich gearbeitet, wenn die es ihm gesagt hat. Auch die Chefin der Sb meinte: In der Regelschule hat das Kind zu funktionieren und wenn er eine kurze Pause braucht, darf er kurz mit der Sb draußen arbeiten, aber das hat er vollkommen verweigert, da er die Sb im Grunde gehasst hat. Sie war ja reine Exekutive. Nun soll Kind nochmal medikamentös abgeklärt werden. D.h. wir sollen ihn sedieren,bis er einfach ruhig ist und sich jede Behandlung gefallen lässt. Die Sb hat ihm in der Überreizung einfach nochmal die Schulregeln vorgekaut, geschimpft, dass er sie nicht kennen würde…… Ok., beste Freunde muss ja nicht sein. Aber warum muss unser Kind mit Diagnose der Regelschule so funktionieren, wie alle anderen? Nun hat das JA den Antrag auf Fachkraft abgelehnt, da unser Sohn Probleme mit der anderen Sb hat und gilt inoffiziell schon fast als unbeschulbar. In anderen Bundesländern kenne ich Fälle, wo viel mehr auf autistische Kinder eingegangen wird. Ein Junge ist z.b.genauso, , unser Sohn. Da hat man im HPG Strategien erarbeitet, wie man dem Kind helfen kann. In unserem HPG, Bayern, FFB, wurde festgestellt, dass unser Sohn scheinbar zu autistisch ist für die Regelschule. Denn dort muss man unauffällig sein! :-(

    2. Liebe Juliane, ich kann Deinen Ärger sehr gut nachvollziehen. Die Tatsache, dass so unterschiedlich beurteilt, genehmigt und abgelehnt wird, was Schulbegleitung angeht, ist untragbar. Es braucht hier dringend mehr Aufklärung und Informationen. Aus den Zuschriften, die mich erreichen und vielen Gesprächen nehme ich mit, dass es nicht unbedingt eine Sache des Bundeslandes ist, sondern immer eine Frage der Menschen, mit denen man in den entsprechenden Einrichtungen zu tun hat. Leider ist man dann meistens abhängig von deren Entscheidungen und am meisten leiden die Kinder… Ich wünsche Euch dennoch alles Gute!

    3. Ein bester Freund ist jemand, dem ich so ziemlich alles anvertrauen kann und mit dem ich mich auch mal streiten kann. Er ist nicht nachtragend und verzeiht. Als bester Freund ist man nicht distanzlos.
      So Jemanden gibt es nicht oft. Für Autisten aber sehr wichtig – weil sich eben Viele abwenden weil sie’s nicht verstehen.
      Ein bester Freund hält auch in Kriesensituationen zu Stange – deshalb sollte der Begriff nicht zu sehr überbewertet werden.

  2. Dario, du denkst gut.
    Ich sehe es bei meinem Sohn. Wenn das Verhältnis zu freundschaftlich ist, leidet die Arbeitsleitung darunter. Wenn man befreundet ist, arbeitet es sich anders.
    Das Verhältnis sollte auf Vertrauen aufbauen und Respekt. Mit der richtigen Mischung klappt das Arbeiten besser.
    Es ist kein einfacher Job. Er verlangt viel Fingerspitzengefühl ab. Dafür wird der Job nicht ernst genug genommen und nicht gut genug bezahlt.
    Ein Kind das gut in der Schule mitkommt, verursacht ja an anderer Stelle weniger Kosten. Auch langfristig.
    Leider wird es nicht so gesehen.

  3. Hallo,

    Da ich auch als Schulbegleitung arbeite, spricht mich dieser Artikel sehr an. Das Tollste an dieser Arbeit ist, dass man dabei sehr viel über sich und andere Menschen lernt, und vor allem sehr stark lernt, Menschen so anzunehmen wie sie nun eben sind. Man bekommt unheimlich viel zurück wenn man offen ist sich wirklich auf den Schüler einzulassen.

    Schönes Interview!

    Anne

    Ps: für mich ist „Freund“ hier eher als Stütze, Vertrauensperson und sicherer Hafen gemeint – eine Art von Sicherheit im oft doch sehr strapazierenden Schulalltag

    1. Anne, danke für diesen Beitrag. Ich arbeite selbst als SB mit einem autistischen Jungen und auch als „Freund“ kann ich ihn soweit bekommen, dass er gut mit arbeitet. Wenn man sich mag, ist es einfach leichter.

  4. Toller Beitrag über eine Tätigkeit die immer noch nicht ernst genommen wird.
    Ich arbeite als Heilerziehungspfleger seit 8 Jahren und bin in dem Bereich tätig seit 20 Jahren. Habe eine Autistische Tochter und komme jetzt oft er an meine grenzen.
    Das es mehr Kommunikation auf diesem Gebiet gibt ist sehr gut.
    Vielen Dank dass es euch gibt.

  5. Ich arbeite auch als TA (Teilhabeassistentin) eines kleinen frühkindlichen Autisten an einer Förderschule. Meiner Meinung nach kann man hier nicht verallgemeinern. Je nach Kind, braucht es einen Freund, einen Begleiter oder einen Motivator. Manchmal auch alles zusammen. Für mich ist es am wichtigsten, das „mein“ Autist mich mag und gern mit mir zusammen ist. Ich versuche einen möglichst guten Kontakt zu halten, denn wenn „mein“ Autist mich nicht mag, können wir zusammen nichts erreichen. Es ist selten einfach, denn er spricht nicht und kommuniziert auch nur wenig. Ich denk mir, wenn er mich als „Freund“ empfindet, wird er vielleicht eher zu mir kommen, wenn was nicht gut ist. Inzwischen verlässt er sich darauf, das ich „übersetze“. Andererseits, kann ich ihn auch dazu bewegen etwas zu tun, was er vielleicht gerade jetzt gar nicht will. Zum Beispiel am Unterricht teilnehmen :-) , oder zum Essen sitzen zu bleiben :-) …
    Andere Autisten an unserer Schule sprechen, wieder andere sind „nicht so weit weg“ und brauchen keinen Übersetzer, sondern nur einen „Erinnerer“. Jemanden der die Regeln wiederholt und sozusagen das Geländer darstellt, an dem man sich langhangeln kann.
    Sicherlich werde ich als TA bezahlt… klar.. ich muss ja auch von was leben. Aber wenn ich diesen Job nicht mit ganzem Herzen mache und dahinter stehe, bin ich dort falsch.

  6. Per Zufall bin ich auf dieses Interview gestoßen.
    Ich arbeite selber als SB, mittlerweile seit 6 Jahren.
    Einiges der größten Probleme unserer Arbeit ist die Tatsache, dass wir offiziell keine fachliche Ausbildung benötigen. Hier in NDS braucht man wirklich nur einen Hauptschulabschluss und kann dann den Job in der Schule antreten. Ich finde das grob fahrlässig. Natürlich kann eine engagierte SB sich in jedes „Thema“, in jeden „Fall“ einarbeiten. Meiner Meinung nach ist eine pädagogische oder medizinische Ausbildung aber unabdingbar.
    Denn unsere Arbeit ist weit mehr, als neben dem Kind sitzen und es ab und zu an die Mitarbeit zu erinnern.
    Doch um gutes Personal zu erhalten, müsste mehr bezahlt werden. Deutlich mehr.
    Ich würde in meinem ursprünglich erlernten Job bei gleicher Stundenanzahl fast das doppelte verdienen. Als SB arbeite ich, weil die Arbeitszeiten als Mutter einfach ein Traum sind. Und ich liebe diese Arbeit.
    Eines möchte ich jedoch anmerken – nie, wirklich nie, bin ich ein Freund des Kindes. Ein Vermittler, eine Stütze, eine Orientierungshilfe… vieles mehr… aber niemals ein Freund.
    Zu der Anmerkung einer betroffener Mutter – so leid es mir tut – es gibt sie, die Schüler, die nicht regelbeschulbar sind. Auch nicht mit einer, egal wie guten, SB. Dies betrifft neben Autisten manchmal auch geistig behinderte, sowie andere Kinder aus dem Förderbereich ESE.
    Zudem muss man deutlich betonen, dass ein Besuch der Regelschule, auch wenn es „funktioniert“, nicht automatisch das Beste oder das Richtige für das Kind ist.
    Mitlesenden Eltern möchte ich noch folgenden Tipp geben::
    SIE suchen den SB aus – NICHT die Schule. Scheuen Sie sich nicht sich mehrer potentielle Kandidaten anzusehen. Prüfen Sie die Kompetenz der Bewerberin/des Bewerbers.
    Schulen nehmen gerne ihre pädagogischen Mitarbeiterinnen (was per se nichts schlechtes ist!), die ein paar Stunden aufstocken möchten. Das Problem mögliche Problem hierbei ist, dass diese dann einen Interessenskonflikt haben, wenn es zu Problemen mit dem System der Schule kommt oder es um Missstände gibt, die man als Sb ansprechen muss/möchte. Gleichzeitig ist aber diese Schule dein Arbeitgeber, von dem du abhängig bist. (SB gelten in den Schulen offiziell als „Gast“, da sie nicht über die Landesschulbehörde angestellt sind.)
    Schauen Sie einfach genau hin, wen Sie so nah an Ihr Kind heranlassen möchten.
    Eine gute SB ist eine Bereicherung für die ganze Klasse.

  7. Sehr guter Artikel, der auch mir aus der Seele spricht. Ich arbeite seit 13 Jahren mit Kindern an Schulen aus dem Autismus Spektrum, als Schulbegleiterin. Aufklärung und vor allem Verständnis sind ganz wichtig.
    Ich habe sehr gute Erfahrung mit den Kindern gemacht, man muss sich einlassen und Zeit geben. Für die anderen Kinder ist es oft eine Bereicherung sich einzulassen auf einen Klassenkameraden der anders ist.
    Die Kinder gehen damit natürlich um. Jeder Autist ist anders, genau wie auch jeder Neurotypische Mensch. Das zu verstehen gilt es zu vermitteln und sich darauf einzustellen. Das sehe ich als meine Aufgabe in meiner Arbeit. In diesem Block kann man viel erfahren. Danke dafür. LG Uta K.

  8. Nachtrag zu meinem Kommentar:-)
    Wichtig ist es mir auch, das Kind so zu lassen wie es ist.
    Nicht dieses umerziehen und anpassen, sondern Hilfestellung zu geben sich in der Neurotypischen Welt zurechtzufinden.
    Brücken schaffen, dass das Miteinander und das Lernen klappt.
    LG Uta K

  9. Ich bin auch Schulbegleiterin und betreue einen blinden Jungen an einer Regelschule und wir haben ein freundschaftliches Verhältnis zueinander.Er hat sehr schlechte Erfahrungen mit Mobbing gemacht und ohne Vertrauen würde es überhaupt nicht funktionieren und er hat mir einige Dinge anvertraut,die sonst nur die Eltern wissen.

  10. Vielen Dank für den Beitrag und das interessante Interview zum Thema Betreuung und Schulbegleitung für Autisten. Ich selbst habe eine Ausbildung zur Altenpflegerin gemacht und bin daran interessiert mich in der Heilerziehungspflege fortzubilden. Interessant, dass die Ausbildung zur staatlich anerkannte Heilerziehungspflegerin, die nötigen Grundlagen bildet für die Betreuung von Autisten.

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Es ist immer wieder überwältigend, was wir als Eltern autistischer Kinder bedenken, organisieren und verarbeiten müssen. Neben viel Wissen und Erfahrungen, die du hier im Blog findest, ist eine solidarische Gemeinschaft unglaublich hilfreich. Das Forum plus ist ein geschützter Bereich nur für Eltern autistischer Kinder. Hier findest du außer praktischen Tipps viel Verständnis und Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen wie Du.

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