Autismus und Entwicklung hin zu mehr Selbstregulation

veröffentlicht im November 2017


Im Beitrag „Wie man Wutanfälle und Meltdowns auseinander hält“ hatte ich darüber berichtet, dass beide Formen der Zusammenbrüche bei Niklas Anfang dieses Jahres mit 17 Jahren einen (vorläufigen) Höhepunkt erreichten. Sowohl Reizüberflutung als auch wütende Episoden wechselten sich ab und konnten nicht immer gut auseinandergehalten werden. Das hat sich ein wenig verändert.

Quelle: pixaba, User PublicDomainPictures, vielen Dank!

Niklas‘ Entwicklung hin zu mehr Selbstregulation

Junge

Eine positive Wendung mit fortschreitender Pubertät innerhalb der letzten Monate ist Niklas‘ neue Fähigkeit, seine Bedürfnisse besser wahrzunehmen und Strategien zu entwickeln, mit Schwierigkeiten klarzukommen.
Aufgrund seiner ausgeprägten Geräuschempfindlichkeit im Bereich der Hyperakusis und Misophonie gerät er im Alltag immer wieder ganz plötzlich aus der Fassung. [Dies wird näher in meinem Buch „Autistische Kinder brauchen aufgeklärte Eltern“ erläutert.]
Früher war er dann so konfus und verzweifelt, dass wir für ihn Entscheidungen treffen mussten, die ihn ruhiger werden ließen – z.B. ein Ortswechsel oder eine Decke, in die er sich einhüllen kann.

Inzwischen kann er häufig gut für sich selbst sorgen.
Wenn er merkt, dass sich eine Situation oder ein Geräusch für ihn als unerträglich entpuppt, geht er selbständig in ein bestimmtes Zimmer, deckt sich zu und schaut in den Garten.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass in den Familien, aber auch in Kindergärten, Schulen und Praxen ein solches Zimmer zur Verfügung steht und dass man mit der Zeit die Erfahrung gemacht hat, dass man dort gut zur Ruhe kommen kann.

Niklas möchte dann, dass ich mitkomme und ruhig bei ihm sitze. Der Impuls für diese Strategie geht aber von ihm aus. Das ist ein enormer Fortschritt.

Stimming als Teil der Selbstregulation

Unter „Stimming“ versteht man ein „sich selbst stimulierendes Verhalten“.
Konkret kann das zum Beispiel das Wiederholen von Bewegungen sein wie hin- und herwippen, auf und ab laufen, sich drehen, mit dem Fuß wippen, mit den Händen flattern, mit dem Kopf vor und zurück wackeln oder auch bestimmte Geräusche und Töne  wiederholen, usw. Aber auch das ständige drehen, klopfen und bewegen mit oder von Gegenständen kann gemeint sein.

Stimming sieht man sehr häufig bei AutistInnen. Sie versuchen zum Beispiel sich damit zu konzentrieren, Reize zu filtern oder zu überlagern, sich zu beruhigen oder Ängste und andere intensive Gefühle auszuhalten bzw. schwierige Situationen zu überstehen.

Weiterführende Informationen und Gedanken zum Thema „Stimming“ bitte HIER nachlesen.

Niklas weiß genau, was ihm gut tut, und was ihm hilft, bestimmte Situationen zu überstehen. Manchmal rennt er im Kreis oder er setzt sich auf den Boden und dreht sich auf seinem Po. Oft hilft es ihm auch, Schnüre, Kabel oder Bänder zu drehen.
Wenn eine Reizüberflutung droht und ich es rechtzeitig bemerke, gebe ich ihm manchmal ein Band, damit er es drehen kann. Oftmals nimmt er sich aber inzwischen auch selbst Dinge zum Kreiseln, um sich zu beruhigen.

Wenn er bemerkt, dass er impulsiv reagieren, also schlagen, kratzen oder Haare ziehen könnte, setzt er sich inzwischen immer öfter auf seine Hände, um sich selbst davon abzuhalten. Wir fordern ihn nicht dazu auf, es ist seine ganz eigene Strategie, sich und andere davor zu schützen.

Einfordern von Plänen

Über die Notwendigkeit von Struktur und Plänen, dem Besprechen von Tagesabläufen und möglichen Abweichungen davon, wissen die meisten Bezugspersonen von AutistInnen gut Bescheid.
Auch Niklas selbst weiß inzwischen, wie wichtig es für ihn ist, Strukturen zu kennen, um sich sicher zu fühlen und möglicherweise sein Veto einlegen zu können. Er wartet daher nicht mehr grundsätzlich darauf, dass wir ihm einen Plan präsentieren, sondern fordert ihn manchmal selbst ein, sofern er ihn vermisst. Er gebärdet dann „Was ist der Plan?“ und wir wissen, dass ihm offenbar noch Struktur für den Tag oder eine bestimmte Aktivität fehlt.

Das ist natürlich eine große Hilfe, wenn er selbst darauf hinweist – auch eine Entwicklung der letzten Monate.

Die Pubertät hält viele Herausforderungen bereit, aber eben auch positive Entwicklungen, wie die hier beschriebenen. Die veränderte (Körper-)Wahrnehmung verwirrt und irritiert, aber sie führt manchmal auch dazu, dass die Kinder sich besser kennenlernen und sich dadurch auch selbst besser regulieren können.

Ich lade dich herzlich dazu ein, am vertiefenden Online-Seminar zum Thema „Umgang mit herausforderndem Verhalten“ teilzunehmen.
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HIER findest du weitere Informationen.

Zum Weiterlesen:

KOMMENTARE

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  1. Ein TEil der Stategien, bentze ich auch selbst. Es hat seher lange gedauert bis ich sie erstmal entdeckt habe und mir auch zugestanden habe. Weil ich so mit kompensieren beschäftigt war, weil man ja irgendwie klarkommen muss und sich shcämt. ABer wenn es am BAhnhof zu laut wird summe cih leänger vor mich hin, um das auszublenden. ICh schaukele dann auch, und verschiedens mehr. ICH habe es mal an andere Stelle erwähnt. Abr jedenfalls sorge ich da mehr für mich und scher mich auch immer weniger,w as die anderen denken. Dazu musste cih erst mal 56 JAhre alt werden. Jetzt arbeite cih schon lange nicht merh, udn kann mich schützen, indem ich das plane weenn cih rausgehe, und Besuche auch immer plane, und dei ZEit dazu. Das hilft enorm. IAn

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