häufige Vorurteile und Missverständnisse

Viel wird geschrieben, viel wird erzählt, manche Information hält sich hartnäckig, auch wenn sie noch so falsch und inzwischen noch so überholt sein sollte. Das ist immer so, bei jedem Thema, zu allen Tages- und Nachtzeiten, in allen Kreisen und überall auf der Welt.
Auch bei uns und auch zum Thema „Autismus“.

Aufklärung ist wichtig, Missverständnisse auszuräumen auch, denn wie soll eine Annäherung, ein Verstehen möglich werden, wenn die Grundlage für ein Miteinander nicht gegeben ist? Falsche Informationen schüren Vorurteile, Unsicherheit und Angst. Vielleicht kann dieser kleine Artikel ein winziger Beitrag zu mehr Klarheit sein. Ich würde es mir sehr wünschen.

Autismus ist keine Krankheit in dem Sinne, dass man ihn heilen oder auskurieren kann,

sondern vor allem eine besondere Art und Weise seine Umwelt wahrzunehmen. Neueste Studien gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Weltbevölkerung im Autismus-Spektrum angesiedelt sein könnte. Die Gründe für das Entstehen von Autismus sind multikausaler Art: man geht heute von einer genetischen Disposition aus, die für sich alleine aber noch keinen Autismus bedingt. Vieles spricht dafür, dass Informationen im Gehirn von Menschen mit Autismus aufgrund veränderter neurologischer Verknüpfungen anders verarbeitet werden. Keinesfalls ist Autismus, wie früher angenommen, psychisch bedingt und gar auf emotionale Vernachlässigung durch sogenannte “Kühlschrankmütter”, Traumata oder Missbrauch zurückzuführen.

Das “Anderssein” ist vor allem durch eine veränderte Wahrnehmung gekennzeichnet.

Konkret bedeutet dies, dass Autisten unter Umständen anders sehen, riechen, schmecken, hören und fühlen. Manche Sinneseindrücke treten zu schwach, manche zu stark oder verzögert auf, manche vermischen sich synästhetisch. Oft kann eine Vielzahl gleichzeitig auftretender Eindrücke nicht gefiltert werden, was zu einem “Overload” führt.

Die Besonderheiten in der Wahrnehmung führen dazu, dass sich Autisten manchmal anders verhalten als wir das gewohnt sind.

So kann es sein, dass sich ein Autist scheinbar abwendet, impulsiv oder unhöflich und ablehnend verhält. Entgegen gängiger Meinungen ist dies aber nicht auf eine aggressive Grundhaltung oder ein Desinteresse an sozialen Kontakten zurückzuführen, sondern darauf, dass zu viele Sinneseindrücke in der aktuellen Situation eine Überforderung darstellen und sich der Mensch mit Autismus dieser entzieht. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Autismus und Gewalt, wie das in den Medien leider oft suggeriert wird.

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Autisten können auch empathisch sein.

Ein weiterer Irrglaube ist, dass Menschen mit Autismus sich nicht in andere Menschen einfühlen können. Sie können sehr feinfühlig und mitfühlend sein, nur können Autisten die Gefühlslage ihrer Mitmenschen nicht automatisch an deren Mimik oder Gestik ablesen. Manche lernen daher mit Hilfe von Gesichter-Bildkarten auswendig, was ein trauriges, wütendes oder fröhliches Gesicht ist. Wenn sie dies erkennen oder ihnen erklärt wird, wie die Situation beschaffen ist, können sie sich einfühlen wie andere Menschen auch.

Autisten sind nicht automatisch hochbegabt und auch nicht automatisch geistig behindert.

Das Bild, das in den Medien durch Berichte über faszinierende Menschen mit Inselbegabung oder Filme wie Rain Man gezeichnet wird, vermittelt den Eindruck, dass alle Autisten irgendetwas ganz besonders gut können müssen. Es gibt diese sogenannten Savants, aber das ist sehr selten. Man muss hier deutlich zwischen Inselbegabung und Spezialinteressen unterscheiden.

Auch nicht-sprechende Autisten haben oft keine kognitiven Einschränkungen, sondern verständigen sich über Bildkarten, Gebärdensprache und Schreiben auf Buchstabentafeln oder Computern. Die Tatsache, dass sie auf eine andere Art und Weise kommunizieren, führt leider oft zu einer Unterschätzung.

Autisten leben nicht in einer anderen Welt und wollen auch nicht isoliert sein,

auch wenn sie zeitweise die Möglichkeit zum Rückzug dringend brauchen. Durch die veränderte Wahrnehmung und das damit ungewohnte Verhalten oder auch dadurch, dass Menschen mit Autismus Sprache wörtlich verstehen, entstehen oft Missverständnisse. Sprichwörter, Redewendungen und Floskeln können Autisten meist nicht auf den Kontext übertragen. Sie können diese aber verstehen, wenn man sie erklärt. Umgekehrt verwenden Menschen mit Autismus Sprache sehr klar und direkt, so dass es dazu führen kann, dass man sich selbst vor den Kopf gestoßen oder beleidigt fühlt, obwohl es nicht so gemeint ist.

Viele Autisten führen intakte Beziehungen und leben in liebevollen Partnerschaften.

Manche sind  mehr oder weniger auf Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen angewiesen. So kann es sein, dass es einem Autisten eventuell nicht möglich ist, sich ein Essen zuzubereiten, während das Begreifen komplexer und abstrakter Zusammenhänge kein Problem darstellt. Diese Diskrepanz zwischen kognitiven Fähigkeiten und dem Fehlen von Alltagsfertigkeiten zu überbrücken und gar zu überwinden, stellt eine große Herausforderung für die Betroffenen und deren Familien dar. Trotz dieser Schwierigkeiten können Menschen mit Autismus wie alle anderen Menschen auch ein glückliches Leben führen.

Wichtig ist, dass die beschriebenen Besonderheiten in der Wahrnehmung und die daraus resultierenden Verhaltensweisen auftreten können, aber nicht müssen. Das ist bei jedem Autisten anders, manchmal auch von der Tagesform abhängig. Jeder Autist ist anders, so wie jeder Mensch anders ist als der andere.

Linktipps dazu:

Autismus – eine besondere Art zu leben auf dem Kinder- und Jugendportal „Helles Köpfchen“:
Den Artikel gibt es auch als pdf zum Download oder auch zum Bestellen für Schulklassen, Schulbegleiter, Geschwisterkinder usw. bei „Autismus Mittelfranken e.V.“

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Informationen findest du HIER oder per klick auf das Kurslogo

–> zur Hauptseite AUTISMUS

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